gianafenzônAWB sw. v. II, nur in Gl. seit dem
10. Jh.: ‚höhnen, spotten, cavillari, -are‘ 〈Var.:
u-, uu-, w-; -inz-〉. Das Wort ist wohl ein de-
nominatives Verb zu einem nicht belegten No-
men agentis *anafenz(e)o (s. u.). S. auch giana-
fenzôd m. ‚Spöttelei, Verhöhnung, cavillatio,
derisio‘.
Vergleichbar sind mhd. anvanz ‚Betrug‘, vanz
‚Schalk, Betrug‘, nhd. mdartl. schweiz. fanz
‚mutwilliger, toller Einfall, Possenmacher, mut-
williger Mensch‘, vorarlb. fanz (nur im Pl.)
‚Neckereien, böswillige Absichten‘, schwäb.
fanz ‚Neckerei, Späße, Grillen, Possen (pl.),
Kerl, Bursche‘, fänz(e)len ‚necken, foppen, aus-
lachen‘, bad. fänz (pl.) ‚leere Sprüche, Flausen,
Lügen‘, bair. fanz, fenz, ‚nebulo, nequam‘, fen-
zeln ‚einen zum Besten haben, sich über ihn lu-
stig machen‘, rhein. fanz ‚toller Kerl‘, pfälz. fän-
ze (pl.) ‚dummes Zeug, Possen, Narreteien‘.
Auch das Mndd. kennt diese Wörter als hochdt.
Fremdwörter: an(e)vanz ‚Possen, Betrug‘, an-
vanzen ‚angreifen‘ (nur in jüngeren Quellen),
viell. auch vanz ‚Kleinigkeiten, unbedeutende,
wertlose Dinge(?)‘ (vgl. Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 84. 650).
Die Herkunft dieser Wörter ist dunkel. Sie kön-
nen nicht wie nhd. (veraltet) fant (→ fendo) aus
italien. fante ‚Bursche, Fußsoldat, Bauer‘ (< lat.
infantem ‚Kind‘) entlehnt sein (wie u. a. Falk-
Torp, Norw.-dän. et. Wb. 205 vermuten): schon
im 10. Jh. (!) war diese Sippe in der dt. Sprache
so fest eingebürgert, daß ein zusammengesetztes
Verb dazu gebildet wurde.
Möglicherweise handelt es sich um eine Bildung
mit intensiver Konsonantengemination (vgl.
Krahe-Meide, Germ. Sprachwiss. I § 111) zur
Verbalwz. in ahd. fantôn und findan (s. d. d.).
Die Sippe von ahd. fantôn hat in den älteren
germ. Sprachen eine Vielfalt von (z. T. positiven,
z. T. negativen) Bed.: ‚untersuchen, besuchen,
versuchen, heimsuchen, angreifen‘, wohl aus ei-
ner ursprl. Bed. ‚zu finden sich bemühen‘ (zur
Entwicklung der pejorativen Bed. vgl. nhd.
heimsuchen, ne. visit); ahd. bifantôn (s. d.) glos-
siert lat. detractare, wohl in der Bed. ‚verleum-
den, herabsetzen‘ (Gl. 1, 112, 31 [Abrogans]; vgl.
Splett, Abrogans-Studien 178). Das nahver-
wandte Verb findan (s. d.) bedeutet u. a. ‚ersin-
nen‘ (oft im Kontext ‚Böses ersinnen‘; vgl. Not-
ker, Ps. 82, 4 sie fúnden árgen rât . uber dînen
líut); dazu gehören auch findunga und funtan-
nissa ‚böser, listiger Gedanke, adinventio‘
(s. d. d.).
Es ist fraglich, ob ein intensives Verb *fanddōn-
> *fant(t)ōn- > *fanzōn ‚sich bemühen, Böses
zu ersinnen‘ neben fantôn existierte, aber die
Nomina *fanz ‚böse, hinterlistige Absichten‘,
*fanzo, *fenz(e)o ‚der Boshafte, Hinterlistige‘
sind wohl für das Ahd. anzunehmen; dazu ge-
hören mhd. anvanz ‚Betrug‘ wie auch ahd.
*anafenz(e)o ‚jmd., der andere auf boshafte,
hinterlistige Weise behandelt‘, wozu das Verb
gianafenzôn gebildet wurde. Im Mhd. mischte
sich diese Sippe wohl mit mhd. alevanz ‚Betrug‘
(< italien. all’avanzo ‚zum Vorteil‘; vgl. Kluge²⁴
29 s. v. alfanzen).
Spätaisl. fantr ‚Diener, Bote, Strolch‘ gehört
nicht hierher, sondern ist aus mndd. fant (nur in
der Bed. ‚Kriegerschar‘ belegt) entlehnt; vgl.
nhd. (veraltet) fant (s. o.) und → fendo.
Ahd. Wb. III, 737; Splett, Ahd. Wb. I, 223; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 371; Starck-Wells 147; Schützeichel,
Glossenwortschatz III, 116; Lexer I, 84; III, 19; Benek-
ke III, 236; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 96 (cavillare);
Dt. Wb. III, 1320; Weigand, Dt. Wb.⁵ I, 37 f. —
Schweiz. Id. I, 877; Jutz, Vorarlberg. Wb. I, 770; Fi-
scher, Schwäb. Wb. II, 944; Ochs, Bad. Wb. II, 14;
Schmeller, Bayer. Wb.² I, 735 f.; Müller, Rhein. Wb.
II, 293; Christmann, Pfälz. Wb. II, 1039. — K. v. Bah-
der, PBB 22 (1897), 527—536; O. Weise, Zfdt. Wortf.
3 (1902), 123 f.