framAWB adv., seit dem 8. Jh.: (lokal) ‚weit,
fern, fort‘, (temporal) ‚später, danach‘, (mo-
dal) ‚sehr, ganz (und gar), überaus‘, a, ab, de;
oft durch Adverbien verstärkt; vgl. filu fram,
drâto fram ‚ganz und gar‘, harto filu fram ‚ganz
genau‘, sô fram ‚so sehr, so ganz und gar‘, sô
fram sô ‚so weit wie‘ 〈Var.: frā; frham; Georgsl.
farm mit r-Metathese〉. Ob fram wie Kelle, Ot-
frid-Gl. 146 (danach Ahd. Wb. III, 1213 f.) für
Otfrid 1, 15, 9 tho quam ther sáligo man, in sinen
dágon was iz frám ‚da kam der heilige Mann,
in seinen Tagen war es [schon] fortgeschritten‘
annimmt, Adj. ist, erscheint fraglich. Denn
Adverbien können als Prädikatsnomina grund-
sätzlich in der Funktion eines prädikativen
Adv. erscheinen; vgl. lat. res est palam ‚die Sa-
che ist offenbar‘; nihil clam est ‚nichts ist ge-
heim‘; ahd. Tatian iz spâto uuas ‚es war spät‘
(Hoffmann, Aufsätze zur Indoiranistik II,
339 ff.); vgl. ferner Otfrid 5, 23, 25 Wio hárto
fram thaz gúat ist ‚wie sehr groß die Wonne ist‘
(Adverbien liegen auch Otfrid 4, 20, 10 so frám
‚so heftig‘, 5, 25, 32 filu frám vor). — Mhd. vram
adv. (lokal) ‚fort‘ (z. B. Exodus er fuort si vram
in daz mer), (temporal) ‚sofort, zugleich‘. So-
wohl im Ahd. wie im Mhd. erscheint fram-
bzw. vram- als Verbalpräfix (vgl. ndfrk. fram-)
wie auch als Steigerungspräfix (→ frambâri;
frambringan usw.). Heute lebt es nur mehr in
der Ableitung fremd (→ fremidi) fort.
Ahd. Wb. III, 1211 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 260; Köb-
ler, Wb. d. ahd. Spr. 322 f.; Schützeichel⁵ 139;
Starck-Wells 175. XL. 811. 846; Schützeichel, Glos-
senwortschatz III, 282; Seebold, ChWdW8 135; Graff
III, 638; Schade 219; Lexer III, 489; Benecke III, 392;
Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 1 (a, ab). 170 (de); Dt.
Wb. IV, 1, 1, 56; Kluge²¹ 218; Kluge²⁴ 315; Pfeifer,
Et. Wb.² 373. 378. — G. Krömer, PBB 81 (Halle,
1959), 377 f.
Dem ahd. Adv. fram entsprechen: as. fram ‚fort,
hervor, hinaus, weg‘; afries. frm ‚hervor‘; ae.
fram, from ‚fort, vorwärts, weg‘, me. fram, from
neben fro (aus skand. frá), ne. from (nur in den
veralteten festen Verbindungen to and from
[heute: to and fro], from and back); aisl. fram
‚vorwärts‘ (Kompar. fremr), nisl., nnorw.,
nschwed., adän. fram, ndän. frem ‚vorwärts‘ mit
-e- aus dem Kompar.; got. fram ‚weiter‘ (fram-
aldrs ‚bejahrt‘; Kompar. framis). Daneben
kommt das Wort als Präp. (mit Dat.) vor: as.
