antreitaAWB f. ō-St., antreitîAWB f. īn-St. ‚geordnete
Reihenfolge, Ordnung, ordo, series‘. Mhd. an-
treite st.f. und n.
Ahd. Wb. I, 558 f.; Schützeichel³ 9; Starck-Wells 31;
Graff II, 479 f.; Schade 22; Lexer I, 81; Benecke II,
673; Kluge²¹ 66 (s. v. bereit).
Zss. aus *and- (→ ant-) und *-raiđ- (s. auch
gireiti ‚bereit‘, reitî ‚Rechnung‘ und vgl. nhd.
bereit) kommen nur ahd. und mhd. vor, aber
das zweite Element ist mit anderen Präfixen
und (seltener) alleinstehend in fast allen germ.
Dialekten belegt: z. B. mhd. bereit(e) ‚bereitwil-
lig, dienstfertig‘, gereit(e) ‚bereit, fertig; mit Fer-
tigkeit, leicht und schnell, alsbald, bereits‘, rei-
ten ‚zurüsten, bereiten‘; mndd. (ge)rē(i)de ‚be-
reit, fertig‘ (zum Vokalismus s. Lasch, Mndd.
Gr. § 123); afries. rēde ‚dss.‘; ae. gerǣde ‚dss.‘,
(ge)rǣdan ‚ordnen‘ (vgl. ne. ready); aisl. greiðr
‚bereit, leicht, nützlich‘, reiðr (in der Bed.
‚leicht, nützlich‘ nach Vries, Anord. et. Wb.² 437
aus dem Mndd. entlehnt, sonst ‚reitbar‘), greiði
‚Rechenschaft, Verantwortung, Aufwartung‘,
greiða ‚ordnen, bereiten‘, reiði ‚Geschirr‘; got.
garaiþs ‚angeordnet, διατεταγμένος‘, raidjan
‚richtig darbieten, verordnen, ὀρϑοτομεῖν‘, ga-
raidjan ‚anordnen, bestimmen, διατάσσειν‘.
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 2, 75; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. II, 67; III, 438 f.; Holthausen, A-
fries. Wb. 86; Richthofen, Afries. Wb. 986; Holthau-
sen, Ae. et. Wb. 252 f.; Bosworth-Toller, AS Dict. 429.
782 f. Suppl. 390 f. 683; OED VIII, 197 ff.; Vries, A-
nord. et. Wb.² 186. 437; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 704;
Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 197. 199. 393.
Zwei konkurrierende Etymologien werden in
der Lit. zur Wahl gestellt (Walde-Pokorny und
Pokorny führen die ganze Sippe sogar zweimal
auf, ohne sich für die eine oder die andere Er-
klärung zu entscheiden):
a) zu idg. *rei̯dh-: *roi̯dh- ‚fahren, in Bewe-
gung sein‘; → rîtan (Walde-Pokorny II, 348;
Pokorny 861).
b) zur idg. Wz. *ar(ēi̯)- (**H₂[e]reH₁i̯-) ‚fü-
gen, passen‘ mit *-dh-Erweiterung; → râtan (so
zuerst Wood, IE ax usw. § 226 ff.; Persson, Beitr.
z. idg. Wortf. 856 f.; s. auch Walde-Pokorny I,
75; Pokorny 60).
Gegen die zweite Etymologie spricht die Un-
wahrscheinlichkeit, daß dieselbe Wz. in einer
Sprache in zwei identischen Umgebungen (vor
*-dh-) sowohl monophthongisch: *rēdh- (got.
garēdan ‚Vorsorge treffen‘, ahd. râtan ‚raten‘)
als auch diphthongisch: *rōi̯dh- oder *rǝi̯dh-
(got. [ga]raidjan ‚anordnen‘, ahd. antreitî usw.)
erscheinen sollte.
Dagegen bietet die erste Etymologie nur die
Schwierigkeit, die Vielzahl der Bed. aus einem
Urbegriff ‚fahren‘ abzuleiten. Der oft zitierte
Parallelismus bereit : reiten = fertig : fahren ist
viell. allzusehr betont worden, denn so einfach
sind alle anderen Bed. der Ableitungen dieser
Wz. nicht zu erklären. Der Vergleich mit eini-
gen balt. Wörtern ist aber aufschlußreich: viell.
mit dieser Sippe verwandt sind nach Fraenkel,
Lit. et. Wb. 687 f. raidùs ‚schnell, bereit, fertig,
handlich, bequem usw.‘, lett. raids ‚bereit, fer-
tig‘. (Zur Bed. ‚schnell‘ neben ‚bereit‘ vergleicht
Fraenkel frz. prêt ‚bereit‘, italien. presto
‚schnell‘, beide aus vulg.lat. praestus, praesto
[adv.] ‚gegenwärtig‘.) Hierher ferner nach
Fraenkel lit. raidýti ‚aufladen, beladen‘, lett.
rida ‚allerlei Gerät, Kram‘, rist ‚ordnen‘ (anders
Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. III, 522.
532), raĩts, raĩtns ‚schnell, hurtig‘ und sogar lit.
riedéti ‚(herunter)rollen‘.
Auch das Kelt. bietet interessante Parallelen:
air. réid ‚flach, eben, leicht, einfach‘, akymr.
ruid ‚vacuum‘, nkymr. rhwydd ‚leicht‘, korn. rŷth
‚leicht, klar, flach, eben‘, die wie ríad ‚Fahrt,
Lauf‘ nach Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. R—
16 f. 26. auf die urkelt. Grundlage *reid- ‚fah-
ren‘ zurückgehen.
Es scheint, als ob auch außerhalb des Germ. Be-
griffe der ‚Bewegung‘ mit denen der ‚Bereit-
schaft, Ordnung, Leichtigkeit usw.‘ in Verbin-
dung stünden. Viell. wäre die ganze Sippe doch
auf idg. *rei̯dh- zurückzuführen, indem dieser
Grundform (die viell. aus *(e)rei̯ + dh besteht
und zur Wz. *er- ‚sich in Bewegung setzen‘ ge-
hört; s. Seebold, Germ. st. Verben 368) eine
urspr. Bed. etwa im Sinne eines ‚schnellen,
leichten Fortbewegens‘ zugeschrieben wird,
woraus dann sekundäre Bedeutungen (bes. in
Verbindung mit Präfixen) entstanden sind, wie
‚ein Aufstellen in bestimmter Ordnung‘ usw.
Natürlich ist auch eine gelegentliche Kontami-
nation der beiden ähnlichen germ. Basen *rǣđ-
und *raiđ- möglich; im Aengl. sind sie sogar
zusammengefallen.
In gewisser Beziehung ist die Bed.entwicklung der
idg. Wz. *reg̑- zu vergleichen, die Bewegungsbegriffe
wie ‚recken, strecken‘ mit Ordnungsbegriffen wie ‚ge-
rade, gerade richten‘ verband; vgl. lat. regere ‚gerade
richten, lenken, herrschen‘; ae. racian ‚laufen, leiten,
lenken usw.‘; schwed. raka ‚schnell laufen, sausen‘ (→
racha, recchen und vgl. Pokorny 854 ff.).
S. auch rîtan (wo Lit.).