hamo¹AWB m. n-St., seit dem 12. Jh. in Gl.:
‚sackförmiges Fangnetz für den Fischfang;
cassis‘. Die einmalige Schreibung hâmo (Gl.
3,165,40; zur Hs. vgl. Bergmann-Stricker,
Katalog Nr. 945), die aus dem 13. Jh.
stammt, ist wohl als Folge der mhd. Deh-
nung in offener Tonsilbe aufzufassen (Paul
2007: § L20). In der ursprünglichen Bedeu-
tung ‚Hülle‘ findet sich das Wort nur in den
Komposita aschamo, gundhamo und lîcha-
mo (s.dd.). — Mhd. ham(e) sw. m. ‚Haut, Hül-
le, Kleid, sackförmiges Fangnetz‘ (zum Aus-
fall von e nach m vgl. Paul 2007: § M10
Anm. 6), nhd. (mit dem Eindringen von n aus
den obliquen Kasus) Hamen m. ‚Netz, Fang-
garn‘. Die im Dt. abweichende Bedeutung ist
als spezialisierte Bedeutung der Jägersprache
zu verstehen (wie auch das Wort Tuch dort
in der Bedeutung ‚Stelltuch für die Treib-
jagd‘ verwendet wird); die Bezeichnung
stellt eine Übertragung der Bedeutung ‚Hül-
le‘ dar (vgl. Heyne 1899—1908: 4, 254).
Ahd. Wb. 4, 668; Splett, Ahd. Wb. 1, 349 f.; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 512 f.; Starck-Wells 252; Schützeichel,
Glossenwortschatz 4, 145 (dort sind hamo¹ und hamo²
unter einem Lemma zusammengestellt); Graff 4, 946;
Lexer 1, 1162; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 92 (cassis); Dt.
Wb. 10, 306 f.; Kluge²¹ 286; Kluge²⁴ s. v.; Pfeifer, Et.
Wb.² 502.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
as. -hamo (in feđarhamo ‚Federgewand‘,
līkhamo ‚Leib, Leichnam‘), mndd. hāme m.
‚beutelförmiges Stellnetz, Fangsack, Decke,
(Samen-)Hülse, Kummetgeschirr‘; mndl.
hame ‚Joch aus Leder oder Holz für Zieh-
pferde‘, -hame (nur in lichame ‚Leib, Leich-
nam‘), frühnndl. (Kiliaan) hamme ‚Nachge-
burt, Kindesbalg‘, nndl. haam ‚Netz, hölzer-
nes Band um dem Hals eines Pferdes‘,
-haam (nur in lichaam ‚Leib, Leichnam‘; die
Aussprache /χ/ für die Schreibung 〈ch〉 be-
ruht auf vulgärer Aussprache der Folge /k-
h/); afries. -hama, -homa (in hertha/oma
‚Zwerchfell, Herzbeutel‘, līkha/oma ‚Leib,
Leichnam‘), nfries. -hem (in lichem ‚Körper‘
mit derselben Aussprache wie im Nndl.); ae.
hama ‚Gewand, Kleidung, Haut, Leib, Kind-
bett‘, -hama (u. a. in līchama ‚Leib, Leich-
nam‘), me. hāme ‚Haut, Membrane‘, ne. ob-
solet oder dial. heam ‚Nachgeburt‘; aisl.,
nisl. -ami (in líkami ‚Körper, Leichnam‘),
fär., nnorw. -am (in likam ‚Körper, Leich-
nam‘), ndän. hamme ‚Reuse‘, -eme (in lege-
me ‚Körper, Leichnam‘), aschwed. -ame(n)
(in li/ekame[n] ‚Körper, Leichnam‘),
nschwed. -am[en] (in lekam[en] ‚Körper,
Leichnam‘): < urgerm. *χaman- m. ‚Hülle‘.
Urgerm. *χaman- ist eine Weiterbildung mit
dem Konkreta bildenden Suffix urgerm. *-n-
(zum Suffix vgl. Krahe-Meid 1969: 3, § 91,
6) von urgerm. *χama-, fortgesetzt in: mndd.
ham ‚Decke, Hülle, Hülse, Nachgeburt, Kin-
desbalg‘; ae. ham ‚Unterkleid‘; aisl. hamr
(bei Noreen [1923] 1970: § 387 [und Anm. 2]
irrtümlich als i-St. eingeordnet; jedoch kann
der Dat.Sg. der a-St. auch endungslos sein;
vgl. Noreen [1923] 1970: § 358, 3), nisl., fär.
hamur, nnorw., ndän. ham, nschwed. hamn
(mit sekundärem Anschluß im Auslaut an
hamn ‚Hafen‘; → havan) ‚Hülle, Haut, Ge-
stalt, Balg, Gespenst‘, auch als Komposi-
tionshinterglied in aisl. -amr (in líkamr
‚Körper, Leichnam‘) und aschwed.