Psalmenfragmente from ‚(weg) von, heraus aus‘
(z. B. from helliu ‚ab inferno‘); ae. fram ‚weg -
von, von - her, durch, seit, infolge, betreffs‘,
me., ne. (schott.) fro (s. o.), ne. from (veraltet
auch in der Konjunktion from the time when);
aisl. frá ‚weg von‘, ält. ndän. fraa mit prokliti-
scher Entwicklung aus *frą́ < *fram, aschwed.
frān, nschwed. från, ält. ndän. fran, Kreuzung
aus *frā und *fran < *fram (mit Wandel von
auslautendem *m zu n in der Proklise?); got.
fram ‚von - her, von, bei‘. Im Nordseegerm. und
Nordgerm. findet sich darüber hinaus ein zuge-
höriges Adj.: afries. fram ‚nützlich‘; ae. fram
‚kräftig, kühn, stark‘; aisl. framr ‚tapfer, vor-
züglich‘, nisl. framur, aschwed. framber (aisl. su-
perl. fremstr ‚vorderst, hervorragend‘; vgl. auch
frami m. ‚Ruhm, Vorteil, Ehre‘). Auf einen i-
Stamm weisen ae. freme, aschwed. fræmber ‚her-
vorragend‘ (s. Noreen, Aschwed. Gr. § 424
Anm. 2). Die Bedeutungen des urgerm. Adverbs
*framan und des Adj. *fram-a/i- lassen sich
über die Vorstellung des Nach-vorne-Drängens,
des „Vorwärts“, vermitteln, während die Präp.
den Ausgangspunkt der Bewegung (‚weg von‘)
bezeichnet.
Eine andere Ablautstufe zeigen: afries. forma
‚der erste‘; ae. forma ‚dss.‘; got. fruma (nur sub-
stantivierter Dat. in fram fruma ‚ἀπ‘ [ἐξ] ἀρχῆς‘;
vgl. frumei ‚Anfang‘) neben afries. frum- (frum-
dēde ‚erste Verwundung‘, frumdolch ‚Hauptver-
letzung‘, frumsind ‚der erste Sind‘), ae. frum ‚ur-
sprünglich, erst‘; aisl. frum- ‚dss.‘ (aisl. frum-
burðr ‚dss.‘, frumtígn ‚höchste Ehre‘, frumvaxta
‚gerade erwachsen‘, nnorw. dial. frumvaksen;
vgl. auch aisl. frums- in frumsarbrauð ‚Brot vom
ersten Korn‘), nisl. frum-, nnorw. frum ‚ausge-
zeichnet‘; got. frumabaur ‚Erstgeborener‘ < ur-
germ. *fruma(n)-. Demgegenüber ist das Adj.
mhd. vrom(e), vrum(e) ‚tüchtig, brav, tapfer‘
über ahd. fruma ‚Nutzen‘ (s. d.) anschließbar.
Fick III (Germ.)⁴ 232 f.; Heidermanns, Et. Wb. d.
germ. Primäradj. 209; Holthausen, As. Wb. 22; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 149; Berr, Et. Gl. to Hel. 134; Kyes, Dict.
of O. Low and C. Franc. Ps. 27; Franck, Et. wb. d. ndl.
taal² 760; Vries, Ndls. et. wb. 803; Holthausen, Afries.
Wb.² 31 f.; Holthausen, Ae. et. Wb. 114; Bosworth-
Toller, AS Dict. 330; ME Dict. E-F, 911 ff.; OED²
VI, 210 ff.; Oxf. Dict. of Engl. Et. 378; Vries, Anord.
et. Wb.² 139 f. 144; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 547;
Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog I, 473 f.; Holthau-
sen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 71; Falk-Torp, Norw.-
dän. et. Wb. 270. 273; Ordb. o. d. danske sprog V,
1137 ff.; Torp, Nynorsk et. ordb. 133; Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 242; Svenska akad. ordb. F-1643 ff.;
Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 164. 169 f.; Lehmann, Go-
thic Et. Dict. F-78.
Während das Adj. urgerm. *frama- zusammen
mit gr. πρόμος ‚Vorkämpfer, Führer‘ auf den
Nom. Sg. des uridg. Adj. *promó- zurückgeht,
bildet das Adv. mit umbr. promom ‚zuerst‘ eine
formale Gleichung und beruht auf dem adverbi-
al verwendeten uridg. Akk.Sg.n. *promóm. Zu-
grunde liegt eine Ableitung mit dem u. a. Super-
lative bildenden Suffix *-mó- von der uridg.
