dwerahAWB adj., nur in Gl. seit dem 9. Jh., Not-
ker: ‚quer, von der Seite, seitwärts, obliquus,
transversus‘ 〈Var.: tw-, -r(c)h, -ri(c)h, -reh,
-rw-, -raw- im Nom. dwerawēr; s. u.〉; vgl. in
dwerah ‚transversa, in transversum‘. In der an-
lautenden Verbindung dw wird zuweilen spät-
ahd. aus th entstandenes d weiter zu t verscho-
ben. Regel ist dies erst im Mhd. — Mhd.
twerch, dwerch (-h-) ‚auf die Seite gerichtet,
verkehrt, schräg, quer, obliquus‘, nhd. zwerch-
in Zusammensetzungen wie Zwerchfell (fach-
sprachl. bezeugt seit dem 17. Jh.), -holz, -pfei-
fe, -sack und überzwerch (mhd. übertwerch, äl-
ter über twerch), nhd. quer.
Während in ahd. dwerah zwischen r und h ein
Sproßvokal auftritt, ist der h-Schwund in ahd.
dwer (s. d.) auf die Stellung von h im Silbenan-
laut in den Casus obliqui zurückzuführen (vgl.
tweres; → dwer; bifilu neben bifilhu). zw-
es
Anlaut ist zuerst im 14. Jh. bezeugt. Dafür tritt
im Alem. und besonders im Md. qu- ein, das
sich vom Md. aus in der Schriftsprache seit dem
18. Jh. durchgesetzt hat (vgl. Adelung). zwerch
lebt nur noch in den Mdaa., und zwar in allen
obd. Dialekten, im Westmd. und im Schles.
Splett, Ahd. Wb. I, 160; Schützeichel⁴ 96; Starck-
Wells 113. 801; Graff V, 279; Schade 120; Lexer II,
1599; Benecke III, 166 f.; Diefenbach, Gl. lat.-germ.
387 (obliquus). 593 (transversus); Dt. Wb. VII, 2357;
XVI, 1084 ff.; Kluge²¹ 574. 895 (doch Ansatz
*þwerχwa-; s. u.); Kluge²² 575. 820; Pfeifer, Et. Wb.
1353 f.; Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 69a. 154 Anm. 1. 167
Anm. 8; Wilmanns, Dt. Gr. I § 85.
Für ahd. dwerah genügt wohl allein der Ansatz
einer Vorform mit *χ. Der in Anschluß an
R. Much, PBB 17 (1893), 92 aufgrund von ahd.
dwerawēr und mhd. twerge ‚Quere‘, zwerg
‚quer‘ vorgenommene Ansatz *þwer()wo- mit
wo-Suffix erübrigt sich, da h im Inlaut durch
w/g in der Funktion eines Hiattilgers ersetzt
worden sein kann und umgekehrt h anstelle von
inlautendem w vorkommt; vgl. Otfrid hīhun für
hīwun (Braune, a. a. O. § 110 Anm. 3; 152
Anm. 2. 3). Ahd. dwerah mit [χ] entsprechen:
as. thwerh ‚blödsinnig, quer‘, mndd. dwēr ‚quer
zu etwas liegend, überzwerch, quer‘; mndl.
dworch, dwerch ‚dss.‘; nostfries. dwär, dwer,
dwēr ‚dss.‘; ae. ðweorh, ðwerh, ðwyrh ‚quer,
verkehrt, schräg, krumm; feindlich, zornig‘, me.
þweorh; aisl. þverr (mit Assimilation von rh >
rr > r + r des Nom.) ‚quer, hinderlich, widrig,
widersprechend, unwillig‘, nisl. þver, nnorw.,
ndän. tvær, nschwed. tvär, aisl. þvert n. (> me.
þwert, þweort, ne. thwart ‚quer‘; ‚quer gehen,
entgegen sein, hindern‘); got. þwairhs ‚zornig‘:
< urgerm. *þwerχa-. Die Bedeutung ‚zornig‘ ist
aus der Bedeutung ‚quer‘ entstanden; vgl. nhd.
Querkopf.
Fick III (Germ.)⁴ 197; Holthausen, As. Wb. 80; Wad-
stein, Kl. as. Spr.denkm. 233; Gallée, Vorstud. z. e.
andd. Wb. 349 f.; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb.
I, 1, 505; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I, 613 f.; Ver-
dam, Mndl. handwb. 156; J. Verdam, Tijdschrift 38
(1919), 245 f.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 145; Suppl.
42; Vries, Ndls. et. wb. 147; Doornkaat Koolman,
Wb. d. ostfries. Spr. I, 371; Holthausen, Ae. et. Wb.
373; Bosworth-Toller, AS Dict. 1083; Suppl. 731;
Stratmann-Bradley, ME Dict.³ 641; Vries, Anord. et.
Wb.² 628; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog III,
1057 f.; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 443; Heggstad, Ga-
malnorsk ordb. 736; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awest-
nord. 323; Noreen, Aisl. Gr.⁴ § 124, 2; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 1303; Ordb. o. d. danske sprog
XXIV, 1197 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 822; Hell-
quist, Svensk et. ordb.³ 1254; Feist, Vgl. Wb. d. got.
Spr. 507; Lehmann, Gothic Et. Dict. þ-65.
Eine genaue Entsprechung zu der Wz. urgerm.
