beideAWB, bêdeAWB Zahlwort (wie ein st. Adj. flek-
tiert) ‚beide, ambo‘ 〈Var.: peid-, ped-, bedh-,
beth-, bet-; Otfrid hat nur -ê-, Tatian -ei-; zum
Gebrauch der anderen Denkmäler s. Ahd. Wb.
I, 839 f.; Schatz, Ahd. Gr. § 408〉. Mhd. beide,
bêde; nhd. beide (Mda.formen wie bair. bēd,
bōd, beid, schwäb. bēd, buǝd, bǫǝd sind wohl in
Anlehnung an mhd. frühnhd. zwēne, zwō, zwei
sekundär entstanden; vgl. Kluge²¹ 61; Fischer,
Schwäb. Wb. I, 791 f.; Schmeller, Bayer. Wb.² I,
209; Kranzmayer, Wb. d. bair. Mdaa. in Österr.
II, 828 f.).
Ahd. Wb. I, 839 ff.; Schützeichel³ 13; Starck-Wells
44; Graff III, 84; Schade 44. 47; Lexer I, 158; Be-
necke I, 97; Dt. Wb. I, 1361 ff.; Kluge²¹ 61 f.
Wie bei as. bēđia, -ie, -ea, mndd. bēde, beide,
beyde; mndl. beide, bēde, nndl. beide; afries.
bēthe, beithe; aisl. nisl. báðir, ndän. (veraltet)
baade, nnorw. både, nschwed. båda handelt es
sich wohl um eine Zss. aus einem einfachen
Wort für ‚beide‘, germ. *bai usw. und dem De-
monstrativpron. (Artikel) *þai usw. (→ der).
Nichtkomponierte Formen sind got. bai, akk.
bans, nom. akk. neut. ba (mit folgendem De-
monstr.pron. ba þo skipa Luk. 5, 7); aisl. gen. sg.
beggia (< *bajjō), woraus die neuen nom. akk.
Formen ndän. begge, nnorw. begg(j)e, nschwed.
bägge (s. bes. Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb.
68); ae. bā m. f. n., Neutr. auch bū.
Die ae. Form bēgen m. (wie auch twējen m. ‚zwei‘) ist
umstritten. S. Sievers-Brunner, Ae. Gr.³ § 324 Anm. 2;
E. Sievers, PBB 18 (1894), 407; W. van Helten, IF 18
(1905—06), 92 f. (Zss. aus urgerm. *bō und dem De-
monstrativpr. *jen-, → jenêr); E. Seebold, Anglia 86
(1968), 417 ff. (mit ahd. zwêne zu vergleichen).
Die verschiedenen me. Formen bāthe, bōthe, bēthe
usw. stammen z. T. von ae. bā + þā, wie auch ne.
both, sind aber auch wohl vom Skand. beeinflußt (s.
Björkman, Scand. Loanwords 108).
Hierher gehört auch das andere got. Wort für ‚beide‘,
bajoþs, aber die Bildung ist unklar; s. Feist, a.a.O. 77,
wo Lit.
Ahd. bêde zeigt die Monophthongierung ai >
ē im Auslaut aus der Zeit, als *bai *þai noch
zwei Wörter waren; s. R. Meringer, Zfvgl. Spr.
28 (1887), 236; W. van Helten, a.a.O. 93; Brug-
mann, Distrib. u. koll. Numeralia 24.
Fick III (Germ.)⁴ 255; Holthausen, As. Wb. 5. 6;
Sehrt, Wb. z. Hel.² 42 f.; Berr, Et. Gl. to Hel. 45;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 157; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 206; Verdam, Mndl. handwb.
67; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 44; Vries, Ndls. et. wb.
39 f.; Holthausen, Afries. Wb. 8; Richthofen, Afries.
Wb. 629; Holthausen, Ae. et. Wb. 29; Bosworth-Tol-
ler, AS Dict. 78; Suppl. 72; ME Dict. A—B, 1071; OED
I, 1012 f.; Vries, Anord. et. Wb.² 69; Jóhannesson, Isl.
et. Wb. 23; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 10. 13
(beggia); Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 39. 68; Torp,
Nynorsk et. ordb. 18; Haugen, Norw.-Engl. Dict. 70.
94; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 77. 118; Feist, Vgl. Wb.
d. got. Spr. 74. 77.
Germ. *bai ist entweder Reflex einer urspr.
neutr. Dualform auf *-oi̯ oder eine analogische
Pluralform (vgl. *þai) zu idg. *bhō(u̯) (m.), das
aber in den anderen idg. Sprachen nie allein
vorkommt, sondern nur mit verschiedenen Prä-
fixen: aind. ubháu, av. uba-, uva-; gr. ἄμφω; lat.
ambō; aksl. oba; lit. abù, lett. abi; toch. A āmpi,
B āntpi usw. Ein Zusammenhang der gr. und
lat. Zss. mit idg. *ambhi ‚um ... herum, zu bei-
den Seiten‘ (→ bi, umbi) ist kaum zu leugnen.
Meistens wird als erstes Element von *ambhi und
*ambhō(u̯) ein verstärkendes Präfix *am- angenom-
men (nach Pokorny 35 viell. zu *an⁴, → ana); dage-
gen deuten Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 27
*ambhō(u̯) als *ambh-bhō(u̯), d. h. als eine Zss. aus
*ambhi und *bhō(u̯). Die balt. und slav. Zss. sind
wohl sekundär entstanden, indem das alte Präfix
durch Reflexe des gleichbed. *obhi- (aksl. obь-, obъ-)
ersetzt wurde (s. bes. Pokorny 35; Walde-Hofmann,
a.a.O. I, 37; Ernout-Meillet, a.a.O. 27). Das u- der
indoiran. Formen hat keine sichere Erklärung; s.
Mayrhofer, a.a.O. I, 107; Walde-Pokorny I, 55, wo
Lit.
Walde-Pokorny I, 54 f.; Pokorny 34 f.; Mayrhofer, K.
et. Wb. d. Aind. I, 107; Bartholomae, Airan. Wb.
399 f.; Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 58 f.; Frisk, Gr. et. Wb. I,
100; Chantraine, Dict. ét. gr. 81; Walde-Hofmann,
Lat. et. Wb. I, 37; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 27;
Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 1 f.; Miklosich, Et. Wb. d.
slav. Spr. 218; Vasmer, Russ. et. Wb. II, 236 f.; Fraen-
kel, Lit. et. Wb. 3; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt.
Wb. I, 5 f.; Windekens, Le tokharien 126; ders., Lex.
ét. tokh. 5. 12; A. Meillet, Idg. Jb. 1 (1912), 18 f. S.
auch Brugmann, Grdr.² II, 2, § 80 f.; J. Janko, IF(Anz.)
15 (1903—04), 260.