hantAWB f. i/u-St., seit dem 8. Jh. in Gl.,
APs, B, C, G, I, L, LSF, M, MF, MH, bei N,
Npg, O, in Ps, PT, T, WB: ‚Hand, Besitz,
Eigentum, Macht, Herrschaft, Schutz, krie-
gerische Stärke, Heeresmacht, Seite, Gebiet,
Bereich; bracchium, chirus, conferre (= zi
hantum bringan), contingere (= zi hantum
queman), deferre (= zi hantum queman), dex-
tera, incidere (= zi hantum queman), manus,
palma, potestas, praesto (= az henti), proti-
nus (= nu zi henti), relinquere (= zi hantum
firlâzan), sinistra, suscipere (= in hant gine-
man)‘ 〈Var.: -e-, -ei- (zu den Schreibungen
des umgelauteten Vokals vgl. Braune-
Reiffenstein 2004: § 26 Anm. 4), -d- (zur
Verteilung von -t[-] und -d[-] vgl. Braune-
Reiffenstein 2004: § 163 [mit Anm. 5])〉.
Das Wort hant weist im Ahd. nur noch im
Dat.Pl. Reste der u-Deklination auf: hantum,
-un, -on (vgl. auch N hánden ohne Umlaut,
nhd. noch in Adv. wie vorhanden, abhan-
den), ansonsten erscheinen nur Formen der
i-Deklination (vgl. Braune-Reiffenstein
2004: § 220d). — Mhd. hant st. f. ‚Hand‘,
nhd. Hand f. ‚unterster Teil des Armes zum
Greifen und Halten‘.
Ahd. Wb. 4, 678 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 352; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 514; Schützeichel⁶ 148 f.; Starck-Wells
253. 821; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 153 ff.;
Seebold, ChWdW8 153 f.; Graff 4, 965 ff.; Lexer 1,
1170 ff.; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 129 f. (conferre). 146
(contingere). 176 (deferre). 192 (dext[e]ra). 326 (inci-
dere). 393 (manus). 461 (palma). 505 (potestas). 514
(praesto). 534 (protinus). 564 f. (relinquere). 647 f.
(suscipere); Dt. Wb. 10, 324 ff.; Kluge²¹ 287; Kluge²⁴
s. v.; Pfeifer, Et. Wb.² 503 f.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
as. hand f. i-St. ‚Hand‘ (jedoch geht der
Dat.Pl. handum nach den u-St.; dagegen
dat.sg. hand und gen.pl. hando nach den
Kons.-St. [vgl. Gallée 1993: § 328; Holthau-
sen 1921: § 305]; daneben hond mit Über-
gang von a > o vor Nasal [Holthausen 1921:
§ 29, 2]), mndd. hant (-d-) f. ‚Hand‘ (pl.
hande neben umgelauteten hende); andfrk.
hant* (-d-) f. (akk.sg. hant, gen.pl. hando,
akk.pl. handun), mndl. hant (-d-) f., nndl.
hand f. ‚Hand‘; afries. hand, hond f. u-St.
‚Hand, Schutz, Obhut, Gewalt, Macht‘ (der
u-St. ist nur noch in Resten vorhanden, da-
neben stehen vorherrschend Formen, die
analogisch nach den f. i- bzw. ō-St. gebildet
sind; vgl. Helten 1890: § 180; Steller 1928:
§ 58), nfries. hân ‚Hand‘; ae. hand, hond f.
u-St. ‚Hand, Seite, Macht, Besitz(er)‘ (Brun-
ner 1965: § 274), me. hnd(e) n. (das Neu-
trum wie auch bei anderen Körperteilbe-
zeichnungen wie arm ‚Arm‘ und leg ‚Bein‘
wohl analogisch nach me. bōn, bān ‚Kno-
chen‘), ne. hand ‚Hand, Urheber, Verfasser,
Macht, Gewalt‘; aisl. hǫnd f. ō-/Kons.-St.
(im Sg. flektiert das Wort nach den ō-, im Pl.
nach den Kons.-St.; ein Rest der ehemaligen
u-Deklination begegnet im Dat.Sg. hende
[Noreen (1923) 1970: § 416 mit Anm. 1 f.]),
nisl. hönd, fär. hond, ndän. haand, nnorw.,
nschwed. hand ‚Hand, Seite, Teil, Art‘; got.
handus f. u-St. ‚Hand‘ (Streitberg 1920:
§ 153; Braune-Heidermanns 2004: § 105),
krimgot. handa ‚Hand‘ (in Anbetracht des
Schwundes von anlautendem h- in Fällen
wie ano ‚Hühnchen‘ [→ hano], scheint h-
unter Einfluß von nndl. hand oder nhd. Hand
eingeführt zu sein), langob. ande-, andi- (in
ande/igauuerc ‚Handgerät‘; zum Schwund
des anlautenden h- vgl. Bruckner, Spr. d.
Langob. 160 f.): < urgerm. *χandu- f.
Fick 3 (Germ.)⁴ 71; Holthausen, As. Wb. 30; Sehrt, Wb.
z. Hel.² 218 f.; Berr, Et. Gl. to Hel. 174; Wadstein, Kl.
as. Spr.denkm. 115. 190; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 2, 1, 218 ff.; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 2,
190 ff.; Quak, Wortkonkordanz zu d. am.- u. andfrk. Ps.
u. Gl. 86; Quak, Die am.- u. andfrk. Ps. u. Gl. 25. 35.