-(h)amber (in lik[h]amber ‚Körper, Leich-
nam‘).
Aus dem Nordgerm. sind finn. hame ‚Frau-
enrock, (Frauen-)Kleidung‘, estn. hame
‚Hemd‘ entlehnt (Thomsen 1870: 2, 175).
Weniger wahrscheinlich, da auch selbständig vor-
kommend, ist die Annahme, daß der n-St. durch die
Komposition bedingt ist (Schubert 1968: 82).
Andere Weiterbildungen begegnen in: got.
-hamon ‚-kleiden‘ (für das Got. kann ein
Subst. *hams ‚Hülle‘ erschlossen werden,
zur Ableitung von ōn-Verben von a-
Stämmen vgl. ahd. badôn : bad [s.dd.]), aisl.,
nisl., fär., nnorw. hamast ‚die äußere Er-
scheinung eines anderen annehmen, in Ber-
serkerwut geraten‘, nnorw. dial. hama ‚einer
Sache Aussehen, Ordnung, Schmuck verlei-
hen‘ < urgerm. *-χamōi̯e/a-; aisl. hams
‚Fruchtschale, Schlangenhaut‘, nisl., nnorw.,
nschwed. hams, ndän. hams(e) ‚Schale, Hül-
se‘ < urgerm. *χama/isa- ‚Schale, Hülle‘
(Krahe-Meid 1969: 3, § 113, 2); urgerm.
*χamiþi̯a- ‚Hemd‘ (→ hemidi).
Fick 3 (Germ.)⁴ 74; Holthausen, As. Wb. 19. 30. 46;
Sehrt, Wb. z. Hel.² 123. 338 f.; Berr, Et. Gl. to Hel. 110.
173. 247; Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 14 ff. 189. 204;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 209; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 2, 182 f.; Verwijs-Verdam, Mndl.
wb. 3, 65; 4, 453 ff.; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 222.
382 f.; Suppl. 63; Vries, Ndls. et. wb. 229. 396 f.; Holt-
hausen, Afries. Wb.² 38. 43. 66. 160; Richthofen, Afries.
Wb. 795. 817. 823. 902; Fryske wb. 12, 251; Doornkaat
Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. 2, 502; Dijkstra, Friesch
Wb. 2, 118; Holthausen, Ae. et. Wb. 148. 200;
Bosworth-Toller, AS Dict. 506. 637; Suppl. 504 f. 615 f.;
Suppl. 2, 39; ME Dict. s.vv.; OED² s.vv. †hame¹.
†heam; Vries, Anord. et. Wb.² 207 f. 356; Bjorvand,
Våre arveord 342; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 209 f. 734;
Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 1, 718; 2, 520;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 105. 181; Falk-
Torp, Norw.-dän. et. Wb. 1, 376; Ordb. o. d. danske
sprog 7, 794 f. 798. 812; Torp, Nynorsk et. ordb. 196.
379; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 331. 567; Svenska
akad. ordb. s.vv.; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 6. 243;
Lehmann, Gothic Et. Dict. A-18; Kylstra, Lehnwörter 1,
77 f. — R. Meringer, WuS 5 (1913), 145 ff.; Schubert
1968: 81 f.
Urgerm. *χaman- < vorurgerm. *komo(+n)-
stellt eine Ableitung mit dem Nomina actio-
nis bildenden Suffix urgerm. *-a- (zum Suf-
fix vgl. Krahe-Meid 1969: 3, § 68, 2) von ei-
ner im Urgerm. nicht verbal fortgesetzten
Wurzel *χem- < uridg. *k̂/kem- ‚bedecken,
verhüllen‘ dar; wenn ai. (nur RV 10, 85, 29)
śāmulyà-/- ‚Gewand (der Braut)‘ zugehörig
ist, wäre die Wurzel als uridg. *k̂em- anzu-
setzen.
Walde-Pokorny 1, 386 f.; Pokorny 556 f.; Mayrhofer, K.
et. Wb. d. Aind. 3, 325; ders., Et. Wb. d. Altindoar. 2,
630. — Lühr 2000: 127.