fstAWB m. i-St.(?), nur in Gl. seit dem 12. Jh.:
‚Furz, vissum‘ 〈Var.: v-, einmal w- (15. Jh.)〉,
mhd. vst st.m. ‚dss.‘, nhd. Fist m. ‚dss.‘. — fî-
stanAWB st. v. I oder fistenAWB sw. v. I, nur dreimal in
Gl. seit dem 12. Jh.: ‚furzen, vissire‘ 〈Var.: v-〉,
mhd. vîsten st. v. I und visten sw. v. I ‚dss.‘,
nhd. fisten, feisten ‚dss.‘.
Die Verben, die vom Subst. fst abgeleitet sind, waren
bestimmt ursprl. schwach; die Formen mit langem
Wurzelvokal sind z. T. (wohl erst im Mhd.) analogisch
in die erste starke Konj. übergegangen; vgl. mhd. wî-
sen sw. und st. v.
Ahd. Wb. III, 923; Splett, Ahd. Wb. I, 239; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 296; Starck-Wells 809; Schützeichel,
Glossenwortschatz III, 186; Schade 201; Lexer III,
375; Nachtr. 396 (veisten sw. v., Lexer III, 49, ist zu
streichen, denn der einzige Beleg ist Prät. von vîsten;
auch der Ansatz veist st.m. ist etwas unsicher, denn
der einzige spätmhd. Beleg vaist [14./15. Jh.] könnte
trotz der ai-Schreibung ein diphthongiertes vîst dar-
stellen); Benecke III, 331; Diefenbach, Gl. lat.-germ.
623 (vissum, vissio); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 715
(vissium, vissiare); Dt. Wb. III, 1465 f. (feist, feisten).
1691 f. (fist, fisten); Kluge²¹ 200; Kluge²⁴ 296.
Die Wörter haben Entsprechungen mit dersel-
ben Bed. nur im Westgerm.: mndd. vīst m., vī-
sten sw. v.; mndl. vijste f. (Kiliaan vijst m.), vij-
sten sw. v. und damit ablautend veest m., veesten
sw. v., nndl. veest, veesten; im Ae. ist nur ein
Verbalsubst. fīsting ‚das Fisten‘ belegt, aber me.
und ne. (veraltet) kommt fīst (subst. und v.) vor.
Fick III (Germ.)⁴ 242 (s. v. fis²); Seebold, Germ. st.
Verben 191; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1,
735; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. V, 262; Verdam,
Mndl. handwb. 645. 714; Franck, Et. wb. d. ndl. taal²
726; Suppl. 177. 181 (veziken); Vries, Ndls. et. wb.
768; Holthausen, Ae. et. Wb. 106; Bosworth-Toller,
AS Dict. 289; Suppl. 222; Suppl. II, 25; ME Dict. E-F,
596; OED² V, 972; Oxf. Dict. of Engl. Et. 358. — H.-
Fr. Rosenfeld, PBB 78 (Halle, 1956), 357 ff.
Wie bei allen solchen lautmalenden Wörtern ist
eine einwandfreie Etymologie kaum zu erwar-
ten. Ein ahd. i-St. fist mit kurzem i ließe sich
ohne weiteres auf die idg. Wz. *pezd- ‚leise fur-
zen‘ (neben *perd- ‚laut furzen‘; → ferzan) in gr.
βδέω (< *βζδέω < *pzd-); lat. pēdō (< *pez-
dō); ukrain. pezdíty, bzdíty, russ. bzdet’; lit.
bezdti, lett. bezdêt (zum anl. b- vgl. G. Iljinskij,
Arch. f. slav. Phil. 34 [1913], 12) zurückführen.
Auch das Element -vist in mhd. *boumvist (s. d.),
nhd. Bovist (Lycoperdon bovista L.) entspricht
genau — wenn das i kurz ist — der gr. Pilzbe-
zeichnung πέζις (vgl. B. Forssman, Mü. Stud. z.
