*brieggo
Band II, Spalte 335
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*brieggoAWB m. n-St., nur Notker, Rhet. akk.
pl. prîeken (-chen) máchondo ora torquendo:
verzerrtes Gesicht (zum Ansatz mit -gg- vgl.
Schatz, Ahd. Gr. § 237; R. Pestalozzi, PBB 41
[1916], 146 und die unten erwähnten Mund-
artwörter). Mhd. brieke Flenngesicht. Ob-
gleich das Wort der nhd. Schriftsprache fehlt,
ist es, wie auch das verwandte Verb, in den
obd. Mdaa. weitverbreitet: schweiz. briegg m.
zum Weinen verzogenes Gesicht, brieggen f.
dss., auch verzerrtes Gesicht, Grimasse,
brieggen vb. den Mund, das Gesicht verzie-
hen, Grimassen schneiden; weinen
(Schweiz.
Id. V, 530 ff.); els. briegen weinen (Martin-
Lienhart, Wb. d. els. Mdaa. II, 184); bad.
brieggen dss. (Ochs, Bad. Wb. I, 325);
schwäb. briegen dss. (Fischer, Schwäb. Wb. I,
1417); vorarlberg. briegge m. wer oft und lan-
ge weint
, f. weinerliches Gesicht, brieggen
das Gesicht verziehen, Gesichter schneiden
zur Verspottung anderer; weinen
(Jutz, Vor-
arlberg. Wb. 449 f.); bair. briegen, briecken
(mit verzerrtem Gesicht) weinen (Schmeller,
Bayer. Wb.² I, 346. 352); österr. priek(e),
priegge verzerrter Mund, weinerl. Miene,
prieken, prieggen den Mund (zum Weinen)
verziehen, zu weinen beginnen
(Kranzmayer,
Wb. d. bair. Mdaa. in Österr. III, 950; vgl. auch
Schöpf, Tirol. Id. 58; Schatz, Wb. d. tirol.
Mdaa. 109). Zu schweiz. und schwäb. Neben-
formen mit -n- (brieng[g]en usw.) vgl. Lühr,
Expressivität 100.

Ahd. Wb. I, 1383; Splett, Ahd. Wb. I, 1212; Schütz-
eichel⁴ 81; Graff III, 281. 364; Sehrt, Notker-Gl. 21;
Lexer I, 353; Benecke I, 248; Dt. Wb. II, 382. Vgl.
auch J. Berrer, Verbale Bildungsmittel zur Intensivie-
rung im Alemannischen (Diss., Tübingen, 1934), 52;
H. Glombik-Huyer, Dt. Wortf. in eur. Bez. 5 (1968),
65 ff.

Das Wort hat keine germ. Entsprechungen und
keine befriedigende Etymologie (vgl. Dt. Wb.,
a. a. O.; Lühr, a. a. O.). Die Verbindung mit gr.
βρύχω mit den Zähnen klappern, βρῡχάομαι
brüllen, heulen ist aus lautlichen Gründen (vgl.
Frisk, Gr. et. Wb. I, 272 [βρύκω]. 273. 274; Po-
korny 485 f. [*grēh-]), die mit gr. βρέχω
nässen, überfluten aus semantischen und lautli-
chen Gründen abzulehnen (vgl. Frisk I, 267;
Pokorny 738 [*meregh-]). Kaum besser mit Ab-
lautentgleisung zu aisl. braga glänzen, flim-
mern
(> die Zähne zeigen > das Gesicht ver-
zerren
, Lühr, a. a. O.).

Ahd. *brieggo ist jedenfalls auf eine germ. Wz.
*reu- (mit expressiver Gemination [? vgl.
Lühr, a. a. O.] zurückzuführen; da die Bed.
weinen der späteren Verben wohl sekundär ist,
war die ursprl. Bed. dieser Wz. etwa verzerren,
verziehen
. Eine solche Wz. ist nirgends belegt,
aber eine mit abweichendem Schlußkons. und
Ablaut: *rauk- begegnet in ahd. brouchen, -ôn
(s. d.), das u. a. krümmen, biegen bedeutete
und auch sehr oft im negativen Sinn gebraucht
wurde (z. B. zi niowihti gibrouchit, -ôt ad nihi-
lum redactus
). Ein unerklärtes Nebeneinander
von -gg- und -k(k)- kommt auch sonst im Ahd.
vor (vgl. z. B. hâgo, hacko, hâcho, hâco Haken,
krâgo, kracko, kracho dss., vgl. Lühr, a. a. O.
285 ff.); im Falle der Sippe von *rauk- ist aber
schon im Idg. Wurzelauslautvariation vorhan-
den: vgl. lit. brũyti scheuern, schrubben, durch
Reiben geschmeidig machen
(zu *bhre--): lit.
braũkti wischen, streichen (zu *bhre-k-);
Weiteres brouchen. Germ. *reu- könnte auf
idg. *bhrek- (nach Verners Gesetz) oder auf
eine sonst nicht bezeugte Variante *bhregh- zu-
rückgehen, aber die Verknüpfung ist sehr unsi-
cher.

Ähnlich schon Fischer, a. a. O., der aber ein nicht exi-
stierendes ahd. Verbum *briohan ansetzte.

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