bîAWB, auch bĭAWB adv. ‚nahe‘ und präp. (mit gen.
dat. akk. instr.): (räumlich) ‚(nahe) bei, neben,
mit, auf der Seite, an, längs, auf, gegen, in, zu,
um‘; (zeitlich) ‚um, innerhalb, binnen, wäh-
rend, in, zu, bei, nach‘; (kausal) ‚wegen, um —
willen, von, über‘; (modal) ‚an, in Beziehung
auf, betreffend, verglichen mit, für, anstatt,
gemäß‘; (instr.) ‚durch‘; ‚ad, pro, prope, de‘
u. a. 〈Var.: pi, zweimal pii, dazu pe, be, zwei-
mal pa, einmal ba〉. Hierher gehört auch ahd.
bi-AWB in seiner Funktion als betontes Präfix zur
Bildung von Nominalzss. sowie als unbetontes
Präfix zur Bildung von Verbalzss. (s. Ahd.
Wb. I, 953). — Im Mhd. setzt sich ahd. bî als
bî, md. auch bîe fort; betontes Präfix bí- in
Nominalzss. kann als bi- bewahrt werden, wie
in bífilde ‚Begräbnis‘, bíziune ‚eingezäuntes
Grundstück‘; unbetontes bi- in Verbalzss. wird
zu be- (schon durchweg bei Notker und gele-
gentlich früher), wie in bevélhen ‚begraben‘,
bescháffen; gelegentlich geht beides nebenein-
ander her, wie in bígraft und begráft, bíderbe
und bedérbe (s. Paul, Mhd. Gr.²³ § 59, 6). —
Nhd. gelten bei für Adv. und Präp., be- (auch
bei-) für das Präfix.
Ahd. Wb. I, 953 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 59; Schütz-
eichel⁴ 75; Starck-Wells 49 f. 729; Graff III, 5 ff.;
Schade 59; Lexer I, 262 f.; Nachtr. 82; Benecke I,
112 f.; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 465 (prope); Dt.
Wb. I, 1346 ff. 1202 ff. (be-); Kluge²¹ 58 (be-). 61;
Kluge²² 66 (be-). 70; Pfeifer, Et. Wb. 135 f. 143 f.
Das ahd. Wort hat seine Entsprechungen fast in
sämtlichen germ. Dialekten: as. b, be, bi-, be-,
mndd. b, be-; andfrk. bi, bi-, mndl. bi, be-,
nndl. bij, be-; afries. b, bi-, be-; ae. b, be,
me. bī (by), be-, ne. by, be-; runennord. bi (mit
akk.?), einmal auf dem Lanzenschaft von Kra-
gehul (Dänemark, 6. Jh.): ... bi *gaira ‚um den
Ger herum‘ (Krause, Die Runeninschr. im ä. Fu-
thark 67; unklar bei G. Schmidt, Germ. Adv.
226), aisl. b- mit Vokalsynkope in Vortonstel-
lung: breiða ‚be-reiten‘, Noreen, Aisl. Gr.⁴ §
154, anorw. adän. aschwed. bi- aus dem Mndd.
entlehnt; got. bi = περί ‚um, herum, über‘, auch
= διά, ἐπί, εἰς ‚betreffs, über, gemäß‘; dazu als
Verbalpräfix bi- = gr. περι-, ἐπι- u. a.
Fick III (Germ.)⁴ 270; Holthausen, As. Wb. 6 f.;
Sehrt, Wb. z. Hel.² 47 f.; Berr, Et. Gl. to Hel. 49;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 153 (be-),
269 f.; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I, 160. 326; Ver-
dam, Mndl. handwb. 57. 96; Franck, Et. wb. d. ndl.
taal² 37. 64; Vries, Ndls. et. wb. 34. 57 f.; Holthausen,
Afries. Wb.² 8 f.; Richthofen, Afries. Wb. 630 f.; Holt-
hausen, Ae. et. Wb. 22; Bosworth-Toller, AS Dict. 69.