Spr.wiss. 29 [1971], 47 ff.). Aber daneben be-
gegnen germ. Formen mit langem ī und sogar *ai
(z. B. nndl. veest; vgl. Franck, Mndl. Gr. § 25 f.),
wie auch gleichbedeutende Wörter mit ī-Voka-
lismus, jedoch ohne ausl. t: aisl. físa st. v. I ‚fur-
zen‘, ndän. fise, nschwed. fisa ‚dss.‘, nnorw. fisa
‚dss.‘, auch ‚pusten, blasen‘; mhd. vîsen ‚furzen‘.
Vries, Anord. et. Wb.² 121; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
537; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 62; Falk-
Torp, Norw.-dän. et. Wb. 220 f.; Torp, Nynorsk et.
ordb. 106 f.; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 212; Lexer
III, 374.
Diese Formen könnten auf ein germ. st. Verb
*fīsan- mit einer ursprl. Bed. ‚blasen, pusten‘
(vgl. nnorw. fisa s. o., auch mndl. vēsen ‚flüstern‘
[Verdam, a. a. O. 710]) zurückgehen, das zur
idg. Wz. *(s)pei̯s- ‚blasen‘ gehört und mit lat.
spirāre ‚blasen, wehen, atmen‘, kymr. ffun
‚Atem‘ (< *spoi̯-nā); viell. skt. picchorā- ‚Pfeife,
Flöte‘, aksl. piskati ‚pfeifen, flöten‘, russ. piščát’
‚pfeifen, kreischen‘, lit. pyškti ‚knallen, kra-
chen‘, lett. pīkstêt ‚pfeifen‘ (wenn diese Formen
nicht auf eine einfache Wz. *pi- ‚pfeifen‘ zu-
rückgehen; vgl. Vasmer, Russ. et. Wb. II, 363 f.;
Hiersche, Tenues Asp. im Idg. 111) verwandt ist.
Da germ. *fisti- auch für eine -ti-Ableitung von
der Wz. *fīs- gehalten werden könnte, wären
die beiden Sippen dann zusammengefallen.
Weniger wahrscheinlich wegen des aisl. st.
Verbs ist eine zweite Erklärung, die zuerst von
H. Osthoff (Zur Gesch. d. Perfects im Idg. [Straß-
burg, 1884], 613) erwogen und dann von
B. Forssman, a. a. O. weiter entwickelt wurde:
germ. *fs- ‚leise furzen‘ sei eine Rückbildung zu
*fisti (eine Bed.entwicklung ‚furzen‘ > ‚pusten,
blasen‘ im Nnorw. ist aber weniger plausibel als
die umgekehrte Entwicklung).
Walde-Pokorny II, 11. 68 f.; Pokorny 796. 829;
Mann, IE Comp. Dict. 928; Mayrhofer, K. et. Wb. d.
Aind. II, 272; ders., Et. Wb. d. Altindoar. II, 127; Boi-
sacq, Dict. ét. gr.⁴ 117. 1100; Frisk, Gr. et. Wb. I, 230;
Chantraine, Dict. ét. gr. 171 f.; Walde-Hofmann, Lat.
et. Wb. II, 273 f. 575 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴
493. 642 f.; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 221; Miklo-
sich, Et. Wb. d. slav. Spr. 247. 271; Sadnik-Aitzetmül-
ler, Vgl. Wb. d. slav. Spr. I Nr. 376; dies., Handwb. zu
den aksl. Texten 86. 283 (Nr. 653); Vasmer, Russ. et.
Wb. I, 84; II, 363 f.; Fraenkel, Lit. et. Wb. 42. 599;
Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. I, 283; III,
230 f.; Fick II (Kelt.)⁴ 302; Dict. of Welsh I, 1324. —
Persson, Beitr. z. idg. Wortf. 154. 598 ff.; ders., Stud.
z. Wurzelerw. 199.