folmaAWB f. ō-St., seit dem Ende des 8. Jh.s,
nur in Gl. 3, 432, 1 und bei Isid.: ‚flache Hand,
palma‘. Das Wort ist in den mhd. literarischen
Denkmälern nicht belegt. Doch lebt es als Län-
genmaß im Schweiz. weiter: folme.
Ahd. Wb. III, 1065; Splett, Ahd. Wb. I, 1216; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 311; Schützeichel⁵ 138; Starck-Wells
170; Schützeichel, Glossenwortschatz III, 245; See-
bold, ChWdW8 133; Graff III, 517; Schade 212;
Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 461 (palmus); Dt. Wb. XII,
2, 736 (s. v. Volme); Kluge²¹ 528 (s. v. Palme); Kluge²⁴
676 (s. v. Palme); Pfeifer, Et. Wb.² 382 (s. v. fühlen). —
Schweiz. Id. I, 814.
Ahd. folma entsprechen, jedoch auch mit ande-
rem Genus innerhalb des Germ.: as. pl. folmos
m. ‚Hand‘ — das nur im Heliand bezeugte Wort
bezieht sich an allen Textstellen auf beide Hän-
de (z. B. mid iro folmon tuuêm, hendi ... folmos,
folmo crafto); ae. folm f. ‚Hand, Handfläche‘ ne-
ben dem sw. flektierenden Subst. folme, -an f.
‚dss.‘. Im Me. ist hierfür das aus afrz. paume,
palme, pame entlehnte Wort paum(e) ‚Handflä-
che‘, ne. palm, eingetreten. Da das einheimische
urgerm. Wort *fulmō ebenso wie urgerm. *χan-
du- (→ hant) sicher ein Fem. war (s. u.), erfor-
dert der Genuswechsel im As. eine Erklärung.
Möglicherweise ist deswegen, weil die langsilbi-
gen fem. ō-Stämme im Nom.Akk.Sg. lautgesetz-
lich endungslos waren und so mit den mask. a-
Stämmen übereinstimmten, ein Übertritt von
*folm in die Maskulina erfolgt. Doch könnte
eine Genusdifferenzierung auch wegen der Ver-
wendung von as. *folm als Bezeichnung einer
Maßeinheit eingetreten sein (vgl. lat. palmus, -ī
m. ‚Hand als Längenmaß, Spanne‘), wenn auch
im As. ein derartiger Sprachgebrauch nicht be-
legt ist.
Fick III (Germ.)⁴ 236; Holthausen, As. Wb. 21; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 141; Berr, Et. Gl. to Hel. 129 f.; Holthau-
sen, Ae. et. Wb. 112; Bosworth-Toller, AS Dict. 300;
ME Dict. P, 717 f.; OED² XI, 105; Oxf. Dict. of Engl.
Et. 643.
Mit urgerm. *folmō sind identisch: gr. παλάμη;
lat. palma ‚flache Hand‘ (auch ‚Gänsefuß, Ge-
weihschaufel, Backenstreich, Ohrfeige, Ruder-
schaufel, Schoß, äußerster Zweig, Palme, Palm-
baum, Palmzweig‘, alles Bedeutungen, die sich
mit der Vorstellung der flachen Hand vereinba-
ren lassen); air. lám, mkymr. llaw, korn. lof
‚Hand‘, abret. lau ‚Hand‘.
Die Bezeichnung der Zwergpalme mit palma beruht
auf dem Vergleich der fächerartigen Blätter mit einer
flachen Hand, ein Wort, das dann auf die Phoenix
dactylifera übertragen wurde. Vgl. auch die Bezeich-
nung palmes ‚Rebschoß‘ (Schrader, Reallex. d. idg.
Alt.² I, 185).
Aind. pāṇí- m. ‚Hand‘, das früher den Wörtern für
‚flache Hand‘ gleichgesetzt wurde, stimmt nicht zur
laryngalhaltigen Grundform dieses Wortes.
E. P. Hamps (IIJ 25 [1983], 275) Rückführung von
aind. pāṇí- auf *par-ṇí- („aniṭ“) gegenüber παλάμη
usw. kann nicht durch die Aniṭ-Form jav. pǝrǝnā-
(Bartholomae, Airan. Wb.² 895) gestützt werden, da
dieses Wort nicht ‚Hand‘, sondern ‚voll‘ bedeutet und
fem. Adj. zu pǝrǝna- ist (→ fol). Lautlich nicht möglich
ist J. Puhvels (Hist. Spr.forschung 106 [1993], 40) Her-
leitung von toch. B onkolmo, A onkaläm ‚Elefant‘ aus
„*anghwi-pAmā ‚snake-hand‘“.
Das uridg. Wort für ‚flache Hand‘ ist eine Ab-
leitung der uridg. Wz. *pelǝ- [**pelH₂-] ‚aus-
breiten‘ (zur Qualität des Laryngals vgl. insbe-
sondere heth. palhi- ‚breit, weit‘). Der früher als
„nicht ganz klar“ bezeichnete Ablaut (Frisk, Gr.
et. Wb. II, 466; s. Schwyzer, Gr. Gram.² I, 343.
362) der einzelnen Vorformen läßt sich verein-
baren, wenn man unterschiedlich akzentuierte
Vorformen, die der Verdeutlichung der Opposi-
tion „Adj. : Subst.“ dienten, annimmt: Bei Sub-
stantivierung eines Adj. konnte in der Grund-
sprache eine Akzentverschiebung stattfinden
(vgl. St. Schaffner, Mü. Stud. z. Spr.wiss. 56
[1996], 160 ff.). So dürfte die Vorform der kelt.
