fingar
Volume III, Column 256
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fingarAWB m. a-St., seit dem 8. Jh.: Finger, ar-
tus, digitus, summa manus, tactus
. Mhd. vin-
ger m. Finger, nhd. Finger. Die einzelnen Fin-
ger haben bereits früh eigene Bezeichnungen:
seit dem 8. Jh. ahd. dûmo (s. d.), seit dem 9. Jh.
zeigâri (s. d.; 15. Jh. dagegen Zeigefinger),
12. Jh. goldfingar (dagegen 16. Jh. Ringfinger),
15. Jh. Mittelfinger, 16. Jh. kleiner Finger (zu
den Bezeichnungen der Finger s. W. Grimm,
Kleinere Schriften [Berlin, 1884], III, 425 ff.).

Ahd. Wb. III, 878 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 234; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 265; Schützeichel⁵ 134; Starck-Wells
153 f. 809; Schützeichel, Glossenwortschatz III, 168;
Seebold, ChWdW8 127; Graff III, 527 f.; Schade 196;
Lexer III, 355; Benecke III, 321; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 181 (digitus); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 197 (di-
gitus). 393 (summa manūs). 652 (tactus); Dt. Wb. III,
1650 ff.; Kluge²¹ 198; Kluge²⁴ 294; Pfeifer, Et. Wb.²
344 f.

Das Wort ist in allen altgerm. Sprachen bezeugt:
as. fingar, mndd. vinger(e); mndl. vingher, nndl.
vinger; afries. fing(e)r, nostfries., nwestfries.
finger; ae., me., ne. finger; aisl. fingr Finger, Ei-
ner
m., im Aisl., Aschwed. teils auch n. (vor al-
lem wegen des lautlichen Zusammenfalls von
Nom. Sg.n. und Akk.Sg.m.; s. A. M. Sturtevant,
Flom-Festschrift 52), nnorw., nschwed. (ett fin-
ger n., s. o.), ndän. finger; got. figgrs (nur akk.pl.
figgrans): < urgerm. *fengra-.

Fick III (Germ.)⁴ 228; Holthausen, As. Wb. 20; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 132; Berr, Et. Gl. to Hel. 120; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 723 f.; Schiller-Lüb-
ben, Mndd. Wb. V, 255; Verdam, Mndl. handwb.
715; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 744; Vries, Ndls. et.
wb. 786; Holthausen, Afries. Wb.² 27; Richthofen,
Afries. Wb. 741 f.; Doornkaat Koolman, Wb. d. ost-
fries. Spr. I, 484; Dijkstra, Friesch Wb. I, 352 f.; Holt-
hausen, Ae. et. Wb. 105; Bosworth-Toller, AS Dict.
287; Suppl. 219; ME Dict. E-F, 576 f.; OED² V,
932 ff.; Oxf. Dict. of Engl. Et. 357; Vries, Anord. et.
Wb.² 120; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 543; Fritzner,
Ordb. o. d. g. norske sprog I, 413; IV, 98; Holthausen,
Vgl. Wb. d. Awestnord. 61; Falk-Torp, Norw.-dän. et.
Wb. 218; Ordb. o. d. danske sprog IV, 997 ff.; Torp,
Nynorsk et. ordb. 105; Hellquist, Svensk et. ordb.³
210 f.; Svenska akad. ordb. F-572 ff.; Feist, Vgl. Wb. d.
got. Spr. 150; Lehmann, Gothic Et. Dict. F-47.

Eine sichere Deutung des Wortes existiert nicht.
Bringt man ahd. fingar mit der in ahd. fâhan
(s. d.) vorliegenden Wz. *pǝ-n-k- fangen, fas-
sen
[**₂-n-k-] in Verbindung und deutet die
Vorform *penkró- als Substantivierung eines
primären Adjektivs auf *-ro- (zu solchen Bil-
dungen s. Krahe-Meid, Germ. Sprachwiss. III
§ 81, 1) der Bedeutung Fasser, Greifer, Fanger
(so bereits Grimm, Dt. Gr.a II, 59), ist Ablaut-
entgleisung eines *pankró- zu *penkró- Er-
greifer
anzunehmen.

Auf das Problem der Ablautentgleisung wird bei die-
sem Anschluß in der Forschung nicht eingegangen;
z. B. W. Schulze, Kl. Schriften 193: *penghrós; Pfeifer,
a. a. O. als Alternative zur Ableitung vom Wort fünf
(s. u.): *penkro- zu ahd. fâhan.

