*blâen²AWB sw. v. I ‚blöken, balare‘. Nur Gl.
1, 478, 1 plegintis part. präs. gen.sg.m. (Clm.
14689, obd., 11./12. Jh.; die anderen Hss. ha-
ben rerentes, rerintes: → rêren).
Der Umlaut von â > ê (ǣ), der kaum vor dem 12. Jh.
in der Schrift zum Ausdruck kommt (vgl. Schatz, A-
bair. Gr. § 9), wird dadurch erklärt, daß dieses Wort
im 12. Jh. oder noch später von einer anderen Hand
nachträglich übergeschrieben wurde (nach Steinmey-
er-Sievers, Ahd. Gl. V, 410 stammen die von dieser
Hand herrührenden Nachträge aus einem Stuttgarter
Codex des 12. Jh.s). Zum Übergangslaut -g- [-j-] vgl.
Schatz, a. a. O. § 94.
Auch nur einmal belegt ist die Ableitung *blâun-
ga f. (ō-St.?) ‚Geblök‘ (nur Gl. 2, 615, 54 [Pom-
mersf. 2671] blaungon dat. pl.; vgl. mhd. blæ-
junge). — Mhd. blæjen, plêhen, blên ‚blöken‘;
frühnhd. und nhd. mdartl. blähen ‚dss.‘.
Ahd. Wb. I, 1169; Splett, Ahd. Wb. I, 75; Starck-
Wells 794; Graff III, 259 (s. v. blazan); Schade 73; Le-
xer I, 295; Benecke I, 196; Dt. Wb. II, 62 (blähen);
Kluge²¹ 86; Kluge²² 93 (s. v. blöken); Pfeifer, Et. Wb.
190. — H. Glombik-Hujer, Dt. Wortf. in europ. Bez. 5,
143 ff.
Das ahd. Verb findet nur in mndd. blēen ‚blö-
ken‘ eine genaue Entsprechung; aber es gehört
zu einer größeren Gruppe lautmalender Wörter,
die das Blöken der Schafe oder ähnliche Laute
bezeichnen und die mittels verschiedener Erwei-
terungen von einer germ. Basis *lǣ- gebildet
sind: 1) Dentalerweiterungen: ahd. *blâzen, ae.
blǣtan usw. ‚blöken‘ (Weiteres → *blâzen); 2)
gutturale Erweiterungen: mndd. blēken, nndd.
bläken, blēken, blöken‘ ‚blöken, bellen‘ (> nhd.
blöken); mndl. bloken ‚bellen‘; 3) r-Erweiterun-
gen: mhd. blêren, blerren ‚blöken, schreien‘,
nhd. plärren ‚laut schreien, weinen‘ (vgl. Kluge²¹
554; Kluge²² 549); mndd. blerren, blarren, blā-
ren ‚blöken, plärren‘; mndl. bleren ‚blöken,
brüllen‘, nndl. bleren, blaren ‚blöken, schreien‘;
spätme. blere, ne. blare ‚brüllen‘; verwandt ist
auch aisl. blær m. ‚Widder‘ (auch Schwertna-
me).
Fick III (Germ.)⁴ 284; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 290 ff.; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I,
355 (bleken); VI, 71 (blerren); Verdam, Mndl.
handwb. 102. 104; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 70;
Vries, Ndls. et. wb. 64; OED² II, 263; Oxf. Dict. of
Engl. Et. 98; Vries, Anord. et. Wb.² 46; Jóhannesson,
Isl. et. Wb. 594. Vgl. auch Jungandreas, Ndsächs. Wb.
II, 266 ff. (bläken). 342 (blēken). 410 (blöken).
Auch in anderen idg. Sprachen fehlt es nicht an
ähnlichen Bildungen, die aber im Anlaut z. T.
