-issa suff. 〈Var.: -u-; -s-, -rr-〉. Das
Suff. bildet urspr. Abstrakta und Mo-
tionsfem. zu alten s-Stämmen, dann auch
Konkreta (Nomina instrumenti) (s.u.); vgl.
ahd. nickissa ‚Nixe‘ zu ahd. nickus (s.dd.)
oder brimissa zu bremo ‚Bremse‘ (s.dd.).
Neben der häufigeren Var. mit -s(s)- treten
vereinzelt auch Fälle auf, die Rhotazismus
nach dem Vernerschen Gesetz zeigen; vgl.
etwa ahd. kilburra, kilbira ‚Mutterlamm‘
(s.dd.). Durch Reanalyse des Suff. kann -issa
auch bei Wörtern urspr. anderer Stammklas-
sen auftreten. — Mhd. -ese, nhd. -(s)e, -sche.
Die Var. nhd. -sche steht nach -t- (und nach
-r-; dort teils schon im Mhd.), nachdem zu-
vor der Kurzvokal -i/u- synkopiert worden
war (Ebert-Reichmann-Solms-Wegera 1993:
§ L 60, 2; Paul 2007: § L 124). Das Suff. war
im Ahd. nur in geringem Umfang, im Mhd.
gar nicht mehr produktiv. Im Nhd. ist es nur
noch in vereinzelten Wörtern erhalten, etwa
in Hexe, Bremse, Kebse, Pritsche, deren zu-
gehörige Grundwörter nicht mehr vorkom-
men (Hexe, Kebse) oder nicht mehr als sol-
che kenntlich sind (nhd. Pritsche < ahd. bri-
tissa zu ahd. bret ‚Brett‘ [s.dd.]) oder nur
noch dial. auftreten (bair. breme ‚Bremse‘).
Davon zu trennen ist das sich ab dem 11. Jh.
bes. vom Nordwesten des dt. Sprachgebiets
her ausbreitende Motionssuff. -esse (s. u.).
Splett, Ahd. Wb. 2, 300.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
as. -is(e), -issia, mndd. -ese; ae. -es, -sea: <
westgerm. *-e/is-i̯ō-.
Das im Ndl. auftretende Suff. -es < mndl.
-esse ist aus vulg.lat. -issa bzw. afrz. -esse
entlehnt (vgl. nfrz. baronesse ‚Baronin‘ etc.).
Dieses Lehnsuff. ist über das Andfrk. bzw.
Mndl. auch ins Dt. gelangt, wo es v.a. in
ndd. Dial. verbreitet ist, sich aber schon ab
Anfang des 14. Jh.s als mhd. -isse (und wei-
tergebildet als mhd. -issin[ne], -issen) auch
in westmd. Texten findet (Klein-Solms-
Wegera 2009: 100). Im Ndd. entwickelte
es sich weiter zum Motionssuff. mndd.
-(e)sche, wobei ein Zusammenfall dieses
Suff. mit dem Zugehörigkeitsadj. bilden-
den Suff. urgerm. *-iska- (s. -isc) erfolgte.
-(e)sche verdrängte dort das ererbte Moti-
onssuff. urgerm. *-ī-/*-i̯ō-. Hierher gehört
auch das erweiterte Motionssuff. ndfrk.-md.
-ersche als Konglomerat aus *-er-issa-.
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 159 (-es); Vries, Ndls. et.
wb. 159 (-es³); Et. wb. Ndl. A-E 698 (-es). — Wil-
manns [1906—1930] 1967: 2, § 252, 3 und Anm. 3;
Kluge 1926: § 85; Henzen 1965: 155; Krahe-Meid
1969, 3, § 112.
Das Suff. entstand durch den Antritt des
Motionssuff. urgerm. *(-ī-/)*-i̯ō- (< uridg.
*-ih₂-/*-i̯éh₂-) an alte s-Stämme. Der unter-
schiedliche Vokalismus des Suff. spiegelt al-
te Ablautunterschiede im Suff. der als Ablei-
tungsbasis dienenden s-Stämme wider (ur-
idg. *-es- : *-os- > urgerm. *-es-/*-ez : *-as-/
*-az- [je nach Sitz des uridg. Akzents]).
Der selteneren stimmhaften Var., die durch
das Wirken des Vernerschen Gesetzes ent-
standen war, verdanken Formen wie o. g.
ahd. kilbira ‚Mutterlamm‘ (s. d.) oder kubira
‚Floß, Schiff‘ (s. d.) ihre Entstehung. Die zu-
gehörigen Var. kilburra, kuburra mit suf-
fixalem -u- können nicht lautgesetzlich aus
diesen Vorformen entstanden sein, sondern
müssen analogisch erklärt werden: Ausge-
hend von den Fällen, die lautgesetzlich ein
Nebeneinander von suffixalem urgerm.
*-a-/*-i-/*-u- zeigen (wie etwa die n-St.),
konnte dieses Nebeneinander analogisch
auch auf andere Suffixe übertragen wer-
den. Unwahrscheinlich ist ein Einfluss der
Fortsetzung des Part.Perf.Akt. auf urgerm.
*-us-i̯ō-, wie es etwa in got. berusjos ‚El-
tern‘ weiterlebt.