brozAWB n. a-St., nur in Gl.: ‚Knospe, Sproß,
junger Trieb (eines Baumes oder Weinstocks),
gemma; Spätfeige (Ficus carica L.), grossus‘
〈Var.: p-〉. — Mhd. broz st. n. ‚Knospe, Sproß‘.
— Frühnhd. broß n. ‚Knospe, Auge der Rebe‘.
In der Sprache der Gegenwart lebt das Wort
nur noch mdartl. weiter (s. u.).
Ahd. Wb. I, 1427 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 109; Starck-
Wells 80; Graff III, 369; Schade 86; Lexer I, 361;
Nachtr. 106; Benecke I, 260 f.; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 259 (gemma). 270 (grossus); Götze, Frühnhd.
Gl.⁶ 41; Dt. Wb. II, 399 (Beleg von 1716).
Ahd. broz in der Bed. ‚Knospe, Sproß‘ ist fast
nur auf obd. Sprachgebiet bezeugt; auch das
verwandte st. v. II mhd. briezen ‚anschwellen,
Knospen treiben‘ scheint ganz isoliert im Germ.
Zwar gibt es lautliche Entsprechungen in einigen
germ. Sprachen, aber mit anderer Bed.: ae. ge-
brot n. ‚Bruchstück, fragmentum‘ (→ gibroz);
aisl. brot n. ‚Bruch(stück), Schiffbruch, Ab-
bruch, Verbrechen‘, ähnlich nnorw. brot, ndän.
brod, nschwed. brott; vgl. auch ae. brēotan, aisl.
brjóta st. v. II ‚brechen‘.
Eine andd. Form *brot ‚Knospe, Sproß‘ ist aus allerlei
roman. Reflexen, wie aprov. brot ‚junger Trieb‘, katal.
brot ‚Sproß‘, span. brote m., brota f. ‚Knospe, Schöß-
ling, Trieb‘ (dazu das Verb brotar ‚Knospen treiben‘)
erschlossen worden — obwohl die romanist. Forschung
vorwiegend mit einem hypothetischen got. Ausgangs-
punkt *brut-s operiert; vgl. Wartburg, Frz. et. Wb. I,
578 f.; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 1588; Meyer-Lüb-
ke, Rom. et. Wb.³ nr. 1347. Die damit konkurrieren-
den Bildungen aprov. brost, nfrz. brout ‚junger Trieb‘,
afrz. broster, nfrz. brouter ‚die Triebe abgrasen‘ gehö-
ren aber zu brust² (s. d.).
Lexer I, 353; Benecke I, 260; Holthausen, Ae. et. Wb.
36 (gebrot); Bosworth-Toller, AS Dict. 127 (brot). 376
(gebrot); Suppl. 299 (gebrot); Vries, Anord. et. Wb.²
59; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 435; Holthausen, Vgl.
Wb. d. Awestnord. 26; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb.
105; Torp, Nynorsk et. ordb. 43; Ordb. o. d. danske
sprog II, 1177; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 101; Svens-
ka akad. ordb. B-4292.
Die germ. Formen gehen alle auf idg. *bhreu̯d- :
*bhrud- zurück, aber es ist unsicher, ob es sich
um Erweiterungen von zwei verschiedenen
gleichlautenden idg. Wurzeln: *bhreu̯-¹ ‚schwel-
len, sprießen‘ (vgl. lat. frutex ‚Strauch, Busch‘
und s. Pokorny 169) und *bhreu̯-² ‚brechen‘ (→
brôdi, bruzzî und s. Pokorny 169) handelt
oder ob ahd. broz und mhd. briezen auch von
bhreu̯-² herzuleiten sind, indem eine Bed.ent-
wicklung ‚(in Knospen, Blätter, Blüten oder
Zweige) ausbrechen‘ anzunehmen ist (vgl. See-
bold, Germ. st. Verben 142).
Jedenfalls fehlt es an genauen außergerm. Ent-
sprechungen: air. broth ‚Ähre, Pflanzenteil, ari-
sta‘ geht, wie lat. frutex, auf *bhru-t- zurück
(ahd. broz setzt *bhru-d- voraus). Die slav.
Wörter ukrain. brost’ ‚Knospe‘, bulg. brъst
‚Sprossen‘, serbo-kroat. bȓst ‚dss.‘ sind wohl
von *bhrus-ti-, nicht *bhrud-(s)ti-, herzuleiten
und mit brust¹ und brust² zu verknüpfen (zu
diesen umstrittenen Wörtern s. bes. W. Meid, IF
69 [1964], 222; Sadnik-Aitzetmüller, Vgl. Wb.
d. slav. Spr. Nr. 343 und brust¹).
Die Verbreitung des Wortes in den dt. Mdaa. der Ge-
genwart ist fast ganz auf das Obd. beschränkt (ob der
Gleichklang etwa eines unverschobenen *brot ‚Knos-
pe‘ mit brod oder brôt seinem Gebrauch im Nddt. ent-
gegenwirkte?): s. Schweiz. Id. V, 800 f. (Bross m.f.n.,
auch Brotze[n] wie Sprotze[n] neben Spross[en], ebd.
V. 1042); Fischer, Schwäb. Wb. I, 1438; Schmeller,
Bayer. Wb.² I, 365 (Broß, auch Broßt); Kranzmayer,
Wb. d. bair. Mdaa. in Österr. III, 1054 f. (‚Blatt- oder
Blütenknospe, Edelreis, [Nadel-]Zweiglein‘); Maurer-
Mulch, Südhess. Wb. I, 1141; Crecelius, Oberhess.
Wb. 208 f.