derben mhd. st. v. III (rheinfrk., mfrk. sel-
ten) ‚zunichte werden, umkommen, sterben‘
(ahd. nicht belegt); verderbenAWB mhd. st. v. III, in
den Gl. nur part.prät. verdorben Gl. 3, 386, 50
(mfrk. 13. Jh.) in verdorben oleiboum ‚oleaster‘;
in der mhd. Lit.sprache reichlich belegt (auch
verterben) ‚zu Schaden kommen, zugrunde ge-
hen, unglücklich werden, sterben‘; nhd. ver-
derben, womit sich im Nhd. das zugehörige
Kausativ mhd. verderben sw. v. I ‚zugrunde
richten, töten‘ vermischt hat; vgl. die Partizipi-
aladjektive verderbt ‚moralisch verkommen‘,
fachsprachl. ‚unleserlich, schwer zu entzif-
fern‘, verdorben ‚verbraucht, ungenießbar,
schlecht, moralisch verkommen‘, ält. nhd. auch
bederben sw. v. ‚perdere, consumere, verder-
ben‘, nhd. dial. bair. abderben st. v. ‚dürr wer-
den, abstehen von Pflanzen‘ (danach wohl
bair. derb in den Bedeutungen ‚dürr, trocken,
mager‘), bederben, verderben st. v. ‚verderben‘;
luxemb. verdierwen trans., intrans. ‚verder-
ben‘, platt-dt. verdarwen ‚verderben‘. Die hd.
Formen mit d- (gegenüber mhd. verterben)
sind aus dem Ndd. entlehnt.
Splett, Ahd. Wb. I, 132; Starck-Wells 156. 799; Scha-
de I, 100; Lexer I, 420; III, 93; Benecke I, 361. 365 f.;
Diefenbach, Gl. lat.-germ. 427 (perire); Dt. Wb. I,
1224; XII, 209 ff.; Kluge²¹ 812; Kluge²² 758; Pfeifer,
Et. Wb. 1891. — Schmeller, Bayer. Wb.² I, 534; Lu-
xemb. Wb. I, 329; Dähnert, Platt-Dt. Wb. 519.
Mhd. derben usw. entsprechen mndd. derven
(prät. darf, dorven) st. v. ‚verderben, zugrunde
gehen‘ (vorderven st. v. ‚verkommen, dem Tode
näherkommen, vergehen, umkommen‘); andfrk.
-dervan in fardervan ‚verderben‘ (prät. far-
duruon ‚perierunt‘); mndl. -derven in bederven
st. v. ‚Schaden erleiden, unbrauchbar werden,
zugrunde gehen, sterben‘, nndl. -derven in be-
derven st. v. ‚verderben, verfaulen‘; afries. -der-
va in forderva, urderva (prät. for-, urderf) st. v.
‚verderben‘, nwestfries. -djerre in bidjerre st. v.
‚corrumpere, putrescere‘, fordjerre ‚verderben‘;
ae. deorfan st. v. ‚sich anstrengen, arbeiten, in
Gefahr sein, umkommen‘, me. part. prät. (i)dor-
ven ([ge]deorf ‚Arbeit, Mühsal, Gefahr‘), ne.
veraltet derve ‚arbeiten‘: < urgerm. *đeran-.
Das Kausativ urgerm. *đarijan- ‚verderben
machen‘ ist außer in mhd. -derben in mndd.,
mndl. -derven (mndd. vorderven sw. v. ‚verder-
ben, zugrunde richten, vernichten, zerstören‘,
bederven ‚berauben, plündern‘; mndl. bederven
‚ruinieren, ins Verderben stürzen‘, nndl. beder-
ven ‚beschädigen‘), ae. dierfan (part. prät. ge-
dyrfed) sw. v. ‚beleidigen, kränken, gefährden‘,
me. derfen ‚dss.‘ fortgesetzt. Spätanord. -djarfa
in fordjarfa, fyrirdjarfa (fordjerfa, fordjörfa)
sw. v. ‚verderben‘ stammt mit Anlehnung an
djarfr ‚mutig‘ (→ derbi) aus mndd. vorderven
(ebenso ndän. fordærve, nschwed. fördärva),
und ndän. bedærve ‚verderben‘ aus nndd. beder-
ven ‚verderben‘, der Fortsetzung des Kausativs.
Fick III (Germ.)⁴ 182 f.; Seebold, Germ. st. Verben
154 f.; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 419.
798; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I, 509; V, 337; Hel-
ten, Aostndfrk. Psalmenfrg. 52; Kyes, Dict. of O. Low
and C. Franc. Ps. 13; Verdam, Mndl. handwb. 59;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 38; Vries, Ndls. et. wb.
35; Holthausen, Afries. Wb.² 15; Richthofen, Afries.
Wb. 683; Dijkstra, Friesch Wb. I, 112. 395; Holthau-
sen, Ae. et. Wb. 72 f.; Bosworth-Toller, AS Dict. 202;
Suppl. 150; ME Dict. C-D, 1000; OED² IV, 506;
Vries, Anord. et. Wb.² 137. 148; Jóhannesson, Isl. et.
