dorndril, -dregil, -dragil m. a-St., nur in
Gl. seit dem 11. Jh.: ‚Dorndreher, Rotkopf-
würger, Neuntöter, furfarius‘ (Gattung lanius)
〈Var.: -dragel, -drigil, -dral, -drel, -dreil,
-drell usw.〉. — Mhd. auch zu dorndræhsel, -dro-
schel, im 15. Jh. zu dorndreher umgedeutet
(s. u.); nhd. mdartl. (bair.) noch dorndræel
(Schmeller, Bayer. Wb.2 I, 542).
Splett, Ahd. Wb. I, 146. 148; Starck-Wells 105. 800;
Diefenbach, Gl. lat.-germ. 253; Lexer I, 452; Dt. Wb.
II, 1293 f.; Dt. Wb.2 VI, 1279 f.; Kluge21 139.
Der nhd. Form Dorndreher entsprechen mndd.
dōrndreyer und nndl. doorndraaier (Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 456; Wb. d.
ndl. taal III, 2, 3015).
Das Wort war ursprl. eine Zss. aus dorn (s. d.)
und einem Nomen agentis *drhil, *dregil zu ei-
nem im Ahd. nicht vorkommenden Verb wie
got. þragjan ‚laufen‘ (< urg. *þrajan-), ae.
ðrǣgan ‚dss.‘ (< urg. *þrǣ[i]jan-): der dorn-
dr(h)il, -dregil war „ein Vogel, der in Dorn-
sträuchern herumhüpft“ (zu -dr[h]il vgl. aisl.
þraell ‚Sklave, Diener‘, zu -dregil vgl. as. thre-
gil, ahd. drigil ‚Diener‘: ‚wer fortwährend her-
umläuft‘; → drigil). Wegen der Isolierung des
Grundworts im Ahd. war das Wort allerlei
volksetym. Umbildungen und Entstellungen
ausgesetzt: der Name des Vogels, der seine
Beute auf spitzen Dornen aufspießt, wurde so
als ‚Dorndreher‘ oder ‚Dorndrechsel‘ mißver-
standen (daß diese Benennung kaum die urspr.
gewesen sein kann, wie Suolahti, Dt. Vogelna-
men 146 ff. glaubte, wurde von D. v. Kralik,
Gött. Gel. Anz. 1914, 132 ff. nachgewiesen).
Diese grausame Tätigkeit des Vogels kam aber
in einer anderen ahd. Benennung, warghengil
‚Würger-Henker‘, tatsächlich zum Ausdruck
(s. d.).