freh adj., seit dem 8. Jh. in Gl. und bei Not-
ker: ‚habgierig, geizig, ehrgeizig, mutwillig,
ambitiosus, avarus, avidus, cupidus, parcus‘
〈Var.: -hh-, -ch-〉. Das Adj. kommt auch als
Vorderglied in zweigliedrigen PN vor wie z. B.
in Frech-olf (vgl. N. Wagner, BN N.F. 24
[1989], 295 ff.). — Mhd. vrech ‚mutig, kühn,
tapfer, keck, dreist‘, nhd. frech. Die Ausgangs-
bedeutung ‚gierig‘ des ahd. Wortes hat sich
über ‚mutig, kühn, keck‘ zu nhd. ‚übermutig,
unverschämt‘ entwickelt, seit dem 16. Jh. und
mdartl. wird das Wort auch in der Bedeutung
‚gesund, lebenskräftig, üppig‘ sowie für auffal-
lende, kräftige Farben gebraucht. In der ober-
sächs. Wendung frach wachsen ‚in kurzer Zeit
stark wachsen‘ und frach ‚brünstig‘ lebt a-hal-
tiges frah (s. u.) fort.
Ahd. Wb. III, 1231; Splett, Ahd. Wb. I, 262; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 327; Schützeichel⁵ 140; Starck-Wells
176; Schützeichel, Glossenwortschatz III, 289; See-
bold, ChWdW8 135; Graff III, 793; Schade 222; Le-
xer III, 493 f.; Benecke III, 396; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 59 (auarus); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 36 (am-
bitiosus). 67 (avarus). 68 (avidus). 164 (cupidus). 464
(parcus); Dt. Wb. IV, 1, 1, 90 ff.; Kluge²¹ 216; Kluge²⁴
313; Pfeifer, Et. Wb.² 371. — Schweiz. Id. I, 1271; Fi-
scher, Schwäb. Wb. II, 1718; Schmeller, Bayer. Wb.²
I, 806; Lexer, Kärnt. Wb. 102; Unger-Khull, Steir.
Wortschatz 251; Müller-Fraureuth, Wb. d. obersächs.
Mdaa. I, 356; Frings-Große, Wb. d. obersächs. Mdaa.
I, 676 f.
Ahd. freh entsprechen mndl. vrec ‚gierig, geizig,
Geizhals‘, nndl. vrek m. ‚Geizhals‘; nostfries.
frek ‚stark, kräftig, lebhaft, frisch‘ (zu nwest-
fries. frak ‚geil, üppig‘ s. u.); ae. frec ‚begierig,
kühn, gefährlich‘, me. frk ‚eifrig, mutig,
schnell‘, ne. freck (obsolet) ‚eifrig, schnell, gie-
rig, lebhaft‘; aisl. frekr ‚gierig, hart, streng‘, nisl.
fär. frekkur ‚gierig‘, nnorw. dial. frek ‚gierig,
kühn, tüchtig‘, nschwed. dial. fräk ‚gut‘ (ndän.
fræk ‚frech‘ und nschwed. fräck ‚frech‘ sind da-
gegen aus dem Dt. entlehnt; vgl. M. Förster,
Engl. Stud. 39 [1908], 330 Anm. 1); got. -friks
in faíhufriks ‚geldgierig‘: < urgerm. *freka-. Auf
urgerm. *fraka- hingegen gehen mndd. vrac
‚habgierig‘; nwestfries. frak ‚geil, üppig‘; ae.
fræc ‚gierig, eifrig, kühn, gefährlich‘, me. frak,
ne. dial. frack; ält. ndän. frag ‚schnell, mutig,
tüchtig, stark‘ und schwed. dial. frak zurück.
Eine abgetönte Dehnstufe ist fortgesetzt in (→)
fruochanî ‚prahlerisches freches Wesen‘, Fruo-
chan- (Vorderglied in PN), as. frōkan ‚kühn‘: <
urgerm. *frōkna- und as. frōkni ‚kühn‘, ae.
frēcne ‚mutig, wild, gefährlich‘, aisl. frœkn ‚mu-
tig, kühn‘: < urgerm. *frōkni/ii̯a-.
Mndd. vrech ‚kühn, dreist, widerspenstig, sprö-
de‘ wurde nach Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 986 aus dem Mhd. entlehnt.
Im As. ist lediglich ein jō-stämmiges Adj. frechiu, freg-
chiu (nom. sg.f.) zur Glossierung von lat. parca f. ‚gei-
zig, sparsam‘ belegt. Ein Ansatz as. *frek (so Wad-
stein, Kl. as. Spr.denkm. 90. 242), mndd. *vrek ist
nach N. Wagner, a. a. O. 309 nicht berechtigt.
