fehtanAWB (faht, fuhtun, gifohtan) st. v. IIIb,
seit dem 8. Jh., in Gl., Bened.regel, bei Notker,
Notker, Ps.gl., Otfrid, Williram und im Ludw.:
‚kämpfen, fechten, ringen, streiten, agonizare,
certare, contendere, debellare, dimicare, bellum
gerere, militare, arma movere, bellum movere,
oppugnare, pectere, pugnare‘ 〈Var.: fiht-, veht-,
ueght-, prät. vuoht-; zu uo für u vgl. Braune,
Ahd. Gr.¹⁵ § 32 Anm. 7〉. — Mhd. vehten st. v.
IV ‚die Arme hin und her werfen, fechten,
kämpfen‘, nhd. fechten. Im 15. Jh. lautet das
Prät. noch facht für focht; die 3. Sg. erscheint
als ficht, nicht fichtet; vgl. flicht, tritt, gilt,
schilt u. a. Das Verb bezeichnet zunächst jede
Art von kämpferischer Auseinandersetzung;
nach der Erweiterung der Kampftechniken in
nhd. Zeit dient es dann nur noch zur Bezeich-
nung des Kampfes mit blanker Waffe. Die
ursprl. Bedeutung (s. u.) lebt in der mdartl. Be-
deutung ‚sammeln‘ fort.
Die im 17. Jh. aufgekommene Bedeutung ‚auf Wan-
derschaft betteln‘ geht auf Fechtereien wandernder
Landsknechte und Handwerksgesellen zurück. Zum
Gelderwerb wurden Schau-Fechten veranstaltet, ein
kümmerliches Erbe der ritterlichen Turniere, ver-
gleichbar den Meistersingern, die sich als Erben der
Minnesänger fühlten.
Ahd. Wb. III, 684 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 218 f.; Köb-
ler, Wb. d. ahd. Spr. 252; Schützeichel⁵ 131; Starck-
Wells 144; Schützeichel, Glossenwortschatz III, 87;
Seebold, ChWdW8 124; Graff III, 442; Schade 174;
Lexer III, 43 ff.; Benecke III, 310 f.; Diefenbach, Gl.
lat.-germ. 182 (dimicare). 347 (manicare). 471 (pu-
gnare); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 28 (agonizare). 99
(certare). 145 (contendere). 171 (debellare). 199 (dimi-
care). 288 (bellum gerere). 404 (militare). 415 (arma
movere, bellum movere). 452 (oppugnare). 539 (pu-
gnare); Dt. Wb. III, 1387 ff.; Kluge²¹ 188; Kluge²⁴
281; Pfeifer, Et. Wb.² 330. — Wolf, Wb. d. Rotwel-
schen 92 f.
Innerhalb des Germ. hat das Wort nur in weite-
ren westgerm. Sprachen Entsprechungen: as.
vehtan, saman-fehtan (im Heliand nur das
Subst. fehta ‚Kampf, Streit‘), mndd. vechten
‚kämpfen, fechten, streiten, im Zweikampf
fechten, mit den Händen fechten, die Hände,
Arme heftig bewegen‘ (daraus entlehnt ndän.
fægte, nschwed. fäkta ‚mit den Armen schlagen,
fechten‘). Anders gebildet sind: ält. ndän. figte,
nnorw. fikta ‚mit den Armen ausschlagen‘ < *fi-
katōn, Ableitung von fika ‚kleine, heftige Bewe-
gungen machen‘, mit Angleichung der Bedeu-
tung an die von dt. fechten; vgl. auch ndän. fag-
ter ‚Gebärden, Gesten‘ und aus hd. fuchteln
‚ausschlagen, mit den Armen schwingen, fech-
ten‘ entlehntes ndän. fugtle — die Basis von nhd.
fuchteln ist das Subst. fuchtel f. ‚breiter Degen‘
(woraus schwed. fuktel); vgl. auch schweiz.
fucht, das wiederum von dem Verb fechten abge-
leitet ist; andfrk. part. präs. nom. pl.m. fehtinda,
mndl., nndl. vechten ‚kämpfen, fechten‘, jünger
‚sich anstrengen‘; afries. fiuhta, fugta, fiochta
(prät.pl. fuchten, part.prät. -fiuchten), nostfries.
fechten, fegten, nwestfries. fjuchtsje; ae. feohtan
(feaht, fuhton, fohten) ‚fechten, kämpfen, strei-
ten, angreifen‘, me. fighten (auch fisten, fiten,
vihten, wigten, fe[i]ghten, fuhten), ne. fight
(prät. fought): < urgerm. *feχtan-, prät. *faχt,
*fuχtum, part.prät. *fuχtana-, wobei der u-Vo-
kal im Prät.Pl. und Part. wohl von Verben mit
der Fortsetzung von *ul < * in der Wz. über-
nommen worden ist; vgl. *fluχtum; → flehtan.
