hârAWB n. a-St., seit dem 8. Jh. in Gl., bei
N, O, in OT, T, WH: ‚Haar, Haupt-, Körper-
haar, volles Kopfhaar, Borste, Mähne; cae-
saries, capillus, crinis, lanugo, pellicia, pi-
lus, saeta‘ 〈Var.: -aa-〉. Der Pl. wird sekun-
där auch mit der als Pl.-Markierung aufge-
faßten Endung der urgerm. *-iz-/-az-Stämme
gebildet: harir (Braune-Reiffenstein 2004:
§ 197; Schatz 1927: § 323); aus dieser Form
erklärt sich der mhd. seltenere Pl. hær(er)
und der frühnhd. seltene Pl. här. — Mhd. hâr
st. n. ‚Haar‘, nhd. Haar n. ‚beim Menschen
und bei den meisten Säugetieren auf der
Haut wachsendes fadenförmiges, biegsames
Horngebilde‘, teils auch f. ‚das einzelne
Haar‘.
Ahd. Wb. 4, 708 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 354 f.; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 517; Schützeichel⁶ 149; Starck-Wells
255. XLII; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 168 f.;
Seebold, ChWdW8 154; Graff 4, 981 f.; Lexer 1,
1182; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 82 (caesaries). 88
(capillus). 160 (crinis). 367 (lanugo). 473 (pelli-
cia[e]). 492 (pilus). 583 (saeta); Dt. Wb. 10, 7 ff.;
Kluge²¹ 278; Kluge²⁴ s. v.; Pfeifer, Et. Wb.² 490.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
as., mndd. hār ‚Haar‘; mndl. haer, nndl.
haar ‚Haar‘; afries. hēr, nfries. hier ‚Haar‘;
ae. hǣr, me. hēr, ne. hair ‚Haar‘; aisl., nisl.,
fär. hár, nnorw. haar, ndän., nschwed. hår
‚Haar‘: < urgerm. *χēra-.
Wenig überzeugend ist die von E. Seebold, in Düwel
1994: 71 vorgeschlagene Interpretation von run. harja
(Kamm von Vimose; ca. 150—160 n. Chr.) als Akk.Sg.
eines sonst im Germ. nicht belegten Wortes für
‚Kamm‘, das seine nächste Parallele in lit. šerỹs ‚Bor-
ste, Haar‘ hätte. Denn die Annahme eines Akk.Sg.
(‚ich habe den Kamm gemacht‘) ist unwahrscheinlich.
Auch wäre so früh die Sieverssche Variante -ija nach
langer Silbe zu erwarten. Die von A. Kabell, ZDA 102
(1973), 4 vorgeschlagene Deutung als ‚das zu den
Haaren Gehörige‘ ist mit der Funktion des Suffixes
nicht vereinbar. harja ist vielmehr eine Ableitung von
heri ‚Heer‘ (s. d.).
Fick 3 (Germ.)⁴ 75; Holthausen, As. Wb. 31; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 220; Berr, Et. Gl. to Hel. 176; Wadstein,
Kl. as. Spr.denkm. 85. 190; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 2, 1, 231 f.; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 2,
204 f.; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 3, 9 ff.; Franck, Et.
wb. d. ndl. taal² 223; Suppl. 63; Vries, Ndls. et. wb.
223; Et. wb. Ndl. F-Ka 360; Holthausen, Afries. Wb.²
42; Richthofen, Afries. Wb. 807 f.; Fryske wb. 8,
322 ff.; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. 2,
37; Dijkstra, Friesch Wb. 1, 514; Holthausen, Ae. et.
Wb. 145; Bosworth-Toller, AS Dict. 501; Suppl. 498;
Suppl. 2, 39; ME Dict. s. v.; OED² s. v.; Vries, Anord.
et. Wb.² 210; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 238 f.; Fritzner,
Ordb. o. d. g. norske sprog 1, 732; Holthausen, Vgl.
Wb. d. Awestnord. 106; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb.
1, 369; Nielsen, Dansk et. ordb. 201; Ordb. o. d.
danske sprog 7, 638 ff.; Torp, Nynorsk et. ordb. 204;
Hellquist, Svensk et. ordb.³ 381; Svenska akad. ordb.
s. v. — Bammesberger 1990: 96.
Die weitere Etymologie von urgerm. *χēra-
ist nicht sicher. Es stehen sich mehrere Vor-
schläge gegenüber:
1. Semantisch naheliegend ist die Verknüp-
fung von urgerm. *χēra- mit lit. šerỹs ‚Bor-
ste, (Tier-)Haar‘ < *k̂erii̯o- (dazu ablautend
lit. širỹs ‚Haar‘ < *k̂rii̯o-), lett. sars (pl. sari)
‚(Schweine-)Borste, Mähne, Haar‘ < *k̂or-
so-. Dazu könnte als Weiterbildung auch die
Gruppe um ahd. hurst ‚Gebüsch‘ (s. d.) ge-
hören. Jedoch bleiben die genauen morpho-
logischen Beziehungen zwischen den unter-
schiedlichen Ablautstufen unklar (so ist die
Annahme einer Vddhi-Bildung im Germ.
nicht zu erweisen, da kein Bedeutungsunter-
schied besteht).
2. Daneben ist eine Verknüpfung mit dem
Verb uridg. *kes- ‚ordnen‘ (→ haro) mög-
lich. Denn eine Ableitung mit der Bedeutung
‚Haar‘ begegnet in dem lat.-germ. VN Has-
dingi ‚die Männer mit dem Frauenhaar‘ mit
-ă- (→ haro). Eine Motivation für die dehn-
stufige Bildung ist aber nicht offensichtlich.
3. Ebenfalls denkbar wäre die Verbindung
mit der Wurzel *k̂er- ‚Kopf, Haupt‘ (→ hir-
ni), entweder als Vddhi-Bildung (‚was zum
Kopf gehört‘) oder als dehnstufige Ableitung
*k̂ēr(h₂)-ó- (vgl. hierzu Nussbaum 1986:
116).
Walde-Pokorny 1, 427; Pokorny 583; LIV² 357;
Fraenkel, Lit. et. Wb. 973; Mühlenbach-Endzelin,
Lett.-dt. Wb. 3, 722.