Auch die herkömmliche Verbindung von ahd.
fingar mit dem Wort fünf, etwa unter einer
Vorform *penkró- einer aus der Gesamtheit
der fünf Finger
(G. v. Sabler, Zfvgl. Spr. 31
[1892], 280; C. T. Stewart, BB 30 [1906],
238 f.) bietet Probleme. Denn die ro-Ableitung
*penkró- von *pénko- Komplex von fünf
Fingern
wäre in diesem Fall zur Bezeichnung ei-
nes einzelnen Fingers verwendet worden, eine
sonst nicht weiter nachweisbare Funktion von
Sekundärbildungen auf *-ro- (Krahe-Meid,
a. a. O. § 81, 4); fimf.

Stewart (a. a. O.) verweist für die Zugehörigkeit des
Wortes Finger zu dem Numerale auf das Nebeneinan-
der von aind. ñca fünf und aind. pāí- m. Hand.
Abgesehen von der unterschiedlichen Quantität der a-
Laute ist jedoch aind. pāí- ohne eine anerkannte Ety-
mologie (Mayrhofer, Et. Wb. d. Altindoar. II, 117 f.).

Semantisch wenig befriedigend ist Grienbergers (Un-
ters. z. got. Wortkunde 67) Ansatz *penkerós mit
komparativischem ero-Suffix im Sinne eines Superla-
tivs der fünfte
. *penkerós sei ursprl. eine Bezeich-
nung des kleinen Fingers als des fünften gewesen, wo-
bei die Synkope in vorurgerm. *penkrós gegenüber
der Vorform von got. anþar der andere alt sei.

Unhaltbar S. Bugge, BB 14 (1889), 79: *penkrés
Finger statt *penke-nrés Fünfmänner.

Nach A. Meillet (MSLP 9 [1896], 151; BSLP 29
[1928], 36) ist ahd. fingar zu arm. hinger- in hingerord
der fünfte zu stellen, wobei der Zusammenhang des
Wortes Hand mit gr. -κοντα (τρικοντα dreißig
usw.; drîzug) zu vergleichen sei (zustimmend Klu-
ge²¹ 198; Solta, Stellung d. Arm. 453). Arm. hinger-
stellt jedoch eine innerarm. Lautentwicklung dar (
fimfto); und das Wort Hand verbindet sich mit got.
-hinþan greifen, fangen ( hant).

Auch das von H. Pedersen (Zfvgl. Spr. 32 [1893], 272)
verglichene Wort air. cóicer Anzahl von fünf ent-
spricht in seiner Wortbildung nicht dem Wort Finger.
Nach Thurneysen (Gr. of OIr. 243 f.) ist -er identisch
mit dem Wort fer Mann wie in oínar, nónbor, de(i)-
chenbor usw. Anzahl von einem; neun; zehn usw.

Mann (IE Comp. Dict. 919) bringt das Wort Finger
nicht nur mit arm. hingerord und air. cóicer zusammen
(s. o.), sondern auch mit osk. púmperiaís quincuriis,
lit. penkerì, slaw. ptorъ fünf an der Zahl, wobei er
eine gemeinsame Vorform uridg. *penkeros fünf an
der Zahl
voraussetzt. Bei dem ro-Suffix handelt es
sich jedoch um ein Kollektivsuffix (s. Arumaa, Urslav.
Gr. III § 181; doch mit teils unrichtigen Bezügen),
weshalb die Annahme der Verwendung der ro-Bildung
zur Bezeichnung eines Einers wieder Schwierigkeiten
bereitet (s. o.).

J. Loewenthals (Ark. f. nord. fil. 35 [1919], 229) An-
schluß an air. éim, ém schnell, aisl. fimr gewandt,
behende ist abzulehnen, da diese Wörter nicht auf ei-
ner Wz. *pem-, einer vermeintlichen Variante zu
*pen-, beruhen, sondern die Vorformen *pe-mi-
bzw. *pi-mo- und damit eine Wz. *pe- voraussetzen.

Walde-Pokorny II, 25 f.; Pokorny 808; Mayrhofer, K.
et. Wb. d. Aind. II, 187; Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 767 f.;
Untermann, Wb. d. Osk.-Umbr. 602 f.; Fraenkel, Lit.
et. Wb. 570.

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