dalle
Band II, Spalte 505
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dalle mhd. (sw.?) f.: Dohle, monedula
(corvus monedula, lycus monedula); das Wort
kommt in der Form dalle nur Gl. 3, 22, 47 in
der Hs. Admont 759, die aus dem Bair.
(13. Jh.) stammt (Simmler, Westgerm. Kons.ge-
min. 32), vor. An der Stelle Gl. 3, 22, 48 (Clm
3537, 15. Jh.) steht dalbe, das als Verschrei-
bung für dalle oder dalhe aufgefaßt wird. Das
Wort Dohle erscheint in älterer Zeit im Obd.
als tâha, das mit dem Hinterglied von ne. jack-
daw Dohle eventuell unter einer gemeinsa-
men Vorform onomatopoetischen Ursprungs
zu vereinen, ist ( tâha). Im Mhd. treten dage-
gen neben tâhe (Gesta Romanorum, Konrad
von Megenberg, Hans Vintler) Formen mit l
auf.

Z. B. tole monedula (Leipzig UB MS. 106, md.-
obd.[?], Versus de volucribus, 13. Jh.), talle (Hugo
von Trimberg, Renner 19431 tallen [pl.] im Reim auf
kallen, 13. Jh.), tale (14. Jh.), talichin, ferner tul vel
cah (Gl. 3, 22, 46 Stuttgart WLB. HB. XII 8, vorderer
Spiegel, 14. Jh.; Bergmann, Verzeichnis d. ahd. u. as.
Gl. Nr. 875), tul (Gl. 3, 22, 46 Frankfurt am Main,
Stadt- und UB. Fragm. lat. II 6 [im 19. Jh. ausgelöst
aus MS. Barth. 29], 14. Jh., fränk.; Bergmann, a. a. O.
Nr. 160), tula (Vocabularius optimus 43, 14. Jh.). Im
15. Jh. ist das l-haltige Wort Dohle des öfteren in
Glossaren bezeugt; im 16. Jh. erscheint: Dasypodius
Dol oder dul (a. 1535), in Straßburg Dlen [pl.] (a.
1554), Eber-Peucer dale, thalhe (für Thale) (a. 1552);
im Md. Alberus Dol (a. 1546); Luther Thol, Dole (a.
1524), Schwenkfeld schles. Thale (a. 1603).

Der Sprachgebrauch Luthers hat die heute noch
im Thür. geltende Form Dohle durchgesetzt. Im
Nhd. kommt neben dem hochsprachlichen
Dohle mdartl. auch Dahle vor (schwäb. dale,
bair. dähel f.m.; preuß. dâle, tâle, dålke, tâlke,
in Göttingen und Grubenhagen dâleke, tâleke
[dôleke], in Fallersleben taleke, in der Altmark
und Mecklenburg taolk).

Wie die Formen mit a-Vokal und l zeigen, ist
für das Dt. mit einer Vorform *tâhala, einer Di-
minutivbildung zu tâha, zu rechnen, wobei
mhd. tâle vermutlich aus mhd. *tâhele kontra-
hiert ist ( -il). Ein mhd. tâhele, das in den
Handbüchern angesetzt wird, ist anhand von
Belegen nicht nachweisbar; doch deutet z. B.
bair. dähel (dáhhǝl) auf eine solche Lautform.
Daß eine l-haltige Form tatsächlich schon früh
vorhanden gewesen sein muß, zeigt das aus dem
Dt. entlehnte mlat. tacula (italien. taccola Al-
penkrähe
in der Gegend von Locarno und Ve-
rona, Dohle in anderen Mundarten; anders
Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 942 Elster).
Demgegenüber könnten die u- und o-haltigen
Formen auf Anklang an das lat. Suffix in mone-
dula beruhen (J. L. Frisch, Teutsch-lat. Wb.
[Berlin, 1741] I, 200; Kauffmann, Schwäb.
Mda. 74).

Ahd. Wb. II, 29; Lexer II, 1396; Benecke III, 11; Die-
fenbach, Gl. lat.-germ. 366 (monedula); Dt. Wb. II,
695 f. 1219; Kluge²¹ 136; Kluge²² 149; Pfeifer, Et.
Wb. 296; Suolahti, Dt. Vogelnamen 187 (doch gegen
die Gleichsetzung von *tâhele und mhd. tale, tole).
Diez, Et. Wb. d. rom. Spr.⁵ 441; Du Cange VI, 12.
Schmeller, Bayer. Wb.² I, 494; Frischbier, Preuß. Wb.
I, 129; II, 393; Schambach, Wb. d. ndd. Mda. 38; Die
dt. Mdaa. V, 298; J. Fr. Danneil, Wb. d. altmärk.-
plattdt. Mda. [Salzwedel, 1859], 222.

ll in mhd. dalle (tallen) ist vermutlich dadurch
entstanden, daß unter dem Einfluß eines Verbs
dallen, tallen schwatzen Umbildung einer
Lautform *tâhele zu dalle (tallen) eingetreten
ist. Ein Verb dahlen, dallen, dalen undeutlich
sprechen, kindische, läppische Dinge reden und
tun, verliebt tändeln, iocari, nugari, garrire
(ne-
ben tullen, dulitschen usw.) ist zwar erst spät,
und vor allem in den Dialekten, bezeugt; z. B.
schles. tallen, dallen unverständlich reden, lal-
len
, tallsack stammelnder, alberner Kerl
(K. Weinhold, Beitr. z. e. schles. Wb. [Wien,
1855], 97; Frisch, a. a. O. II, 361), bair. dalen
reden oder tun wie kleine Kinder (Schmeller,
a. a. O. I, 498; s. ferner E. L. Rochholz, ZfdPh. 3
[1871], 340); vgl. auch fränk., schwäb. dillǝdellǝ
einfältiger Tropf (Dt. Wb. II, 698). Doch kann
wie auch sonst in den Mundarten Altertümliches
bewahrt sein; zur Verwendung des Verbs dallen,
tallen im Zusammenhang mit Vögeln vgl. dallen
(vom Papagei) (a. 1531), Sebastian Franck, Mo-
rie encomion 60 (a. 1534) vögel, welche wann sie
in köfet oder vogelhäuszlin eingeschlossen, leren
menschenwort tallen (Dt. Wb. XI, I, 1, 101). Bei
dem Verb dallen handelt es sich aller Wahr-
scheinlichkeit nach um eine lautmalende Bil-
dung (vgl. die Zunge [des Betrunkenen] lallt und
tallt). Daß auch bei dem Wort Dohle Lautsym-
bolik im Spiel sein kann, zeigen weitere Be-
zeichnungen dieses Vogels; vgl. ahd. kaha,
nndd. kauw, mndd., nfries. kā, ne. chough (ne-
ben nhd. dial. ālecke, tālecke).

Wegen der auf Onomatopöie weisenden Bedeutungen
des Verbs dallen ist A. Lübbens, ZfdPh. 3 (1871), 328
Auffassung, daß dallen, dalen vor allem in der Bedeu-
tung kindisch reden mit got. dwals töricht verwandt
sei, abzulehnen. Da Onomatopoetika in den Einzel-
sprachen unabhängig voneinander entstehen können,
muß dallen, dahlen auch nicht aus ne. dally tändeln,
schäkern
(me. dalien schwatzen < afrz. dalier) ent-
lehnt sein (Dt. Wb.² VI, 111 f. als Alternative).

S. auch tâha.

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