astAWB m. i-St. ‚Ast, Zweig, ramus, surculus, frons;
Segelstange, antemna‘, einmal akk. pl. asti noch
ohne Umlaut (Gl. 1, 150, 7: Pa, 8./9. Jh., obd.),
sonst esti, -e; dat. pl. estin, -en. Mhd. ebenfalls
ast st. m., pl. este, nhd. Ast, Äste. In obd. Mdaa.
und auch sonst sehr häufig Nast (< den, ein-
[en] Ast) seit dem 16. Jh., vgl. Schweiz. Id. I,
572 ff.; Fischer, Schwäb. Wb. I, 344 f. („Nast
vorherrschend“); Müller, Rhein. Wb. I, 287 f.
Ahd. Wb. I, 680 f.; Schützeichel³ 11; Starck-Wells 36;
Graff I, 478 f.; Schade 33; Lexer I, 102; Benecke I, 66;
Dt. Wb. I, 588; Kluge²¹ 34.
An germ. Entsprechungen zu ahd. ast gibt es
nur as. mndd. ast, mndl. nndl. ast im Sinne von
‚Arm eines Kreuzes‘, und got. asts (a-Dekl.)
‚Ast‘, aber nichts im Fries., Engl. oder Skand.;
dafür begegnet eine Form mit Dehnstufe:
mndd. ōst (westfäl. aust), mndl. oest; ae. ōst
(adj. ōstig) ‚Knoten im Holz, Knorren am
Stamm‘.
Fick III (Germ.)⁴ 559; Holthausen, As. Wb. 4; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 128; Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. II, 244 (ōst); Woeste, Wb. d. westf. Mda.
13; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. I, 480 (ast); V, 19
(oest); Verdam, Mndl. handwb. 389; Franck, Et. wb. d.
ndl. taal² 466; Vries, Ndls. et. wb. 479; Holthausen,
Ae. et. Wb. 243; Bosworth-Toller, AS Dict. 768; Feist,
Vgl. Wb. d. got. Spr. 60.
Auch außergerm. sind Verwandte des ahd.
Wortes sehr dünn gesät: aus dem Griech. ge-
hört hierher ὄζος, das nach gr. Lautregeln eine
Transkription von *ozdos ist, außerdem arm.
ost, gen. ostoy und möglicherweise heth. ḫašduir
n. (kollektiv) ‚Zweige, Reisig, Abfall‘, das zuerst
von E. H. Sturtevant, Lang. 4 (1928), 163 so
identifiziert wurde. In der gemeinsamen
Grundform, die nach K. F. Johansson, IF 14
(1903), 323, *ddo- lauten sollte, sehen manche
seit K. Brugmann, IF 19 (1906), 379 Anm. (s.
auch Grdr.² II, 2, 816, und IF 37 [1916/17],
247 f.) eine Zss. aus der adnominalen Partikel
* : * ‚nahe bei, zusammen mit, (grenzend) an‘
(s. Schwyzer, Gr. Gram. II, 491) und der
Schwundstufe *-sd- der idg. Wz. *sed- ‚sitzen,
sich (an)setzen, eine Stelle einnehmen‘. Mit An-
gleichung an das sth. -d- ergibt sich daraus
[zd], das im Griech. zunächst bleibt, geschrie-
ben ζ oder σδ (lesb. ὔσδος ‚Zweig‘), aber seit
dem 4. Jh. als [ts] gesprochen wird (Schwyzer,
Gr. Gram. I, 330 f.) (Vgl. auch das gr. Homo-
nym ὄζος ‚Gefährte‘, eigtl. ‚Beisitzer‘, Frisk, Gr.
et. Wb. I, 116; Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 686 f.). Im
Germ. resultiert nach der 1. Lautverschiebung
-st-, also *ast-a-z < *ozd-o-s ‚Ansitzen, -sitzer,
Ansatz (am Stamm)‘. Ähnlich entwickelte sich
wohl arm. ost, während die Geschichte von
heth. ḫašduir umstritten bleibt.
Diese formal unanfechtbare Etym. schien noch bestä-
tigt durch verwandte Vddhi-Bildungen mit Dehn-
stufe ō-, wie die obengenannten mndd., mndl. und ae.
Belege mit der leicht modifizierten Bed. ‚Stelle, wo
ein Zweig am Stamm (an)sitzt‘ (s. W. Schulze, Zfvgl.
Spr. 63 [1936], 28; vgl. auch Darms, Schwäher u.
Schwager 236) sowie durch die lautlich parallele Bil-
dung ahd. nest (s. d.) < *ni-zd-o-s ‚Einsitzen, -sitzer,
Einsatz‘ (von Vögeln; nicht ‚Nieder-‘, s. Schulze, Kl.
Schriften 71 Anm. 3). Nur scheint im Falle von Nest,
worauf M. Bloomfield, Lang. 3 (1927), 213 f., zuerst
hingewiesen hat, die Wz. *sed- in passivischer Funk-
tion ‚Ort, in dem (ein)gesessen wird‘ und in der spezi-
fischen Bed. einer Körperbewegung gebraucht, im
Unterschied zu dem, was ‚sich dem Stamme anfügt‘ —
daher seine Deutung auch von Ast < *o-zd-o-s als
‚Ort, worauf (von Vögeln) gesessen wird‘. Wie
schwerwiegend diese Einwände sind, dürfte von der
Beurteilung der doch nicht nur von Lebendem ge-
brauchten idg. Wz. *sed- abhängen: sie liegt ja u. a.
auch in Wortbildungen vor wie ae. anord. sōt ‚Ruß‘,
eigtl. ‚(am Herd) Ansitzendes (oder Angesetztes)‘.
Vgl. auch noch die vielleicht parallele Bed.entwick-
lung von gr. ὄσχος, ὤσχη ‚Weinrebe‘, zurückgehend
auf *-zg̑h-o-, -ā und damit auf die Schwundstufe
*sg̑h-, zu der auch gr. ἔχω, σχεῖν gehören, also ‚was
(sich am Stamm) festhält‘, Frisk, Gr. et. Wb. II, 440.
Walde-Pokorny I, 95 (*e: *o). 186 (*ozdos); II, 486
(*sed-); Pokorny 280. 785 f. 887; Frisk, Gr. et. Wb. II,
353; Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 686 f.; Chantraine, Dict. ét.
gr. 776 f.; Hübschmann, Arm. Gr. 482; Tischler, Heth.
et. Gl. 206 f.; Friedrich, Heth. Wb. 64.