Nach Falk-Torp (Norw.-dän. et. Wb. 287) ist die
Grundbedeutung ‚schnelle Bewegungen machen, be-
sonders mit den Armen‘. Doch stellt diese Bedeutung
nur eine im Mndd. belegte Weiterentwicklung dar.
Vgl. auch die Ableitungen: afries. fecht, ae. feht,
fieht ‚Schaffell mit Wolle‘ (< westgerm. *fiχti-
< *feχti-); nndl. vacht ‚Wolle, Wollwisch‘;
aschwed. fæt ‚Wolle‘, ält. ndän. fæt ‚Wolle,
Wollfell, zusammengerollte Wolle‘, nschwed.
dial. fætte ‚zusammengerollte Wolle‘ < *faχti-.
Fick III (Germ.)⁴ 225; Seebold, Germ. st. Verben
190 f.; Holthausen, As. Wb. 19; Sehrt, Wb. z. Hel.²
124; Berr, Et. Gl. to Hel. 112; Wadstein, Kl. as.
Spr.denkm. 238; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I,
1, 673; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. V, 215 f.; Kyes,
Dict. of O. Low and C. Franc. Ps. 24; Verdam, Mndl.
handwb. 644; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 724 f.;
Vries, Ndls. et. wb. 766; H. Kern, Tijdschrift 20
(1902), 244 f.; Holthausen, Afries. Wb.² 28; Richtho-
fen, Afries. Wb. 743 f.; Doornkaat Koolman, Wb. d.
ostfries. Spr. I, 430 f.; Dijkstra, Friesch Wb. I, 359;
Holthausen, Ae. et. Wb. 101; Bosworth-Toller, AS
Dict. 277; Suppl. 211; ME Dict. E-F, 547 ff.; OED²
V, 892 f.; Oxf. Dict. of Engl. Et. 355; Vries, Anord. et.
Wb.² 149; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 538. 541; Falk-
Torp, Norw.-dän. et. Wb. 201. 215. 287; Ordb. o. d.
danske sprog IV, 296 ff.; Torp, Nynorsk et. ordb. 103;
Hellquist, Svensk et. ordb.³ 253; Svenska akad. ordb.
F-2044 ff. — Zupitza, Germ. Gutturale 189.
Das Verb beruht auf einer t-Erweiterung der
Wz. uridg. *pe- ‚(Wolle oder Haare) rupfen,
zausen‘; → fahs (zur t-Erweiterung vgl. lat. plec-
tō ‚flechte‘ neben plicō; → flehtan), wie sie in gr.
πέκτειν (πεκτέω) ‚scheren‘, lat. pectere ‚käm-
men, krempeln, behacken‘ begegnet (zu derarti-
gen t-Erweiterungen s. Brugmann, Grdr.² II, 2
§ 680 und Krahe-Meid, Germ. Sprachwiss. III
§ 189: „im Germ. [ist] das t Bestandteil der
Wurzel geworden“; vgl. auch Stüber, Primäre
s-Stämme d. Idg. 135). Im Germ. ist eine Bedeu-
tungsentwicklung aus *‚sich raufen‘ zu ‚kämp-
fen‘ eingetreten (s. LIV² 467); zur Bedeutungs-
vermittlung vgl. lit. su-si-pèšti ‚sich raufen‘, pèš-
tis ‚sich raufen, sich schlagen, sich balgen, sich
prügeln‘, Iterativ pašýti, pašaũ ‚sich raufen‘
(F. Specht, Zfvgl. Spr. 68 [1944], 205), peštùkas
‚Raufer‘, peštùvės ‚Rauferei, Keilerei, Händel‘,
lett. pestiês (-šuôs, prät. -suôs) ‚über einen mit
Worten herfallen, Anlaß zum Streit suchen‘, pes-
lis, peseklis ‚Raufbold, zanksüchtiger Mensch‘
und auch die Bedeutung ‚scherzhaft prügeln‘
von lat. pectere; ferner nndl. plukken mit den
Bedeutungen ‚rupfen, kämpfen‘, nhd. raufen
‚die Haare auszupfen, raufen‘ (E. Fraenkel, IF
59 [1949], 305 f., jedoch mit unzulässigen Kom-
binationen wie die Verbindung von ne. struggle
mit ae. træglian ‚pflücken, reißen‘, die wegen
des unvereinbaren Lautstands voneinander zu
trennen sind).