Wb. 994 f.; Heggstad, Gamalnorsk ordb. 170. 190;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 37; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 57. 254; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 258; Hempen, Starke Verben im Dt. u. Ndl.
198; M. Förster, Engl. Stud. 39 (1908), 342 ff.; Björk-
man, Scand. Loanwords 233 f.
Zu urgerm. *đeran- stellen sich: lit. dìrbti, dìr-
bu intrans. ‚arbeiten‘, trans. ‚machen, verferti-
gen, herstellen‘, lett. dial. dirbt ‚arbeiten‘, lit.
dárbas ‚Arbeit, Werk, Tat‘, lett. daȓbs ‚dss.‘ (lit.
darbùs ‚arbeitsam‘) < uridg. *dherǝbh-
[**dherHbh-] ‚arbeiten‘; zum Nebeneinander
der Bedeutungen vgl. ahd. sterban ‚sterben‘,
nnorw. dial. starva ‚vor Kälte umkommen‘ ne-
ben aisl. starfa ‚sich anstrengen‘, starf n. ‚schwe-
re Arbeit, Anstrengung, Geschäft‘, gr. κάμνω
‚mühe mich, arbeite mit Mühe, sterbe‘, aind.
śmyati ‚wird ruhig, kommt zur Ruhe, ermattet,
hört auf, läßt nach‘ (Mayrhofer, K. et. Wb. d.
Aind. III, 325 f.). Sofern die Bedeutung ‚arbei-
ten‘ der uridg. Wz. aus ‚derb und kräftig sich
betätigen‘ hervorgegangen ist, kann auch arm.
derbowk ‚rauh, steif‘ hier angeschlossen wer-
den, ferner mndd. derve ‚derb, gerade‘; afries.
derve ‚verwegen‘; as. dervi ‚kräftig, feindlich,
böse‘; ae. dearf ‚kühn‘, me. derrf, derf, derve
‚kühn, wagemutig, stark‘ (auch ‚schmerzlich,
beschwerlich, lästig‘ unter dem Einfluß von ae.
[ge]deorf ‚Arbeit, Mühsal, Gefahr‘), ält. ne. derf
‚stark, kräftig, handfest‘; anord. djarfr ‚mutig,
kühn‘; nnorw. djerv ‚dreist, kühn‘, in der Mine-
ralogie ‚unkristallisiert, formlos‘; nschwed.
djärv ‚kühn, verwegen, dreist‘; ndän. djærv
‚derb, offen‘ (Bedeutung durch mndd. Einfluß);
→ derb.
Walde-Pokorny I, 863; II, 631; Pokorny 257; Fraen-
kel, Lit. et. Wb. 82; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt.
Wb. I, 439; Zupitza, Zfvgl.Spr. 37 (1904), 388; N. van
Wijk, IF 24 (1909), 230 f.; A. Pogatscher, Anglia
Beibl. 14 (1903), 182; ders., IF (Anz.) 21 (1907), 57;
A. Szogs, Die Ausdrücke für „Arbeit“ und „Beruf“ im
Altenglischen, Anglistische Forschungen 73 (Heidel-
berg, 1931), 81 ff.; zum Bedeutungsverhältnis von
‚verderben‘ und ‚sterben‘ s. D. Rosenthal, Ndd. Mittei-
lungen 27 (1971), 64. 67. 76.
Fern bleibt die Sippe von ahd. darba ‚Bedürfnis, Man-
gel‘ (s. d.), weil gegenüber ahd. -derban (mit d- < *đ
wegen andfrk., afries., ae. d-) bei darba ein anlauten-
des *þ vorausgeht (anders Grimm, Dt. Gr.a II, 36;
Weigand, Dt. Wb.⁵ I, 317; F. A. Wood, MLN 20
(1905), 103; ders., MLN 22 (1907), 120). Gleiches gilt
für Ficks (I [Idg.]⁴ 444; III [Germ.]⁴ 182 f.) Verbin-
dung mit lit. tirpstù, tipti ‚erstarren‘, lett. tirpt ‚dss.‘,
lat. torpeō ‚bin steif, betäubt‘, für F. de Saussures (Re-
cueil des publications scientifiques [Heidelberg, 1922],
450) Annahme einer durch das Präfix fir- bedingten
Gegensatzbildung zu urverwandtem lit. tapti, -pstù,
-paũ ‚gedeihen, zunehmen‘ (dazu Fraenkel, a. a. O.
1062) und für J. Schrijnens (Tijdschrift 20 [1901], 309)
Anschluß an *ster(p)- (nndl. sterven ‚sterben‘, → ster-
ban); ähnlich Persson, Stud. z. Wurzelerw. 57; ders.,
Beitr. z. idg. Wortf. 438; Th. Siebs, Zfvgl.Spr. 37
(1904), 388: In mhd. verderben und anord. starf lägen
Anlautsdoubletten vor (A. Kutzelnigg, Muttersprache
89 [1979], 132).