98; Suppl. 63 f.; ME Dict. A—B, 782 f. 793; OED² II,
5 (be-). 165 (bi-). 725 f. (by); Oxf. Dict. of Engl. Et.
82 (be-). 92 (bi-). 131 (by); Jóhannesson, Isl. et. Wb.
23; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 55 f. 71.; Hell-
quist, Svensk et. ordb.³ 41; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr.
88; Lehmann, Gothic Et. Dict. B-44. — Vgl. auch G.
Schmidt, a. a. O. 225 ff.
Aus dieser Übersicht ergeben sich als urgerm.
Grundformen ein schwachbetontes *bi und ein
starkbetontes *bī (nachträglich gelängt, s. Be-
haghel, Gesch. d. dt. Sprache⁵ § 235), die außer-
germ. mehrere Anschlußmöglichkeiten haben.
Und zwar zunächst an eine idg. Präp. *epi:
*opi: *pi ‚nahe hinzu, auf etwas drauf, auf et-
was hin‘ (so Brugmann, K. vgl. Gr. § 596;
Grdr.² II, 2, 838 ff.). Diese Formen sind in der
aind. Präp. ápi sowie dem aind. Präfix api-, pi-;
in av. aipi, apers. apiy; in arm. ew ‚und, auch‘;
in gr. ἐπί, ἔπι und πι-, myken. e-pi, auch o-pi
(meist in Zss.); alb. épërë ‚oben befindlich‘; in
lat. op, ob, osk. úp; air. iar n-, iarm ‚nach, se-
cundum‘ (< *epi-ro-m); slav. ob, o; lit. ap(i)-,
apię ‚um, über‘, lett. ap-, pìe ‚bei, an‘, apreuß.
ep- vertreten. Belege für Formen mit der
Schwundstufe *pi, die als Parallelen für urg.
*i (mit Verners Gesetz) dienen können, sind
aind. pi-dádhāti ‚deckt zu, verstopft‘, pi-náhya-
ti ‚bindet an, bindet zu‘, pī-ḍáyati ‚drückt,
preßt‘ (< *pi-žd-aya-ti ‚sitzt darauf‘), und — im
Anschluß an das letztgenannte — gr. πιέζω (<
*pi-s[e]d-i̯ō ‚sitze darauf‘, so nach H. Osthoff,
PBB 3 [1894], 243; anders bei Frisk, Gr. et.
Wb. II, 533 f.; Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind.
II, 291 f.; ders., Et. Wb. d. Altindoar. I, 86; s.
auch G. Schmidt, a. a. O. 245); weiterhin um-
stritten bleibt dagegen die etym. Analyse der lit.
Postposition -pi, -p ‚zu, bei‘, etwa in lit. sūnaũs-
pi ‚zum Sohne‘ (s. Delbrück, Vgl. Syntax d. idg.
Spr. 1. Teil 678).
Andererseits konkurriert aber mit idg. *epi:
*opi: *pi — und ist wohl in einer Art von „prä-
positionalem Synkretismus“ damit zusammen-
geflossen — eine formal nahestehende, inhaltlich
weitgehend identische Präp. idg. *obhi: *bhi
(*ebhi ist nicht sicher nachzuweisen, jedenfalls
nicht aus dem ganz anders bedingten gr. ἐφι- zu
erschließen, s. R. Günther, IF 20 [1906/07],
105 f.), ursprl. etwa ‚auf etwas zu‘ und ‚auf
(über) etwas hin‘, „mit dem Begriff einer gewis-
sen Aggression oder Bewältigung des Gegen-
standes“ (so Brugmann, K. vgl. Gr. § 599;
Grdr.² II, 2, 820 ff.): im Lat. dürfte die Präp.
und das Präfix ob (op) auf ursprl. *opi zurück-
gehen (s. o.), wohl ohne lautliche Einwirkung
von *obhi, aber mit Einschluß seiner Bedeu-
tung. Ein Reflex von idg. *obhi im Slav. ist aksl.
obь (sowie obъ), ob, o: als Präfix im Sinne von
dt. ‚um-, be-‘, als Präp. mit der Bed. ‚an, gegen‘.
