dennenAWB sw. v. I: ‚ausstrecken, ziehen, aus-
dehnen, extendere, tendere, contendere, disten-
dere, expandere, sternere‘ 〈Var.: then(n)en,
dennan, Pa -dannen in ardannan, prät. denita,
part. prät. gidenit; zur analogischen Vereinfa-
chung von nn im Spätahd. s. Braune, Ahd.
Gr.¹⁴ § 96 Anm. 2〉. — Mhd. de(n)nen (prät.
dante neben denete, part.prät. auch st. gedan-
nen [: spannen]) ‚dehnen, ziehen, spannen‘,
nhd. dehnen.
Splett, Ahd. Wb. I, 131; Schützeichel⁴ 88; Starck-
Wells 93. 799; Graff V, 144; Schade 95; Sehrt-Legner,
Notker-Wortschatz 65; Raven, Schw. Verben d. Ahd. I,
288; Braune, a. a. O. 357 Anm. 1. 358 Anm. 1; Franck,
Afrk. Gr.² § 191; Schatz, Abair. Gr. § 142; Krüer,
Bindevokal 210. 265; Wißmann, Nomina Postverb.
87; G. Müller, PBB 70 (1948), 336; Lexer I, 417 f.; Be-
necke I, 311; Dt. Wb. II, 902 f.; Kluge²¹ 125; Kluge²²
131; Pfeifer, Et. Wb. 263; Hiersche, Dt. et. Wb. D-
64.
Entsprechungen in den germ. Sprachen sind: as.
*thennian ‚dehnen, ausspannen‘ (nur prät. the-
nidun), mndd. dēnen, dennen ‚dehnen, span-
nen, ausdehnen‘ (auch st. prät. dan); mndl. de-
nen, dennen ‚ausstrecken, spannen, foltern‘; ae.
ðenian ‚dehnen, strecken, spannen‘; anord.
þenja ‚ausdehnen, spannen‘, nnorw. tenja,
nschwed. tänja (dazu wohl anord. þinurr, þi-
null m. ‚Bogenmitte, hartes Holz, Schwert‘,
eigtl. ‚etwas Spannendes oder Gespanntes‘ >
‚biegsames Holz‘ > ‚härtester Teil des Holzes‘,
þind f. ‚Zwerchfell‘); got. ufþanjan ‚ausstrek-
ken‘.
Ob ae. ðodor m. ‚Ball, Kugel‘ in der Form ðōdor <
*þanþra- zugehörig ist, ist wegen der abweichenden
Bedeutung ganz unsicher. Auch die Verwandtschaft
mit nndl. deinen ‚auf- und niederwogen, leise schau-
keln, wiegen‘ (Kiliaan deyninghe ‚große Woge, Sand-
hügel‘), nostfries. dinen ‚sich dehnen, schwellen‘, die
man wegen der semantisch nahestehenden Verben ae.
ðindan ‚schwellen, zürnen‘, mndd. updinden ‚auf-
schwellen‘ u. a. zu ahd. dennen stellt, ist problema-
tisch. Ist tatsächlich die Wz. urgerm. *þen- ‚dehnen‘
der Ausgangspunkt für ein zu postulierendes afries.
*thīna, das dann ins Ndl. gedrungen ist, so müßte ei
der ndl. Wörter eine orthographische Variante von ij
< ī (und nicht Fortsetzung von urgerm. *ai) und *thī-
na so durch sekundäre Dehnung des i der Vorform
afries. *thina entstanden sein. Ein *þena wäre dabei
wie im Falle von afries. nima durch analogischen Aus-
gleich nach dem i in der 2. 3. Sg. (Helten, Aostfries. Gr.
§ 6) zu *þina geworden. Daneben denkt man für die
ndl. und fries. Wörter auch an eine Verbindung mit
nndl. gedijen ‚gedeihen‘, was jedoch von der Bedeu-
tung her weniger wahrscheinlich ist.
Fick III (Germ.)⁴ 178; Holthausen, As. Wb. 77; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 595; Berr, Et. Gl. to Hel. 405; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 412 f.; Schiller-Lüb-
ben, Mndd. Wb. I, 504; Verdam, Mndl. handwb. 132;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 110; Vries, Ndls. et. wb.
109 f.; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I,
298; Holthausen, Ae. et. Wb. 362. 367; Bosworth-
Toller, AS Dict. 1047; Suppl. 728; Stratmann-Bradley,
ME Dict.³ 631; Vries, Anord. et. Wb.² 609; Jóhan-
nesson, Isl. et. Wb. 437; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 314; Torp, Nynorsk et. ordb. 779 f.; Hell-
quist, Svensk et. ordb.³ 1265; Feist, Vgl. Wb. d. got.
Spr. 513 f.; Lehmann, Gothic Et. Dict. þ-16.
Außerhalb des Germ. vergleichen sich mit For-
mans *-(e)i̯e-: aind. tānáyati ‚dehnt‘ (s. u.); gr.
τείνω ‚strecke, dehne‘ (< *teni̯ō); alb. ndënj
‚breite aus, ziehe, spanne die Saiten‘ (< *[e]n-
tonéi̯e-); mit Formans *-u-: aind. tanóti, tanuté
‚spannt, zieht aus, dauert‘, av. pairi.tanuiia ‚ich
will fernhalten‘; gr. τάνυται, τανύω ‚spannen,
strecken, dehnen‘ (s. R. S. P. Beekes, Mü. Stu. z.