53. 199; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 3, 86 ff.; Franck,
Et. wb. d. ndl. taal² 229; Suppl. 65; Vries, Ndls. et. wb.
234; Et. wb. Ndl. F-Ka 375 f.; Holthausen, Afries. Wb.²
39; Richthofen, Afries. Wb. 796. 823 ff.; Fryske wb. 8,
113 ff.; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. 2,
29 f.; Dijkstra, Friesch Wb. 1, 491 f.; Holthausen, Ae. et.
Wb. 149; Bosworth-Toller, AS Dict. 507 f.; Suppl.
506 f.; Suppl. 2, 39; ME Dict. s. v.; OED² s. v.; Vries,
Anord. et. Wb.² 281; Bjorvand, Våre arveord 334 f.;
Jóhannesson, Isl. et. Wb. 224 f. 228. 478; Fritzner, Ordb.
o. d. g. norske sprog 2, 183 ff.; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 141; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 366 ff.;
Nielsen, Dansk et. ordb. 200 f.; Ordb. o. d. danske
sprog 7, 554 ff.; Torp, Nynorsk et. ordb. 198; Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 333 f.; Svenska akad. ordb. s. v.; Feist,
Vgl. Wb. d. got. Spr. 244 f.; Lehmann, Gothic Et. Dict.
H-40; Stearns, Crimean Gothic 11. 137 f.; Bruckner,
Spr. d. Langob. 202. 206; Rhee, Die germ. Wörter i. d.
langob. Gesetzen 81 f. — Bammesberger 1990: 155;
Francovich Onesti 2000: 59 f.
Urgerm. *χandu- < vorurgerm. *kontu- hat
keine einhellig akzeptierte Etymologie. Meh-
rere Vorschläge stehen sich gegenüber:
1. Am wahrscheinlichsten ist die Annahme
einer Ableitung von der Verbalwz. uridg.
*k̂ent- ‚stechen‘, eine Wurzel, die außer in
gr. κεντέω ‚steche‘ auch fortgesetzt ist in got.
-hinþan (in frahinþan ‚gefangennehmen‘,
ushinþan ‚erbeuten‘) und aschwed.,
nschwed. hinna ‚erreichen‘ (zu einer Ablei-
tung der Verbalwz. im Ahd. vgl. hunda
‚Beute‘ [s. d.]). Das Wort müßte dabei in ei-
ner Zeit gebildet worden sein, in der die
Verbalwz. bereits die im Germ. belegte Be-
deutung ‚greifen‘ angenommen hätte. Die
‚Hand‘ wäre dann als ‚die Greiferin‘ charak-
terisiert. Zugrunde läge ein Nomen actionis
‚Greifen‘ (*kont-), das zu einem Nomen
agentis wurde (vgl. dieselbe Entwicklung bei
got. hliftus ‚Dieb‘).
2. Morphologisch und semantisch möglich
ist auch die Annahme einer Verbindung mit
der Verbalwz. uridg. *tek- ‚die Hand aus-
strecken, empfangen‘ (Neri 2003: 226 ff.; zur
Wurzel → diggen ‚erflehen‘, dîhan ‚ausrich-
ten‘). In diesem Fall hätte man von einem
Part.Aor. *tk-ónt- (zur Bildung vgl. uridg.
*h₁d-ónt- ‚beißend‘; → zan[d] ‚Zahn‘) aus-
zugehen, das vom Akk.Sg. vorurgerm.
*kónt- aus in die u-St. überführt worden
wäre (vgl. zu einem solchen Stammklassen-
wechsel ahd. fuoz ‚Fuß‘ [s. d.]).
3. Weiterhin wurde eine Bildung vorurgerm.
*kon-tú- ‚Kneifende‘ mit Akzentverschie-
bung < *kón-tu- ‚Kneifen‘ erwogen, einem
e/o-akrostatischen tu-St. (gen.sg. *kén-tu-s),
wozu als Neubildung die Verbalwz. urgerm.
*χenþe/a- ‚fangen, ergreifen‘ gebildet wor-
den sei (Lühr 2000: 186). Jedoch bleibt so-
wohl der Ansatz einer uridg. Wurzel *ken- in
der Bedeutung ‚zusammendrücken, kneifen‘
ohne weitere Stütze (vielmehr wird dafür die
Bedeutung ‚entspringen, beginnen‘ angesetzt
[vgl. LIV² 351]) als auch der Ansatz eines
e/o-akrostatischen tu-St. (vgl. Neri 2003:
230); schließlich wäre als verbale Neubil-
dung im Germ. wohl eher ein sw. als ein st.
Verb zu erwarten.
Andere Anknüpfungen sind abzulehnen, so etwa mit
urfinnougr. *käti ‚Hand, Arm‘ (P. Schrijver, in Carpe-
lan-Parpola 2001: 417 ff.).
Walde-Pokorny 1, 460; LIV² 326 f. 618 f.; Frisk, Gr. et.
Wb. 1, 820 f.; Chantraine, Dict. ét. gr. 515. — Lühr 2000:
186; Neri 2003: 226 ff.; Casaretto 2004: 197.