brazzalîg
Band II, Spalte 305
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brazzalîgAWB adj., nur Notker, M.Cap. 794,
16 (Piper), 151, 22 (Sehrt-Starck), 112, 12 f.
(King) mít prázeligemo mûote (rabido .i. com-
moto pectore): aufgeregt, ungestüm.

Ahd. Wb. I, 1327; Splett, Ahd. Wb. I, 97; Schütz-
eichel⁴ 80; Graff III, 318; Sehrt, Notker-Gl. 19; Scha-
de 82.

Das Wort ist weder mhd. noch nhd. belegt und
hat keine sichere Etymologie. Am besten ist es
wohl als *birazzalîg zu deuten, mit Verlust des
unbetonten -i- (-e-) bei Notker, wie auch in fir-
brasên
(s. d.). Man vergleiche das Präfix gi-, das
bei Notker vor w, r, l, n manchmal aber nicht
immer ohne Vokal erscheint (z. B. greht neben
gereh, glouben neben gelouba). Notker selbst
bietet zwar nur diese zwei etwas unsicheren Bei-
spiele eines ähnlichen Vokalausfalls beim Präfix
bi-, aber dieses Präfix begegnet viel seltener als
gi- vor r und l (aus lautlichen Gründen wäre im
Falle von bi- vor w oder n kein Vokalausfall zu
erwarten); dagegen begegnen in den Glossen zu
Notkers Psalter dreimal Formen von bilâzzan
(Notker belâzen) ohne -i- (-e-): blazzin (inf.),
blaz, plaz (imper.); vgl. Sehrt-Legner, Notker-
Wortschatz 323. Auch sonst fällt ein Vokal nicht
nur vor Vokal aus (vgl. Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 77
Anm. 3; Schatz, Ahd. Gr. § 85 und irbarmên,
irbrinnan), sondern auch gelegentlich vor l, r:
z. B. prinnit Gl. 1, 89, 6 (K, 8. Jh.; Pa hat pirin-
nit); blibenar Gl. 1, 622, 40 (9. Jh., ostfränk.[?],
für *bilîbenêr; vgl. Franck, Afrk. Gr.² § 57);
pliccenter Gl. 1, 307, 23 (10. Jh., bair., für *bilig-
gentêr; ähnlich Gl. 1, 307, 24, in bair. Hss. des
12. Jh.s); plohan Gl. 1, 651, 28 (10. Jh., bair.; an-
dere Hss. haben piloh[h]an); brride Bamberger
Beichte, 12. Jh. (Steinmeyer, Spr.denkm. 147, 4,
für *biruoride). Vgl. A. L. Lloyd, AJGLL 4
(1992), 117 ff.

Wenn diese Deutung stimmt, ist *birazzalîg eine
Adj.bildung auf -îg (s. d.) zu einem Verb, das
mhd. als razzeln toben; rasseln belegt ist (vgl.
nhd. rasseln), das seinerseits eine iterative Bil-
dung zu razzen toben ist (zur Bildung vgl. Wil-
manns, Dt. Gr. II § 75 f.).

Die Bed. rasseln ist wohl sekundär entstanden, indem
der vom heftigen Schütteln einer Klapper hervorge-
brachte Laut bezeichnet wird; z. T. kann es sich auch
um ein homonymes Verb lautmalenden Ursprungs
handeln. Vgl. nndd. rateln, mndl. nndl. ratelen, me.
ratele(n), ne. rattle. Verwandt ist wohl auch ae. hratele
Pflanzenname Rasseltopf(?); vgl. bes. Bierbaumer,
Bot. Wortsch. d. Ae. III, 143.

Mit mhd. razzen verwandt und auch mit der
Grundbed. des heftigen Bewegens sind ae. *hra-
tian stürzen, sich beeilen (nur einmal Sweet,
Oldest Engl. Texts 180, 32. 471 [Glossary], gera-
tade : adceleravit, Beda-Glossen, Ende des 9.
oder Anfang des 10. Jh.s; kaum für *geradade
verschrieben und also zu hradian zu stellen, vgl.
Hall-Meritt, Conc. AS Dict. 192); aisl. hrata
fallen, stürzen, eilen.

Kluge²¹ 584; Kluge²² 583 (rasseln); Lexer II, 355; Be-
necke II, 1, 585; Verdam, Mndl. handwb. 486;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 536; Vries, Ndls. et. wb.
564; Holthausen, Ae. et. Wb. 172; Vries, Anord. et.
Wb.² 252; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 830.

Diese Verben gehören zur idg. Wz. *(s)kred-,
*(s)kerd-, einer d-Erweiterung der Wz.
*sker(ǝ)- springen, sich drehend bewegen, und
sind mit gr. κραδάω, κραδαίνω schwinge, er-
schüttere
und viell. aind. krdati springt, hüpft
(zur umstrittenen Etym. s. bes. Mayrhofer, K.
et. Wb. d. Aind. I, 254 f.; III [Nachtr.] 680;
ders., Et. Wb d. Altindoar. I, 493; Hiersche,
Tenues Asp. im Idg. 69 f.), möglicherweise auch
lat. cardō Türangel; Wendepunkt verwandt.
Fern bleibt wohl lit. (pa)kìrsti wach werden, die
Augen aufschlagen
(vgl. Fraenkel, Lit. et. Wb.
259).

Walde-Pokorny II, 567 f.; Pokorny 934; Frisk, Gr. et.
Wb. II, 1 f.; Chantraine, Dict. ét. gr. 575; Walde-Hof-
mann, Lat. et. Wb. I, 166 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét.
lat.⁴ 99 f.

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