bîzanAWB st. v. I ‚beißen, benagen, stechen (von
Insekten), schmerzen, quälen, peinigen, ansta-
cheln, mordere, attondere, rodere, comedere‘
〈präs. bîz(z)-, pîz(z)-; prät. beiz, peiz; -biz-
zum, pizzum; part. prät. gipizzan, -bizzan〉. —
Mhd. bîzen, nhd. beißen.
Ahd. Wb. I, 1158 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 73; Schütz-
eichel⁴ 77; Starck-Wells 62; Graff III, 228 f.; Schade
72; Lexer I, 293; Benecke I, 192; Dt. Wb. I, 1399;
Kluge²¹ 63; Kluge²² 72; Pfeifer, Et. Wb. 146. — Zur
Lautgeographie von nhd. beißen s. Dt. Sprachatlas
Karte 6. 31.
Das ahd. Wort hat lautgerechte Verwandte in
sämtlichen germ. Dialekten: as. bītan, mndd. bī-
ten; mndl. bīten, nndl. bijten; afries. bīta,
nfries. bīten; ae. bītan ‚beißen, reißen, schnei-
den, verwunden‘, me. bīten, ne. bite; aisl. bíta
‚beißen, schneiden, kreuzen (vom Schiff), ver-
derben‘, nnorw. nschwed. bīta, ndän. bide; got.
beitan.
Seebold, Germ. st. Verben 96 ff.; Fick III (Germ.)⁴
270; Holthausen, As. Wb. 8; Sehrt, Wb. z. Hel.² 54;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 286; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 345 f.; Verdam, Mndl.
handwb. 100; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 65 f.; Vries,
Ndls. et. wb. 58 f.; Holthausen, Afries. Wb.² 9; Richt-
hofen, Afries. Wb. 648; Doornkaat Koolman, Wb. d.
ostfries. Spr. 173 f.; Holthausen, Ae. et. Wb. 24; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 105; Suppl. 95; Suppl. II, 11;
ME Dict. A—B, 917; OED² II, 228; Oxf. Dict. of Engl.
Et. 97; Vries, Anord. et. Wb.² 38; Jóhannesson, Isl. et.
Wb. 602; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 17;
Torp, Nynorsk et. ordb. 25; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 44; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 87; Lehmann,
Gothic Et. Dict. B-41.
Die germ. Belege ergeben urgerm. Grundformen
wie *īt- : *ait- : *it-, die auf idg. *bhei̯d- :
*bhoi̯d- : *bhi̯d- ‚spalten‘ zurückzuführen und
vor allem im Aind., Airan., Griech., Lat. und
wohl auch Kelt. vertreten sind:
Aind. (mit Nasalinfix wie lat., aber athematisch)
bhinátti ‚spaltet, zerschlägt, durchsticht, bricht
ein‘, 1. sg. bhinádmi, 3. pl. bhindánti (vgl. lat.
findunt), perf. bibhéda, part. prät. bhinná- (mit
-nn- < -dn-, s. Thumb, Handb. d. Sanskrit
§ 120. 620; daneben mit t-Suffix *bhittó- und
Ableit. = lat. fissus ‚gespalten‘); dazu das Mor-
phem -bhid- (in Zss.) ‚zermalmend, zerbre-
chend‘. Auch im Avest. erscheint -bid- in Zss.,
etwa in astōbid- ‚wobei ein Knochen gebrochen
oder geschädigt wird‘.
Im Griech. ist das mediale φείδομαι (mit redupl.
Aorist homer. πεφιδέσθαι) ‚(ver)schonen, (sich
ab)sparen, (womit) sparsam umgehen, knau-
sern‘ zweifellos verwandt sowie eine ganze An-
zahl damit zs.hängender Bildungen, aber die
spezielle Bedeutung scheint doch noch immer
nicht befriedigend geklärt: entweder = ‚sich
(für seinen Teil) ausschließen‘ (s. Prellwitz, Et.