Fick III (Germ.)⁴ 245; Heidermanns, Et. Wb. d. germ.
Primäradj. 212 f.; Berr, Et. Gl. to Hel. 140; Verdam,
Mndl. handwb. 750; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 762;
Suppl. 186 f.; Vries, Ndls. et. wb. 804; Doornkaat
Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 557; Dijkstra, Friesch
Wb. I, 428; Holthausen, Ae. et. Wb. 115. 114; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 331; Suppl. 262; Suppl. II, 28;
ME Dict. E-F, 877 f.; OED² VI, 157; Vries, Anord. et.
Wb.² 141; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 570; Holthausen,
Vgl. Wb. d. Awestnord. 71. 72; Falk-Torp, Norw.-dän.
et. Wb. 279. 1464; Ordb. o. d. danske sprog V, 128 f.;
Torp, Nynorsk et. ordb. 134; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 242; Svenska akad. ordb. F-1274 f. F-1672 f.;
Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 136 (faíhu-friks); Lehmann,
Gothic Et. Dict. F-8. — Gallée, As. Gr.³ § 346 Anm. 1;
M. Förster, a. a. O. 327 ff.; K. B. Wiklund, IF 38
(1917/20), 113 (finn. perkata in syödä perkata ‚gefrä-
ßig essen‘ ist nicht aus dem Germ. entlehnt, wie Kar-
sten, Germ.-finn. Lehnw. 253 annimmt); M. Szad-
rowsky, PBB 62 (1938), 9—12; Piirainen, Germ.
*frōđ- u. germ. *klōk- 44 ff.; Lühr, Expressivität 331;
dies., Egill 81 f.
Afrz., mfrz. frique ‚lebhaft, adrett‘ weist nach Wart-
burg, Frz. et. Wb. III, 803 f. auf eine frk. Vorform
*frik-, die mdartl. in rhein. frick ‚Geizhals‘, frickel
‚ausgelassenes junges Mädchen‘ fortgesetzt ist. Die
Annahme einer Ablautvariante *frik- zu *frek- erüb-
rigt sich jedoch, da neben *freka- auch ja-stämmiges
*frek-ja- > *frikk-ja- vorkommt, das in ae. frićć ‚gie-
rig‘ weiterlebt (s. N. Wagner, a. a. O. 300).
Folgende etymologische Anschlüsse des gemein-
germ. Wortes wurden in Betracht gezogen:
1. Verbindung von ahd. freh mit kymr. rhewydd
‚Geilheit‘ (dagegen erhebt H. Pedersen, Ark. f.
nord. fil. 20 [1903—1904], 382 zu Recht lautli-
che Einwände, da < vorurkelt. *preg-), poln.
pragnąć ‚gierig verlangen‘ bei einer Vorform
vorurgerm., vorurkelt., vorurslaw. *pragi̯o-
‚Geilheit‘ (so Stokes, in Fick II (Kelt.)⁴ 225 f.;
A. Torp, Unger-Festschrift 183 ff., G. S. Lane,
Lang. 9 [1933], 258.).
2. Verknüpfung mit gr. σπαργάω ‚schwelle,
strotze, bin geil‘, lett. spirgt ‚frisch werden‘ <
vorurgerm., vorurgr., vorurbalt. Wz. *(s)preg-
(z. B. M. Förster, a. a. O. 338 f. und Falk-Torp,
a. a. O. 279).
3. Wahrscheinlich ist aber urgerm. *freka- eine
Ableitung eines s-mobile-haltigen vorurgerm.,
vorurkelt. Primärverbs *(s)preg- ‚schnellen,
schnell sein‘ mit Hochstufe 2. Denn dann läßt
sich auch kymr. ffraeth ‚schnell, bereit‘ wohl <
*sprek-to- < *spreg-to- mit analogischer Null-
stufe 2 zur Hochstufe 2 mit der germ. Sippe ver-
binden (s. Lühr, Egill 81 f.). Auch Heidermanns,
a. a. O. 53 nimmt für urgerm. *freka- Ableitung
von einem Primärverb an, allerdings setzt er ein
sonst nicht bezeugtes uridg. *preg- ‚gierig ver-
langen‘ voraus.
Unrichtig H. Hirt, PBB 23 (1898), 352, der ahd. freh
usw. mit lat. precor ‚bitte, bete‘, procus m. ‚Freier‘ ver-
bindet, indem er uridg. *preg̑- und *pre- als Varian-
ten betrachtet.
Walde-Pokorny II, 88 f.; Pokorny 845; Boisacq, Dict.
ét. gr.⁴ 891; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 3971; Mey-
er-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 3491; Diez, Et. Wb. d.
rom. Spr.⁵ 590; Southern, IE s-mobile 218 f.
S. auch fruoh(ha)nî (mit anderer Ablautstufe).