Wörter air. lám usw. auf dem Suffix [**pH₂-
mó-] und die der gr. und lat. Wörter auf der
Wurzelsilbe betont gewesen sein [**pH₂-], wo-
bei aus dem suffixbetonten Adj. ‚ausgebreitet‘
bei Verschiebung des Akzents auf die Wurzelsil-
be ein Subst. ‚die Ausgebreitete‘ entstand. Inner-
halb des Italokelt. sind so die unterschiedlichen
Lautformen *palamā (= gr. παλάμη), das über
*palemā mit Synkope dann zu palma wurde,
und *(p)lāmā entstanden; zum Nebeneinander
von *ala (< [**H] und *lā (< [**H]) im It.
vgl. lat. calamitās ‚Schaden‘ (< [**kH-] und
clādēs ‚Niederlage‘ (< [**kH-]). Eine solche,
von der uridg. Akzentuierung abhängige Dop-
pelvertretung der Lautfolge „sonantischer Reso-
nant - Laryngal“, wie sie außer im Gr., Kelt., It.
auch im Alb. vorkommt (zum ganzen Problem
G. Klingenschmitt mündlich), kennt das Germ.
nicht; urgerm. *fulmō kann so der gr., it. oder
der kelt. Vorform entsprechen.
Zu der Annahme einer Entwicklung von uridg. *H zu
urit. *ala s. R. S. P. Beekes, Sprache 18 (1972), 118;
Peters, Idg. Laryngale im Griech. 2 Anm. 1, zu urit.
*anamo-.
Ältere lautliche Ansätze wie „starke form palǝ-m ...,
schwache palǝ-m-“ (P. Kretschmer, Zfvgl. Spr. 31
[1891], 398 u. a.) erübrigen sich mit dieser Erklärung.
Vgl. auch Beekes, Develop. of PIE Laryngeals 195 f.
(*pelhm-ā, *phm-ā in gr. παλάμη, air. lám). 200;
M. Mayrhofer, Zfvgl. Spr. 100 (1987), 101 Anm. 64:
*pelama > lat. palma; E. P. Hamp, Zfvgl. Spr. 95
(1982—83), 175: gr. παλάμη, lat. palma (mit Synkope
< *palama) < „*plHao-mā, or at least as *plHaV-
mā“, dagegen ahd. folma usw., air. lám usw. <
„*plHa-mā“.
Wegen der Entsprechungen des Wortes folma in den
idg. Sprachen ist P. Scardiglis (in Lautgeschichte und
Etymologie 385) Verbindung mit urgerm. *fōlijan-
‚fühlen‘ abzulehnen.
Die zugrundeliegende Wz. begegnet auch in
Bildungen mit n-Formans: gr. πέλανος ‚(dick)-
flüssiger Mehlteig, Brei, Opferkuchen‘, auch
Bezeichnung eines Gewichts oder einer Münze,
wohl ursprl. ‚flacher Kuchen, flacher Teig‘,
‚Flaches‘, < *pélǝno- [**pélH₂no-], Ableitung
von der vollstufigen Wz. (Vollstufe 1); neben
lat. plānus ‚platt, eben, flach‘ (< *pno-
[**pH₂no-]); gall. Medio-lānum eigtl. ‚mitten
in der Ebene‘; und mit anderer Ablautstufe der
Wz. (Vollstufe 2): lit. plónas ‚dünn, fein,
schlank, hoch‘, plónė ‚dünne Haut, Fladen,
Pfannkuchen‘, lett. plâns ‚flach, eben, schwach‘
(alit. plānas ‚Tenne‘, lett. plãns ‚dss.‘, apreuß.
plonis ‚dss.‘) < *plā-no- [**plaH₂-no-]; vgl. lit.
plóti ‚platt drücken, abplatten, breit formen,
flach schlagen‘, lett. plãt ‚ausbreiten, dünn, platt
machen‘; und mit r-Formans (Vollstufe 2): ahd.
fluor ‚Saatfeld, Saat‘ usw. (s. d.). Zu den slaw.
Wörtern aksl. polje ‚Feld, Ebene, πεδίον‘ (Vas-
mer, Russ. et. Wb. II, 391) usw.; → feld.
Walde-Pokorny II, 61 ff.; Pokorny 805 ff.; Fick I
(Idg.)⁴ 471; Mann, IE Comp. Dict. 965; Mayrhofer,
K. et. Wb. d. Aind. II, 247; III, 755; ders., Et. Wb. d.
Altindoar. II, 117; Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 741. 759 f.;
Frisk, Gr. et. Wb. II, 466. 493 f.; Chantraine, Dict. ét.
gr. 852. 872 f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II,
240 f.; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 476 f.; Du Cange²
VI, 120; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 6802; Meyer-
Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 6171; Wartburg, Frz. et.
Wb. VII, 507 ff.; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 222;
Fraenkel, Lit. et. Wb. 628 ff.; Mühlenbach-Endzelin,
Lett.-dt. Wb. III, 330 f.; Karulis, Latv. et. vārd. II,
59 f.; Trautmann, Apreuß. Spr.denkm. 401; Fick II
(Kelt.)⁴ 240; Holder, Acelt. Spr. II, 128; Hessens Ir.
Lex. II, 1, 55; Dict. of Irish L-35 f.; Dict. of Welsh II,
2104; Friedrich, Heth. Wb. 156; Güterbock-Hoffner,
Chicago Hitt. Dict. P-65 f.; Tischler, Heth. et. Gl. II,
393 ff.