fremidi
Band III, Spalte 547
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fremidiAWB adj. ja-St., seit dem 8. Jh.: fremd,
ausländisch, nicht eigen, nicht zur Sache gehö-
rig, fern, absurdus, alienatus, alienus, (alieni-
gena), allophylus, barbarus, externus, exter(us),
extraneus, extrinsecus sumptus
Var.: fremithi,
-ide, -edi, -ede, framadi; fromidir 12. Jh.,
fremder 12. Jh.. Mhd. vrem(e)de, vröm(e)de
fremd, fern, entfernt von (mit Dat.), nhd.
fremd, im 16./17. Jh. oft frembd geschrieben
(vgl. hembd, verleumbden) und mit Kürzung
daraus fremb, fremm, nhd. dial. kärnt. frömm,
frömp. Eine Substantivierung des Adj. begegnet
in mhd. vremder m. Auswärtiger, Gast, nhd.
Fremder (vgl. auch die Ableitung mhd. vremde-
linc, nhd. Fremdling, ferner das Adjektivab-
straktum mhd. vrem[e]de f. Entfernung, nhd.
Fremde Ort, wo man nicht heimisch ist).

Ahd. Wb. III, 1240 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 260; Köb-
ler, Wb. d. ahd. Spr. 328; Schützeichel⁵ 140; Starck-
Wells 177. 811. 846; Schützeichel, Glossenwortschatz
III, 293 f.; Seebold, ChWdW8 135; Graff III, 642;
Schade 219; Lexer III, 500 f.; Benecke III, 393 f.; Die-
fenbach, Gl. lat.-germ. 22 (alienus); Götz, Lat.-ahd.-
nhd. Wb. 5 (absurdus). 30 (alienus). 70 (barbarus). 248
(exter[us], extraneus). 249 (extrinsecus sumptus); Dt.
Wb. IV, 1, 1, 125 ff.; Kluge²¹ 218; Kluge²⁴ 315; Pfei-
fer, Et. Wb.² 373. Lexer, Kärnt. Wb. 102.

Entsprechungen zu ahd. fremidi finden sich in
allen westgerm. Sprachen und im Got., während
die skand. Wörter, teils umgebildet, aus dem
Mndd. stammen: as. fremiđi, mndd. vrȫm(e)de,
vrömmede, vrȫmet, vrömmet (> ndän. fremmed,
aschwed. frömmadher, nschwed. dial. [Götland]
främmad; dagegen isl. framandi advena, alieni-
gena
, nschwed. främmande fremd, Fremder,
Fremdling
, nnorw. dial. fremmende, framand
Fremder mit Umbildung nach den präsenti-
schen Part.; nschwed. främmande auch Gäste,
Besuch, Gesellschaft
); aostndfrk. fremithi,
mndl. vre(e)mde, vremet, vre(e)mt, nndl.
vreemd; afries. fremethe, nostfries. frömd,
fremd; ae. nordhumbr. frem(e)ðe; got. framaþeis
(nicht im Nom. Sg. belegt; z. B. nom. pl. framaþ-
jai, dat.pl. framaþjaim, akk.sg. framaþjana): <
urgerm. *framaþija-, allesamt in der Bedeutung
auswärtig, fremd (ae. auch unfreundlich,
leer
). Daneben weist ae. wests. (Anglo-Saxon
dialogus of Salomon and Saturn) fremede, (Ves-
pasian-Psalter) fremde, me. fremed, ne. veraltet
fremd wie afries. fram(e)de, frm(e)de auf eine
Vorform *framađija- mit grammatischem Wech-
sel. *þ kann hier nicht fortgesetzt sein, denn ð
< *þ bleibt im Ae. in einer Gruppe -miđ- nach
der Synkope als -mð- erhalten. *frama-þija-/
-đija-, eigtl. fort seiend, der fort befindliche,
ist eine Ableitung mit dem Suffix *-þ(i)ja-/
*-đ(i)ja- von urgerm. frama- < vorurgerm.
*promó- fort, weg ( fram).

Zu den zwei verschiedenen ae. Bildungen mit gram-
matischem Wechsel
im Suffix s. Sievers-Brunner, Ae.
Gr.³ § 201 Anm. 2; Kluge, Nom. Stammbildung³
§ 233.