*þwerχ- < *tu̯erk- fehlt. Grienberger, Unters.
z. got. Wortkunde 219 nimmt an, daß die in der
urgerm. Wz. *þwer- (s. ahd. dweran) vorliegen-
de Wz. uridg. *tu̯er- ‚umdrehen‘ mit k-Suffix
erweitert worden ist und vergleicht so Bildungen
wie aisl. ǫfugr, as. auh, ahd. abuh ‚verkehrt‘
(s. d.), ksl. prěkъ (< *per-ko-) ‚transversus‘.
Weiterhin könnte man, sofern der Wz.-Auslaut
von vorurgerm. *tu̯erk- aus einem velaren (und
nicht aus einem labiovelaren *ku̯) besteht, eine
u̯-lose Variante dieser Wz. in der ahd. drâhsil
‚Drechsler‘ (s. d.) (< vorurgerm. *trēksilo-) zu-
grunde liegenden Wz. sehen. Wie in anderen
Fällen mag hier dann eine alte Doppelheit von
*tu̯- und *t- vorliegen; vgl. das Nebeneinander
von *su̯e- und *se- in dem Wort ‚sechs‘ (z. B. av.
χšuuaš mit χ-Vorschlag gegenüber got. saíhs
(Zupitza, Germ. Gutturale 71; Persson, Beitr. z.
idg. Wortf. 122; J. Schrijnen, Rozwadowski-
Festschrift I, 120). Jedenfalls dürfte der Ansatz
einer u̯-haltigen Variante *tu̯erk- der Annahme
einer Kreuzung der Wurzeln uridg. *tu̯er- ‚um-
drehen‘ und *terk- ‚drehen‘ vorzuziehen sein.
Walde-Pokorny I, 735 f.; Pokorny 1077. 1102 (Kreu-
zung von *tu̯er- und *terk-); Mann, IE Comp. Dict.
1468 (zu av. θβarǝs-; aber dazu s. u.). Andere Deu-
tungsversuche sind weniger wahrscheinlich: Die Ver-
bindung mit heth. tu̯ekka- ‚Körper, Person, selbst‘,
das man von der Wz. *tu̯er- ‚schneiden‘ > av. θβarǝs-
(Bartholomae, Airan. Wb. 795 ff. ‚schneiden‘) herzu-
leiten versucht (E. Risch, Sprache 7 [1961], 93 ff. mit
Grundbedeutung ‚formen, schnitzen‘), ist problema-
tisch, da sich der r-Schwund für heth. tu̯ekka- nicht
motivieren läßt, wie lyk. tukedri ‚Statue‘ < Nomen ab-
stractum *tu(e)kkatar mit der Stammvariante tukka-
< *tu̯ék-s/*tuk-és [J. Tischler mündlich] zeigt (zu
heth. tu̯ekka- → dwingan). Nicht überzeugend ist fer-
ner die Verbindung mit gr. σάρξ ‚Fleischstück‘ (<
*τϝάρξ), wobei ‚quer‘ im Sinne von ‚quergeschnitten,
Durchschnitt‘ verstanden wird (Walde-Pokorny I,
736. 751 als Alternative; Holthausen, Ae. et. Wb.
373). O. Hoffmanns, BB 25 (1899), 106 (Boisacq,
a. a. O. 853 f.) Anschluß an gr. σαρκάζω ‚bitter, grim-
mig verhöhnen‘, eigtl. ‚das Gesicht verziehen‘, < ur-
idg. *tu̯erk- ist ebenfalls abzulehnen, da sich dieses
Wort zu der Wz. *tu̯er- ‚schneiden‘ stellt; vgl. den
Bezug auf zäh und gierig beißende Hunde und die Be-
deutung ‚entfleischen, das Fleisch von den Knochen
abnagen‘ von gr. σαρκάζω (Frisk, Gr. et. Wb. II,
678 ff.; Chantraine, Dict. ét. gr. 988 f.). Auch lat. truci-
dāre ‚niedermetzeln‘ < *truci-cidāre, trux, -trucis
‚rauh, stachelig zum Anfühlen, durchbohrend, grim-
mig, trotzig‘ (P. v. Bradke, Zddt. Morgenl. Ges. 40
[1886], 352; A. Fick, Zfvgl.Spr. 22 [1874], 101) mit
truc- als schwachem Stamm zu got. þwairhs usw.
(R. Thurneysen, Zfvgl.Spr. 32 [1893], 563) und in air.
trú ‚totgeweiht‘ (< *truk-s, gen. *trukós) wurde von
der Wz. *tu̯er- ‚schneiden‘ hergeleitet. Doch ist eine
Grundbedeutung ‚schneidend‘ weder für die lat. Sippe
von trucidāre noch für die von ahd. dwerah erwiesen.
Fern bleibt weiterhin H. Osthoffs (PBB 13 [1888],
461 ff.) Verbindung mit gr. πραπίδες pl.f. ‚Zwerchfell‘
(s. Frisk, a. a. O. II, 588 f.); ebenso Perssons (Stud. z.
Wurzelerw. 194) und Vaničeks (Et. Wb. d. lat. Spr.
106) Anschluß an lat. trīcae f. ‚Ränke‘ usw. (< *trei̯k-)
(so noch L. Sütterlin, IF 25 [1909], 64).