huonAWB n. a-St., in Gl. seit dem 1. Viertel
des 9. Jh.s, bei O: ‚Huhn, Hühnchen; pullus‘,
wildiz huon ‚wildes Huhn; volucris‘ (Gl.
1,648,67, Clm. 22201, 12. Jh.; zur Überset-
zung vgl. Matzel 1957: 35) 〈Var.: hon, hun,
-ua-, -ow-; nom.pl. honir〉. hunt in Gl.
3,459,3 (Paris, Lat. 9344, um 1000/11. Jh.,
mfrk.; vgl. auch rebhount [Gl. 3,459,4 in
derselben Hs.], rebhunt [Gl. 3,24,26, Cod.
14745, 14. Jh., obd.] → rebahuon ‚Reb-
huhn‘) ist mit einem etymologisch nicht be-
rechtigten -t gebildet. — Mhd. huon, hôn st. n.
(pl. hüener) ‚Huhn‘, auch zur Verstärkung
der Negation nicht ein huon ‚überhaupt
nichts‘, in Vergleichen zur Bezeichnung der
Orientierungslosigkeit als ein toubez huon,
nhd. Huhn n. ‚Haushuhn‘, mdartl. schweiz.
hu(e)d, pl. hüender (neben huen, hüener),
rhein. hont (neben regelrechtem huhn) mit
unetymologischem -t (s. o.; Schweiz. Id. 2,
1370; Müller, Rhein. Wb. 3, 901), in zahlrei-
chen Redewendungen (z. B. die Hühner mel-
ken wollen ‚etwas Vergebliches unternehmen
wollen‘, mit den Hühnern zu Bett gehen ‚sich
zeitig schlafen legen‘, da lachen [ja] die
Hühner ‚das ist unsinnig, lächerlich‘).
Ahd. Wb. 4, 1381 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 351; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 571; Schützeichel⁶ 171; Starck-Wells
293; Schützeichel, Glossenwortschatz 4, 451; Berg-
mann-Stricker, Katalog Nr. 610. 681. 752; Graff 4, 958;
Lexer 1, 1391; 3, Nachtr. 252; Dt. Wb. 10, 1875 ff.;
Kluge²¹ 282 (s. v. Hahn); Kluge²⁴ s. v.; Pfeifer, Et. Wb.²
560. — Suolahti [1909] 2000: 228. 231; Neuß 1973:
108 f.; RGA² 15, 202—204. — Friedrich 2006: 230 f.;
Röhrich 2004: 2, 751 ff.
Das ahd. Wort hat in weiteren westgerm.
Sprachen und im Nordgerm. Entsprechungen:
as. hōn st. n. ‚Huhn‘, mndd. hōn, hn n.
‚Haushuhn, Henne‘; andfrk. im Beinamen
Honre-crop ‚Hühnerkropf‘ (a. 1070; s. F.
Debrabandere, Leiegouw 22 [1980], 49),
mndl. hoen n. (pl. hoenre, hoener) ‚Huhn‘,
nndl. hoen n. ‚Huhn‘; ae. nur in ON wie Hens-
brōc, heute Henbrook, Worcestershire (Ur-
kunde a. 770, mit Kürzung aus *hēns; vgl.
Brunner 1965: § 288 Anm. 8).
Im Nordgerm. ist das Wort ein Pluraletantum:
aisl. hœns n. a-St. (< s-St.; vgl. Darms 1978:
129), hœnsn, hœsn (mit Schwund von n vor s;
vgl. Noreen [1923] 1970: § 299, 4) ‚Hühner‘,
nisl. hœnsni, norw. høns, dän. høns, nschwed.
höns ‚Hühner‘.
Ahd. huon usw. < urgerm. *χōnan- gehört zu
ahd. hano ‚Hahn‘ (s. d.) und seinen Verwand-
ten.
Anders E. P. Hamp, NTS 28 (1974), 6 Anm. 2, der mit
nicht überzeugenden Argumenten urgerm. *χōna- (An-
satz *χōni-) von *χanan- (→ hano) trennt und zu lat.
ciconia f. ‚Storch‘ und russ. kanjúk, kánja ‚Weihe‘
stellt.
Von der Wortbildung her ist urgerm. *χōnan-
eine dehnstufige Bildung, eine Vddhi-
ableitung, zu *χanan-. Da n-Stämme bei der
Vddhibildung von der Schwundstufe des Suf-
fixes aus thematisiert werden (vgl. ai. pūṣán-
m. ‚Name eines Gottes‘ mit hochstufigem -an-
: pauṣṇá- ‚zu pūṣán- gehörig‘ mit schwund-
stufigem -n-; Wackernagel [1896—1964]
1954—87: 2, 2, 125), ist zunächst *χōn-n-a- zu
erwarten. Mit Vereinfachung der Geminata
nach Langvokal ergibt sich urgerm. *χōnan-.
Nach Bammesberger 1990: 176 f. wäre aus urgerm.
*χōn-n-a- mit Osthoffscher Kürzung *χanna- entstan-
den, doch tritt eine Vokalkürzung gemäß Osthoff nur
vor Resonant + Konsonant ein, nicht aber vor Doppelre-
sonant.
Für die Vddhiableitung urgerm. *χōnan- n. ist
eine kollektive Bedeutung ‚Hausgeflügel‘ an-
zunehmen (vgl. demgegenüber *χanni̯ōn- f.
als die ‚zum *χanan- [Hahn] Gehörige‘ →
henna). Der Pl. ahd. huonir und das Plurale-
tantum aisl. hœns < urgerm. *χōniz- weisen
auf einen *-iz/az-St. Dieser muß aber erst se-
kundär gebildet sein, da Dehnstufe und s-
Stamm nicht miteinander vereinbar sind. Die
Pluralflexion ist bei diesem Kollektivbegriff
wohl dann aufgekommen, als das junge Ein-
zeltier der Gattung „Hausgeflügel“ bezeichnet
wurde. Dabei war ein Anschluß an die n.
*-iz/az-St. zur Bezeichnung von Jungtieren
naheliegend (vgl. ahd. lamb : lembir, kalb :
kelbir; s.dd.). Die Bedeutungsverschiebung
vom Kollektiv zum Singulativ ist also der
Grund für einen Übertritt in die *-iz/az-
Stämme. Die urspr. Form des Stammes war
urgerm. *χōnan- n. (vgl. Darms 1978: 131).
Fick 3 (Germ.)⁴ 69 f.; Holthausen, As. Wb. 36; Wad-
stein, Kl. as. Spr.denkm. 24. 29. 32. 37. 39. 193; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 348; Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. 2, 293; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 3, 475;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 255; Vries, Ndls. et. wb.
260; Et. wb. Ndl. F-Ka 441; Vries, Anord. et. Wb.² 278;
Bjorvand, Våre arveord 418; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
191; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog 2, 160; Holt-
hausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 139; Falk-Torp, Norw.-
dän. et. Wb. 1, 453; Nielsen, Dansk et. ordb. 174 (s. v.
hane); Ordb. o. d. danske sprog 8, 1250 ff.; Torp, Ny-
norsk et. ordb. 239; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 395;
Svenska akad. ordb. s. v. — Walde-Pokorny 1, 351; Po-
korny 526. — M. Leumann, IF 61 (1952), 9 f.;
Kuryłowicz 1956: 159; Krahe-Meid 1969: 3, § 61; W.
Schenker, PBB 93 (Tübingen, 1971), 46—58; Darms
1978: 124—133; Bammesberger 1990: 176 f.; KS Schle-
rath 2000: 2, 762 f.
Weiteres zur Etymologie s. hano.