Nach einer anderen Auffassung liegt bei urgerm.
*feχtan- Ablautentgleisung aus „urgerm. *fiuh-
tan *fauht *fuhtum *fuhtanaz“ vor, ein Wechsel
der Stammklasse, der — so J. de Vries (Ndls. et.
wb. a. a. O. mit Verweis auf dens., PBB 80 [Tü-
bingen, 1958], 1 ff.) — bei einem Verb mit einer
derartigen Bedeutung affektiver Natur sei: Das
Verb stelle sich unter einer nur im Germ. auftre-
tenden t-Erweiterung *puk-t- < *pug-t- zu gr.
πύξ ‚mit der Faust‘, lat. pugnus m. ‚Faust‘, pu-
gnāre ‚kämpfen‘ (Ableitungen von der in lat.
pungere ‚stechen‘ vorliegenden Wz. *peu̯g-)
(Kluge⁶ s. v. fechten; F. Kluge, Zfdt. Wortf. 2
[1902], 298 f.; Osthoff, Et. Parerga 369 f.; ders.,
PBB 27 [1902], 298 f.; dagegen Specht, a. a. O.
205 ff.). Wegen der möglichen Bedeutungsent-
wicklung von ‚rupfen‘ zu ‚sich raufen‘ ist jedoch
die unmittelbare Gleichsetzung mit einer auch
außerhalb des Germ. bezeugten t-Erweiterung
vorzuziehen.
Weit weniger wahrscheinlich ist auch die Verbindung
mit gr. hom. Epitheton ἐχε-πευκές wohl im Sinne von
‚bitter‘, eigtl. ‚mit einer Spitze versehen‘ (O. Lager-
crantz, Zfvgl. Spr. 34 [1897], 401 ff.), da zusätzlich
zu der für das Germ. zu postulierenden Ablautentglei-
sung die Annahme einer Bedeutungsentwicklung zu
‚kämpfen‘ Schwierigkeiten bereitet (s. Boisacq, Dict.
ét. gr.⁴ 301).
Verfehlt ist die an die Konzeption J. Triers (Venus
175 ff.; Festschrift der Arbeitsgemeinschaft für Forschung
des Landes Nordrhein-Westfalen zu Ehren des Herrn
Ministerpräsidenten K. Arnold [Köln-Opladen, 1955],
257) angelehnte Bedeutungsbestimmung von urgerm.
*feχtan- als ursprl. ‚Laub und Gras ernten‘, wobei das
zugehörige Subst. ‚Ranke, Gras, Laub‘ bedeutet habe
und die Bedeutungen ‚Haar, Wolle‘ erst durch meta-
phorische Übertragung zustande gekommen seien (so
D. Ader, Trier-Festschrift [1964], 152). Denn ebenso
wie die Bedeutungen ‚(Gras) zupfen, abfressen; (Blät-
ter) abreißen‘ von lit. pèšti, pešù ist auch die im Germ.
auftretende Bedeutung ‚Gras‘ eine Sonderentwick-
lung; → fahs (vgl. M. Faust, IF 72 [1967—68], 314).
Für die t-Erweiterung setzt H. Lommel (Zfvgl.
Spr. 53 [1925], 309 ff.) wegen der Wörter für
‚Kamm‘, gr. κτείς, κτενός m., lat. pecten, -inis
m. (davon abgeleitet mlat. pectinare ‚kämmen‘)
eine Vorform *pek-ten schon grundsprachlich
als *pekt-en an, die zur Ablösung einer Wz.
*pekt- geführt habe, eine durchaus mögliche
Annahme.
Walde-Pokorny II, 16 ff.; Pokorny 797; LIV² a. a. O.;
Frisk, Gr. et. Wb. II, 492 f.; Chantraine, Dict. ét. gr.
872; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II, 269 f.; Ernout-
Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 491; Du Cange² VI, 237; Traut-
mann, Balt.-Slav. Wb. 217; Fraenkel, Lit. et. Wb.
580 f.; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. III, 203.
204.