Mndd. vrömede, westfäl. (Soest) fryǝmd beruhen nicht
auf einem as. *frumiþi (anders F. Holthausen, AfdA.
41 [1942], 13), vielmehr ist Labialisierung von e > ö
zwischen zwei Labialen eingetreten (vgl. mndd. vefte
der fünfte, veftich fünfzig, veftein fünfzehn >
vöfte, vöftich, vöftein [Lasch, Mndd. Gr. § 169, Ia]).

Fick III (Germ.)⁴ 233; Holthausen, As. Wb. 22; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 150; Berr, Et. Gl. to Hel. 135; Wadstein,
Kl. as. Spr.denkm. 242; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 1006; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. V,
538; Helten, Aostndfrk. Psalmenfrg. 99; Verdam,
Mndl. handwb. 750; Epkema, Wb. Japicx 153;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 761; Vries, Ndls. et. wb.
803; Holthausen, Afries. Wb.² 31; Richthofen, Afries.
Wb. 756; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I,
563 f.; Holthausen, Ae. et. Wb. 115; Bosworth-Toller,
AS Dict. 332; ME Dict. E-F, 883; OED² VI, 173; Jó-
hannesson, Isl. et. Wb. 547; Fritzner, Ordb. o. d. g.
norske sprog I, 475; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb.
273; Ordb. o. d. danske sprog V, 1261 ff.; Torp, Ny-
norsk et. ordb. 133; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 242 f.;
Svenska akad. ordb. F-1691 ff.; Feist, Vgl. Wb. d. got.
Spr. 164; Lehmann, Gothic Et. Dict. F-80. Grimm,
Dt. Rechtsalt.⁴ I, 546 ff.; Schmid, Gesetze d. Angelsach-
sen 582 f.; HRG I, 1266 ff.

Wahrscheinlich handelt es sich bei urgerm. *fra-
miþija-, -đija- um eine Oppositionsbildung zu
urgerm. *niþja-, wie sie in got. niþjis Verwand-
ter
, ae. Pl. niððas Männer, aisl. niðr Ver-
wandter
und außerhalb des Germ. in aind. nít-
ya- eigen, heimisch, stetig, dauernd, gall.
Volksname Nitio-broges < uridg. *ní-to-
drinnen befindlich, heimisch, eigen fortlebt,
einer Ableitung mit dem u. a. Raumadjektive
bildenden Suffix *-to- von uridg. * in, drin-
nen, innen seiend
(vgl. aind. ni-já- eingeboren,
im Hause geboren, eigen, beständig
, av. ni-zǝ-
ta- eingeboren, im Hause geboren; in); vgl.
auch aind. -tya- auswärtig, außerhalb ste-
hend
(aind. außerhalb), ápa-tya- n.
Nachkommenschaft, Abkömmling (aind. ápa
ab, von), am-tya- Hausgenosse (am da-
heim
), lat. propitius gnädig (lat. prope nah);
ferner urgerm. *awþija- öde < uridg. *átia-
[**Há-tio-] für sich, abseits, eine Ableitung
von uridg. *a- [**Ha-] weg (W. Schulze,
Zfvgl. Spr. 40 [1906], 412 f.; Krahe-Meid,
Germ. Sprachwiss. III § 120.2); ôdi, frastmun-
ti
, samfti.

Weniger wahrscheinlich K. Brugmann (IF 17 [1904
05], 351 Anm. 1) und danach Feist und Lehmann,
a. a. O.: Ableitung von einem wie got. aljaþ anderswo-
hin
, dalaþ nach unten gebildeten Adv. *framaþ mit
dem Suffix *-o-.

Zu erklären bleibt noch, welche der Vorformen
*promó-to- oder *prómo-to- des Wortes fremd
die ursprüngliche ist. Da im Aind. die Ableitun-
gen mit dem Suffix *-to- den Akzent des
Grundworts tragen vgl. aind. ápa-tya- : ápa
(s. o.; Wackernagel, Aind. Gr. II, 2, 697 f.) , ist
dies wohl die Variante vorurgerm. *promó-to-
(urgerm. *framaþija-). Danebenstehendes *fra-
mađija- müßte dann durch Suffixwechsel zu-
stande gekommen sein (vgl. die Suffixvarianten
urgerm. *-inga-/-unga- < vorurgerm. *-enkó-,
*-kó-; kuning).

S. fremidôn.

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