Spr.wiss. 34 [1976], 12); mit Formans *-d-:
aind. tandate ‚erschlafft, ermattet, läßt nach‘ (<
‚spannt ab‘); lat. tendere ‚spannen, ausdehnen,
ausstrecken‘; ae. þindan ‚schwellen, zornig
sein‘; mit Formans *-s-: → dinsan, dansôn,
duns.
Weitere zu der Wz. uridg. *ten- ‚dehnen, zie-
hen, spannen‘ gehörige Bildungen sind: aind.
part.perf.passiv tatá- (= gr. τατός), aorist átan,
tantí- f. ‚Seil, Strick, Band‘, tántu- m. ‚Faden,
Aufzug eines Gewebes‘; npers. tanaδ ‚dreht,
spinnt‘, Inf. tanīδan (vgl. zur Bedeutung das von
der Wz. *temp- ‚spannen‘ abgeleitete npers. tāb-
aδ ‚dreht, spinnt‘, Inf. tāften), tanandō ‚Spinne‘,
tār ‚Zettel, Aufzug am Webstuhl‘ (= aind. tán-
tra- n.); gr. τάσις ‚Spannung‘; lat. tenus, -oris n.
‚Schnur mit Schlinge (beim Vogelfang)‘ (= aind.
tánas- n. ‚Nachkommenschaft‘, gr. *τένος n. in
ἀτενής ‚straff, unverwandt, aufmerksam‘), tenē-
re ‚halten‘; air. tan ‚Zeit‘ (< *tenā), tét f. ‚Seil,
Saite‘; nkymr. tant ‚Saite‘ (< *tto-); abret. tin-
sit ‚sparsit‘; russ.-ksl. teneto, ksl. tonoto ‚Netz,
Falle‘; lett. tanis ‚Spinne‘.
Auf eine Wz.-Form *tenǝ- (**tenH₂-) weisen
aind. uttāná- ‚ausgestreckt‘, av. us-tān-āiš za-
stāiš ‚mit ausgestreckten Händen‘ (< *tn̥̄-nó-
[**tH₂-nó-]), aind. (isoliert) aorist atānīt; vgl.
aind. táni-man- m. ‚Dünne‘; lit. tìnstu, tìnti
‚schwellen, schwer atmen‘ (lett. tinu, tît ‚win-
den, wickeln, flechten‘); s. R. S. P. Beekes,
Zfvgl.Spr. 98 (1985), 47 f. Während im Falle von
ahd. dunni (s. d.) wegen der verwandten Formen
wohl eine laryngalhaltige Wz. *tenǝ- (**tenH₂-)
vorliegt, ist für ahd. dennen nicht zu entschei-
den, ob die laryngallose oder die laryngalhaltige
Variante der Wz. den Ausgangspunkt bildet.
Nimmt man an, daß die Vorform *þanja- von
ahd. dennen usw., der bei einer Wz. ohne aus-
lautenden Laryngal aind. tānáyati entspricht
(uridg. *o wird im Aind. in offener Silbe vor So-
nanten gedehnt), die Kontinuante eines o-stufi-
gen Intensivs (*tonéi̯e-) des Typs got. draibjan
‚treiben‘ neben dreiban ‚treiben‘ darstellt (an-
ders Kluge²² 131: Kausativ), so kann man auf
ein verlorengegangenes st. Verb *denan, dan,
dânun schließen. Möglicherweise deutet das st.
Prät. dan im Mndd. und das zu erschließende
afries. *thina (für *thena) (s. o.) auf ein solches
Verb.
Wegen der mit der zugrundeliegenden Wz. *te-
n(ǝ)- [**ten[H₂]-] übereinstimmenden Bedeu-
tung von ahd. dennen ist die Annahme eines
Kausativs urgerm. *þanjan- (Vries, Anord. et.
Wb.² a. a. O.; Feist, a. a. O.) weniger wahr-
scheinlich.
Walde-Pokorny I, 722 ff.; Pokorny 1065 f.; Fick I
(Idg.)⁴ 58. 223. 442; Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. I,
475 f.; ders., Et. Wb. d. Altindoar. I, 618 ff.; J. Narten,
Die sigmatischen Aoriste im Veda (Wiesbaden, 1964),
128; Uhlenbeck, K. et. Wb. d. aind. Spr. 108; Bartho-
lomae, Airan. Wb.² 633; H. Reichelt, Zfvgl.Spr. 39
(1903), 65 f.; E. Lidén, IF 19 (1906), 331 ff.; Horn,
Grdr. d. npers. Et. 83; Frisk, Gr. et. Wb. I, 177 f.; II,
853. 863 ff.; Chantraine, Dict. ét. gr. 1091 ff.; Walde-
Hofmann, Lat. et. Wb. II, 662 f.; Trautmann, Balt.-
Slav. Wb. 323 f.; Miklosich, Et. Wb. d. slav. Spr. 350;
Fraenkel, Lit. et. Wb. 1080. 1098 f.; Mühlenbach-
Endzelin, Lett.-dt. Wb. IV, 205 f.; Fick II (Kelt.)⁴
127; O. Bergin, Ériu 12 (1938), 227 f.; Persson, Beitr.
z. idg. Wortf. 341; S. E. Mann, Lang. 28 (1952), 38.