*anutrechoAWB m. n-St. ‚Enterich, anas, anetus‘,
nur im Nom.Sg. und nur in Gl. (7 mal, aber in
fast doppelt so viel Hss.) belegt mit geringfügi-
gen Modifikationen wie anet-, anit-, ant- im er-
sten und fast immer -recho oder -reche im zwei-
ten Wortglied, außer einmal -roch (mfrk./
rhfrk.) und einmal -rache (böhm.-obd.?), des-
sen Vokal wohl der obd.-velaren Aussprache
des -ch zuzuschreiben ist. — Im liter. und späte-
ren Mhd. wird das in seiner Zss. nicht mehr
verstandene Wort regelmäßig zu antreche
sw.m.; daneben begegnen antrach, antreich, ent-
rech (mit Umlaut) und, wohl in Analogie zu
ganserich, auch schon entrich. — Nhd. gilt Ente-
rich, doch bestehen daneben zahlreiche wort-
geographische Varianten, s. Mitzka-Schmitt,
Dt. Wortatlas II, Karte 48—51: Enterich im SW,
Enter(er) SO, Erpel NO, Woerd, Waard, Woord
NW.
Ahd. Wb. I, 611; Starck-Wells 32; Graff I, 336;
Schade 19 (anetrëcho); Lexer I, 81; Benecke I, 193;
Dt. Wb. I, 502; III, 512; Kluge²¹ 167. — Vgl. Suolahti,
Dt. Vogelnamen 423 f.
Das Wort scheint nur auf deutschspr. Boden
beheimatet, so mndd. neben ānde-, ēnderik
meist āntreke, ān(t)drāke, davon abstrahiert
mndd. drāke; im Ndl. findet sich, aber erst bei
Kilian (Ende 16. Jh.), die Form endtrick für
‚männl. Ente‘, die stark an mndd. Formen erin-
nert; im Engl., das überhaupt keine Zss. kennt,
kommt erst im 13. Jh. das Wort drake auf, das
gleichfalls dem Mndd. entspricht und bis heute
gilt. Die ostskand. Bezeichnungen dürften al-
lesamt aus dem Mndd. entlehnt sein, so ält.
dän. anddrage (auch nur drage), ndän. andrik,
nschwed. andrake; dagegen aisl. andarsteggi,
nnorw. andestegg, aber auch andrik.
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 108 f.; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 108 ff.; Franck, Et. wb. d. ndl.
taal² 175; ME Dict. C—D, 1273; OED III, 639; Falk-
Torp, Norw.-dän. et. Wb. 27; Ordb. o. d. danske sprog
I, 567; Kalkar, Ordb. til æ. danske sprog I, 378. V, 34;
Hellquist, Svensk et. ordb.³ 19; Cleasby-Vigfusson,
Icel.-Engl. Dict. 764; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 718.
Die Erklärungen des Wortes fallen in zwei
Gruppen, je nachdem man für den problemati-
schen zweiten Teil des Komp. eine mit Dental
beginnende Vokabel oder eine solche mit anl. r-
zugrundelegt. Für die erstere Möglichkeit hat
man, ohne viel Belege, ein westgerm. *drako-
‚Männchen, männl. Ente‘ angesetzt, das nach
manchen mit dem aus lat. draco entlehnten ahd.
dracho ‚Drache‘ kontaminiert worden sein soll
(s. B. Liebich, PBB 23 [1898], 230; Trübners Dt.
Wb. II, 235), oder man zog das nur nordgerm.
belegte aisl. drák (mit -ā-) ‚Streifen‘ samt dem
mdartl. nschwed. drākig und ndän. drāget ‚ge-
streift‘ heran, Skeat, Et. Dict. of Engl. 181, oder
man setzte gar ahd. *-trecho voraus, ein nir-
gendwo bezeugtes nomen agentis zu trechan
st.v. IV ‚schieben, stoßweise ziehen‘, das auch
bed.mäßig fernesteht, — Vorschläge, die weder
formal noch semantisch und ebensowenig vom
Gesichtspunkte der Wortbildung überzeugen.
Im einzelnen ist zu bedenken, daß sich in der
gesamten verhältnismäßig reichen ahd. Überlie-
ferung kein einziger Beleg mit den zu erwarten-
den zwei Dentalen in der Kompositionsfuge
findet; der Stammvokal des zweiten Wortglieds
ist, mit zwei Ausnahmen (s. o.), germ. -e-, das
auch durch mdartl. Aussprache der Gegenwart
bestätigt wird (schwäb. -ę-, -ęǝ-, Fischer,
Schwäb. Wb. I, 276 f., sowie Jutz, Vorarlberg.
Wb. I, 721: Enterich [entǝręǝx] „heutiges -ęǝ-
ist auffallend“); und schließlich: die konse-
quent belegte Schreibung -ch- führt auf germ.
-k- (idg. -g-) zurück. Kein Zweifel, die wahr-
scheinlichste Grundform ist ahd. -recho, ein no-
men agentis zu einem in dem ahd. Kausativum
recken ‚ausrichten, extendere‘ (s. d.) sowie as.
rekōn ‚richten, ordnen‘, ae. racian ‚leiten, len-
ken‘, recen adj. ‚bereit‘ vertretenen Stamm *rek-
(< idg. *reg̑-, s. F. Holthausen, IF 20
[1906—07], 329; Walde-Pokorny II, 364; See-
bold, Germ. st. Verben 373 f.); der ahd. Bildung
entspricht in Form und Funktion das zweite
Wortglied in anord. nautreki m. ‚Kuhhirt‘,
sauðreki ‚Schaftreiber‘, landreki ‚Land(es)füh-
rer‘ u. a. (während anord. -rekr, bes. in PN, auf
älteres -ríkr zurückgehen kann, s. Hj. Falk,
Ark. f. nord. fil. 5 [1889], 264 f.); auch im A-
nord. ist das Wort nur als zweiter Teil von Zss.
belegt. Als Simplex *reki hat es wohl dem hom-
onymen und recht häufigen reki ‚Strandgut‘ das
Feld geräumt, so wie ahd. *recho ‚wer ausrich-
tet, ordnet, leitet, (an)führt‘ dem Gleichklang
mit recho ‚Rechen, Harke‘ (s. d.) zum Opfer ge-
fallen sein mag.