Demgegenüber beruhen aind. abhí ‚herbei, zu,
gegen‘, av. aiwi, apers. abiy (als Präfix mit der
Bed. von ‚zu-, be-‘, als Präp. mit akk. im Sinne
von ‚zu — hin‘, mit lok. im Sinne von ‚über,
in betreff‘) lautlich allein auf idg. *bhí
[**H₂bhi], worauf auch gr. ἀμφί, lat. amb-,
umbr. amb-, gall. ambi-, kymr. am, air. im(b)-,
alb. mbi, mbε ‚auf beiden Seiten‘, (später)
‚ringsum‘, zurückgehen (zum Kelt. s. Thurney-
sen, Handb. d. Air. 468 f.; R. Schmidt, IF 1
[1892], 68). Im Germ. erscheint *bhí als *um-
bi ‚um‘ mit Vertretern in sämtlichen Dialekten
(→ umbi) außer dem Gotischen, wo seine Funk-
tion von got. bi, bi- übernommen wird (s. o.).
Idg. *obhi hätte im Indoiran. mit dem Brugmannschen
Gesetz *ābhi ergeben (vgl. M. Volkart, Zu Brugmanns
Gesetz im Altindischen [Bern, 1994] 63 ff.). Jedoch hat
man früher angenommen, daß in indoiran. *abhi auch
die Vorform von aksl. obi eingegangen ist (dagegen
W. Pax, WuS 17 [1937], 26 f.). Der Ansatz eines idg.
*ambhi, und zwar als einer Zusammenrückung von
*bhi mit einer Partikel am- (oder an[a]-, so W. Schul-
ze, Zur Gesch. lat. Eigennamen 542 Anm 3: „ἀμφί ist
gleichsam ‚circum-circa‘“; F. Solmsen, Rhein. Mus.,
N. S. 61 [1906], 502 Anm. 1; Hirt, Idg. Gr. III, 16;
Schwyzer, Gr. Gram. II, 436 ff.), ist überholt.
Schließlich kann das Wort für ‚bei‘ zu der aus
einer Postposition hervorgegangenen Dat.-, Ab-
lativendung aind. -bhiḥ, gr. -φι bzw. aind.
-bhyaḥ gestellt werden (s. aber G. Schmidt,
a. a. O. 227; Weiteres bei Lühr, Stud. z. Hilde-
brandlied 586 Anm. 1).
Walde-Pokorny I, 54 f. (*ambhi). 122 f. (*epi). 124
(*obhi); Pokorny 34 (*ambhi). 287 (*obhi). 323
(*epi); Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. I, 39 (ápi). 41
(abhí); ders., Et. Wb. d. Altindoar. I, 86. 91 f.; Bartho-
lomae, Airan. Wb. 87 f.; Horn, Grdr. d. npers. Et. 22;
Hübschmann, Arm. Gr. I, 416. 445; Boisacq, Dict. ét.
gr.⁴ 59 (ἀμφί). 264 f. (ἐπί); Frisk, Gr. et. Wb. I, 98
(ἀμφί). 535 (ἐπί); Chantraine, Dict. ét. gr. 80 (ἀμφί).
358 (ἐπί); Meyer, Et. Wb. d. alb. Spr. 265 (mbε). 96
(épεrε); Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 36 (amb-).
II, 192 ff. (ob); Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 26 (am-
bi). 454 (ob); Holder, Acelt. Spr. I, 117 (ambi-); Dot-
tin, Langue gaul. 106 (ambi-); Hessens Ir. Lex. II, 12
(imm); Dict. of Irish I-101 ff. (imm, imb); Dict. of
Welsh 79 f. (am); Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 1; Mi-
klosich, Et. Wb. d. slav. Spr. 219 (obŭ); Vasmer, Russ.
et. Wb. II, 236; E. Fraenkel, Lit. et. Wb. I, 584; Müh-
lenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. I, 71 f.; Trautmann,
Apreuß. Spr.denkm. 330.
S. auch beide, umbi.