Reflexe eines idg. *b- haben — so gr. βληχάομαι
‚blöken‘, βληχή ‚Geblök‘; z. T. die eines *bh-
(wie in den germ. Formen) — so lat. fleō, flēre
‚(be)weinen‘ (vgl. Walde-Hofmann, Lat. et. Wb.
I, 516); und z. T. ein b-, das ebensogut auf idg.
*bh- wie auf *b- zurückgehen kann — so z. B.
russ. ksl. blěju, blějati, russ. bléjat’ ‚blöken‘; lett.
blêju, blêt ‚dss.‘; ksl. blekati, serbokroat. bléka-
ti, russ. blekotát’ ‚dss.‘; alb. blegërás ‚dss.‘.
Bei solchen lautmalenden Wörtern werden ety-
mologische Vergleiche dadurch erschwert, daß
es sich erstens nicht immer mit Sicherheit ent-
scheiden läßt, inwiefern es sich um genetisch
verwandte Wörter und nicht um einzelsprachli-
che Neuschöpfungen handelt (die unmittelbar
aus dem Schaflaut *bā oder *bē abgeleiteten
Verben wie lat. bālare, nhd. bähen usw. sind
z. B. ohne Zweifel als Neuschöpfungen zu be-
trachten; vgl. Pokorny 96); zweitens können
selbst bei genetisch verwandten Wörtern infolge
von ständigen Neunachahmungen Lautgesetze
unterbleiben oder rückgängig gemacht werden
(nicht nur im Germ.; s. u.).
Walde-Pokorny II, 120 f. führen alle Formen — außer
lat. flēre, das ihrer Meinung nach entweder seinen An-
laut von flāre bezogen hat oder überhaupt nicht hier-
her gehört — auf eine idg. Schallwz. *blē- zurück; die
germ. Lautverschiebung soll im Schallwort unterblie-
ben sein. Dagegen setzt Pokorny 102. 154 f. zwei Wz.:
*blē- und *bhlē- an; die balt., slav. und alban. Wörter
sind unter die beiden Wz. verteilt: die gutturalen Ab-
leitungen unter *blē- offenbar wegen der ähnlichen
(aber nicht identischen) Bildungen von gr. βληχάομαι,
die j-Ableitungen unter *bhlē- wegen lat. flēre, ahd.
*blâen usw. (kritisch dazu Sadnik-Aitzetmüller, Vgl.
Wb. d. slav. Spr. Nr. 155).
Wenn lat. flēre wirklich hierher gehört, was sehr
wahrscheinlich ist, so stünde jedenfalls nichts
im Wege, alle oben angeführten Formen mit
Ausnahme der gr. Wörter ohne weiteres auf eine
idg. Schallwz. *bhlē- zurückzuführen. Auch die
gr. Wörter könnten ihr anl. β statt φ (< *bh) in-
folge von Neunachahmung haben, denn für die
Nachahmung eines Schaflautes paßt viel besser
ein anl. b-Laut als ein φ-Laut (wobei man be-
achte, daß lat. flēre nur deshalb den lautgerech-
ten Anlaut beibehalten konnte, weil das Wort
nichts [mehr] mit dem Schaflaut zu tun hatte).
Diese Wz. *bhlē- ließe sich viell. mit der s. v. bel-
lan¹ behandelten Wz. *bhel(ǝ)- in einer idg.
Schallwz. *bhelǝ- : *bhlē- [**bhel(H)-] verei-
nen.
Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 123; Frisk, Gr. et. Wb. I, 244;
Chantraine, Dict. ét. gr. 180; Walde-Hofmann, Lat.
et. Wb. I, 515 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 240;
Meyer, Et. Wb. d. alb. Spr. 38 f.; Berneker, Slav. et.
Wb. I, 59 f.; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 34; Vasmer,
Russ. et. Wb. I, 91 f.; Sadnik-Aitzetmüller, Vgl. Wb. d.
slav. Spr. Nr. 155; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt.
Wb. I, 315.
S. auch *blâzen.