lîben, lîban
Band V, Spalte 1235
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lîbenAWB, lîban sw.v. I und st.v. I, in B,
GB, bei O, in GeR, NBo, Nps, Npg, Npw
und Gl. 1,289,14 (in 2 Hss., beide Anfang
des 9. Jh.s, alem.[-frk.]). 312,69 (9. Jh.,
alem.): schonen, verschonen, Schonung ge-
währen, bewahren, Nachsicht haben mit,
gnädig sein, maßvoll verfahren; parcere,
propitiari
Var.: -pp-, -p-, -bb-. Seltenes
-pp- in lîppanti (B) ist durch Gemination vor
j nach Langvokal verursacht (vgl. Brau-
ne-Reiffenstein 2004: §§ 96 Anm. 1 a. 136
Anm. 4). Mhd. lîben st.v. schonen, ver-
schonen
, leiben sw.v. schonen, übrig las-
sen
, frühnhd. leiben v. etw. nachlassen [z.
B. den Preis], reduzieren
, phras. etw. in ru-
hen leiben etw. ablegen, aufgeben, mdartl.
schweiz. līben etw. nachlassen, nhd. mdartl.
schwäb. leiben etw. nachlassen, einem lei-
ben wohlwollen, bevorzugen.

Ahd. Wb. 5, 890 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 530; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 719; Schützeichel⁷ 199; Starck-Wells
372; Schützeichel, Glossenwortschatz 6, 67; Berg-
mann-Stricker, Katalog Nr. 296 (II). 725 (I). 775;
Seebold, ChWdW9 509. 510 f.; Graff 4, 1109 f.; Lexer
1, 1862. 1895; Frühnhd. Wb. 9, 727 (leiben²); Götz,
Lat.-ahd.-nhd. Wb. 464 (parcere). 530 (propitiari);
Dt. Wb. 12, 594. Schweiz. Id. 3, 982 (leiben²); Fi-
scher, Schwäb. Wb. 4, 1122 (leiben²).

Da die nur bei O belegten st. Verbalformen
als sekundär anzusehen sind, ist lediglich
von einem sw. Verb auszugehen. Dieses hat
Entsprechungen in: aisl., nisl. hlífa, fär. líva,
nnorw. liva schonen, schützen; got. hleib-
jan* sich annehmen: < urgerm. *χleie/a-.

Zum postverbalen Nomen urgerm. *χleō-
s. lîba (vgl. Wissmann 1975: 10 f.; von Vries,
Anord. et. Wb.² 238 und Bjorvand, Våre
arveord² 667 wird das Subst. unrichtig als
Grundlage für die Verbalbildung angesehen).

Fick 3 (Germ.)⁴ 112; Seebold, Germ. st. Verben
261 f.; Vries, Anord. et. Wb.² 238; Jóhannesson, Isl.
et. Wb. 244; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 2,
11; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 119; Magnús-
son, sl. Orðsb. 340; Bjorvand, Våre arveord² 667;
Torp, Nynorsk et. ordb. 383 f.; NOB s. v. live; Feist,
Vgl. Wb. d. got. Spr. 262; Lehmann, Gothic Et. Dict.
H-77. Riecke 1996: 665 f.

Urgerm. *χleie/a- hat keine sichere Ety-
mologie, da Entsprechungen in den anderen
idg. Sprachen fehlen. Die vorgeschlagene
Verbindung mit air. clíab Korb, Brustkas-
ten
lässt sich nicht weiter abstützen.

Problematisch ist die e-Stufe im Verb. Denn
für das Uridg. lässt sich keine Wz. *klebh-
sichern, so dass man wohl kaum mit einer
(im Germ. nicht mehr produktiven) *e/o-Bil-
dung (*klébh-e/o-; zum Typus vgl. LIV² 19)
rechnen kann; bei einer späten Bildung wä-
re vielmehr **klébh-e/o- zu erwarten gewe-
sen. Daher wird man eine verloren gegange-
ne nominale Basis (wahrscheinlich ein Adj.
*klebho- anlehnend) voraussetzen müssen.

Die Grundlage der Wurzel ist wohl die ur-
idg. gut bezeugte Verbalwz. *kle- sich an-
lehnen
(dazu s. linên), wobei das *-bh- ei-
ne Wurzelerweiterung ist. Die vermitteln-
de Bed. wäre dann jmdn. sich anlehnen
lassen
.

Walde-Pokorny 1, 432; LIV² 332 f.; Vendryes, Lex. ét.
de l’irl. anc. C-118; Dict. of Irish C-237.

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