gam(e)zAWB mhd. sw.(?)f., in Gl. seit dem
12. Jh.: ‚Gemse; capra domestica, ibex‘
〈Var.: (verschrieben) geinz〉. — Mhd. gamz
st./sw. f. ‚Gemse‘, nhd. (nur noch in Komp.
wie Gamsbart und dialektal) schwäb., bair.,
schweiz. gams, steir. gams- (nur in Komp. wie
Gamsgeier), kärnt. gám(p)s, tirol. gams. Aus
diesen Formen läßt sich ein ahd. *gamuz er-
schließen, das wie ahd. hiruz ‚Hirsch‘ (s. d.)
gebildet ist. Das f. Genus stammt wohl aus der
Bezeichnung des weiblichen Tieres (vgl. ga-
miza). Allerdings findet sich keine Spur für
das m. Geschlecht des Wortes.
Ahd. Wb. 4, 35; Splett, Ahd. Wb. 1, 282; Köbler, Wb. d.
ahd. Spr. 354; Starck-Wells 190; Schützeichel, Glos-
senwortschatz 3, 380 f. (s. v. gamiza); Graff 4, 208;
Lexer 1, 733; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 88 (capra). 310
(ibex); Dt. Wb. 10, 3286 f.; Kluge⁴ 110; Kluge²¹ 247;
Kluge²⁴ s. v.; Pfeifer, Et. Wb.² 422. — Fischer, Schwäb.
Wb. 3, 347; Schmeller, Bayer. Wb.² 1, 915 f.; Schweiz.
Id. 2, 321; Unger-Khull, Steir. Wortschatz 265; Lexer,
Kärnt. Wb. 112; Schöpf, Tirol. Id. 171; Schatz, Wb. d.
tirol. Mdaa. 1, 202 f. — Grimm [1819 ff.] 1999: 2, 253.
971. — Palander 1899: 112 f.; LM 4, 1215.
Ahd. gam(e)z ist aus dem Roman. entlehnt,
und zwar aus spätlat. camox ‚Steinbock, Gem-
se‘ (zuerst im Jahre 448 bei Pol. Silv., nom.
anim. chron. I, p. 543, 10 [in einem Verzeich-
nis der nomina cunctorum spirantium atque
quadrupedium]: ibex, camox, mussimus), das
in italien. camozza, rhrom. comuotsch, cha-
motsch, nprov. camous, nfrz. chamois, katal.
gamussa, span. gamuza, camuza, port. ca-
mu(r)ça fortlebt. Der Gutturalwechsel zwi-
schen lat. c und ahd. g weist auf eine Variante
vulg.lat. *gamox (vgl. A. Thomas, Romania
35 [1906], 170 f.; als reguläre Wiedergabe von
lat. c vor a angesehen von R. Much, ZDA 42
[1898], 168). Lat. camox selbst gilt als ein
Lehnwort aus einer untergegangenen alpinen
Substratsprache (das Gall. kommt wegen der
geographischen Entfernung trotz C. C. Uhlen-
beck, PBB 26 [1901], 299 f., L. Gray, AJPh 49
[1928], 343 und Dottin [1920] 1985: 240 wohl
als Ausgangssprache nicht in Frage, obwohl
es als Vermittler gedient haben kann). Falls
diese Vermittlersprache eine idg. Sprache
(vielleicht kelt.) war, könnte man an einen
etym. Zusammenhang zwischen camox und
der Gruppe um ahd. hinta (s. d.) denken.
Aus lautlichen Gründen abzulehnen ist die Auffassung
von camox als Lehnwort aus dem Germ. (etwa Kluge⁴
110) oder als Vernersche Variante zu ahd. hinta (No-
reen 1894: 133; S. Bugge, PBB 12 [1887], 428 f.).
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 1, 148; Ernout-Meillet,
Dict. ét. lat.⁴ 90; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 4148;
Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 1555. — Schrader
1917—29: 1, 51 f.; E. Lidén, ZVSp 40 (1905—06), 257 ff.;
R. Much, ZDA 42 (1898), 167 ff.; RCA 13, 1, 529 f.