Präp. *pro ‚vor‘ (→ fra-, fir-).
Im Aind. werden mittels des betonten Suffixes *-mó-
Adjektive von Lokaladverbien in superlativischer Be-
deutung abgeleitet; vgl. aind. apamá- ‚der entfernteste‘
zu aind. ápa- ‚fern‘ (Wackernagel, Aind. Gr. II, 2,
752).
Dagegen setzt urgerm. *fruma(n)- ‚erster, der
erste‘ ebenso wie einmal überliefertes gr. πράμος
(< *p-mo-), sofern dieses nicht aus πρόμαχος
‚Vorkämpfer‘ gekürzt ist (Wackernagel, a. a. O.
II, 2, 752), und lit. pìrmas ‚erster‘ (< *pr̥̄-mo-
[**pH₂-mo-] eine mo-Ableitung von uridg.
*p/*pr̥̄ [**p(-H₂)] ‚(her-)vor‘ voraus (vgl. gr.
πάρα, παρά ‚daneben, von - her, entlang‘ <
vorurgr. *p-a/*pr̥̄-a [**p(H₂)-a]; gall. are-
‚bei, vor‘ < vorurkelt. *p-e-; arm. ar̄ ‚zu, nach,
bei‘ < *ár̄a wohl < vorurarm. *pr̥̄ [**pH₂]).
Auch air. riam ‚davor‘ (< *prisamo- < *pris-
m̥̄o-; anders Wh. Stokes, BB 23 [1897], 321;
zur Basis *pris vgl. gall. ris ‚vor‘, air. rí, re, jün-
ger rīa ‚vor‘) und lat. prīmus ‚der vorderste, er-
ste‘, pälign. Prismu ‚Prīma‘ (mit Synkope <
*prisemo- < *prism̥̄o- [**pris-H₂o-]) zeigen
dieses Suffix; vgl. ferner den gall. Volksnamen
Rēmī, nkymr. rwyf ‚Prinz‘, mkorn. ruif ‚König‘
(< *prei̯samo-); ebenso die Vorform von aksl.
prěmo ‚vor, gegenüber, ἐναντίον, εἰς, πρός‘,
prěmь ‚richtig, geradeaus, ὀρθῶς‘, aruss. prjamъ
‚gerade, richtig, ehrlich, einfach‘, wobei dann
eine Bedeutungsentwicklung von ‚davor‘ über
‚offen daliegend‘ zu ‚ehrlich‘, ‚einfach‘ eingetre-
ten sein müßte.
Eine andere Bildeweise liegt in aind. prva-, jav.
pauruua-, paouruua-, pouruua- ‚vorderster, er-
ster, früherer‘ (aav. pouruuiia-, jav. paoiriia-
‚erster, anfänglicher, früherer‘, apers. paruviya-
‚vormalig, anfänglich‘), aksl. prьvъ ‚erster‘, alb.
parε ‚dss.‘ < uridg. *pr̥̄-u̯o- [**pH₂-u̯o-] (*pr̥̄-
u̯ii̯o- [**pH₂-u̯ii̯o-]) vor.
Walde-Pokorny II, 37; Pokorny 814; Mann, IE
Comp. Dict. 993; Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. II,
324 f.; ders., Et. Wb. d. Altindoar. II, 157; Hoffmann-
Narten, Archetypus 46; Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 815;
Frisk, Gr. et. Wb. II, 588. 600; Chantraine, Dict. ét.
gr. 941; Hofmann, Et. Wb. d. Gr. 284 f.; Untermann,
Wb. d. Osk.-Umbr. 586; Walde-Hofmann, Lat. et.
Wb. II, 363; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 535; Buck,
Gr. of Oscan and Umbrian 137; Miklosich, Et. Wb. d.
slav. Spr. 263; Vasmer, Russ. et. Wb. II, 455; Sadnik-
Aitzetmüller, Handwb. zu den aksl. Texten 100; Ven-
dryes, Lex. ét. de l’irl. anc. R-10 f. 26 f.; Thurneysen,
Gr. of OIr. 528; Brugmann, Grdr.² II, 467.