Wb. d. gr. Spr.² 484 f.; Brugmann, Grdr.² II, 3,
118; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 235), oder
mit größerer Wahrscheinlichkeit, = ‚sich (et-
was) abzwacken, verkneifen‘, s. Walde-Pokorny
II, 138; Pokorny 116; P. Persson, IF 35 (1915),
214 f.: vergleichbar slov. ščedljìv adj. ‚sparsam,
knauserig, abzwackend‘ zur Wz. *sk(h)ed- ‚spal-
ten‘ (Walde-Pokorny II, 558 f.).
Oder aber, und wohl am wenigsten einleuchtend,
nimmt man seine Zuflucht zu einer anderen Wz.,
*bhāi̯- : *bhǝi̯- ‚sich fürchten, scheuen‘, so A. Fick,
Zfvgl.Spr. 41 (1907), 201; ähnlich F. A. Wood, Class.
Phil. 3 (1908), 79 (zur Wz. *bhei̯- ‚shrink, fear‘, Wal-
de-Pokorny II, 124 f.). Feist a. a. O. schließt Ver-
wandtschaft von gr. φείδομαι zu Unrecht aus; auch
Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 1019 scheint verfehlt.
Klarer, auch unter semantischen Gesichtspunk-
ten, liegen die Zs.hänge mit dem Lat.: findit ‚er
spaltet‘ (prät. fidī) mit präs. Nasalinfix und the-
matisch wie Pāli bhindati; die thematischen For-
men mögen schon ursprünglich sein (s. Walde-
Hofmann, Lat. et. Wb. I, 500 f.; Mayrhofer, K.
et. Wb. d. Aind. II, 501), oder der Wandel vom
Athematischen zum Thematischen ging von den
Pluralformen aus (lat. findunt, aind. bhindánti),
s. Brugmann, Grdr.² II, 3, 277. 279.
Umstritten sind frühere Versuche, die Wz. *bhid-
auch im Kelt. wiederzufinden, und zwar verbaut in ei-
nem substant. part. prät. air. bibdu ‚damnatus, reus,
Schuldiger‘, akymr. bibid, mbret. beuez, für das eine
Grundform *bhibhidwōt- ‚einer, der geschädigt hat‘
angesetzt zu werden pflegte (s. Pedersen, Vgl. Gr. d.
kelt. Spr. I § 334; Thurneysen, Gr. of OIr. § 203; Ven-
dryes, Lex. ét. de l’irl. anc. B-49 (unsicher); ablehnend
Walde-Pokorny II, 139; Pokorny 112, die statt dessen
auf die Basis *bhau̯-d- verweisen); → agabûz.
Wie die Übersicht zeigt, hat die semantische
Einengung des Wortes — in der Hauptsache auf
das ‚Beißen mit den Zähnen‘ — nur im Germ.
stattgefunden, während in den übrigen idg.
Sprachen eher die Tendenz zur Verallgemeine-
rung sich bemerkbar macht. Kaum je mit Sicher-
heit zu beantworten bleibt wohl die Frage, ob
die hier zugrundegelegte Wz. *bhei̯-d- durch
Dentalerweiterung aus *bhei̯- ‚schlagen‘ (Po-
korny 117 *bhei[ǝ]-, bhī-) entstanden ist; Pers-
son, Stud. z. Wurzelerw. 178; Seebold a. a. O. 98
sowie H. Osthoff, Verhandlungen d. 41. Ver-
sammlung dt. Schulmänner 303 haben sich dafür
ausgesprochen, Walde-Pokorny II, 139, Po-
korny 117 und Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I,
501. 504 sprechen nur von einer Möglichkeit.
Walde-Pokorny II, 138; Pokorny 116; Mayrhofer, K.
et. Wb. d. Aind. II, 500 f.; ders., Et. Wb. d. Altindoar.
II, 273 f.; Uhlenbeck, K. et. Wb. d. aind. Spr. 201;
Bartholomae, Airan. Wb. 214; Frisk, Gr. et. Wb. II,
999 f.; Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 1019; Chantraine, Dict.
ét. gr. 1185; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 500 f.;
Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 235.