bibên
Band II, Spalte 9
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bibênAWB sw. v. III beben, zittern, zagen, tre-
mere, tremulare, pavitare, palpitare, vacillare
;
auch zurückbeben (vor etwas), zögernd oder
zitternd herangehen (an etwas), trepidare

Var.: pib-, pip-; bibonda part.präs. nom.
pl. m., Notker, W.Ps., zeigt nur späte Schwan-
kung der unbetonten Vokale und beweist keine
ōn-Flexion; vgl. J. Schatz, Sievers-Festschrift
(1925), 358. Auch im Mhd. hält sich -i- wei-
ter als Stammvokal: biben sw. v. beben (nur
Eneit 269, 30 beben); zur Senkung des -i- zu
-e- im Mdt. s. Michels, Mhd. El.buch3-4 § 85
bes. Anm. 4. Erst frühnhd. breiten sich For-
men mit -e- in der Stammsilbe vom Ndd. her
über den Süden hinaus (s. Moser, Frühnhd.
Gr. § 72 bes. S. 132), schon Luther hat nur be-
ben, s. Dietz, Wb. z. Luthers dt. Schriften 218;
die Form bidmen (bedmen) begegnet nur in
Schriften Luthers, deren Herausgabe er nicht
selbst besorgte, Dietz 301. Die Hochsprache
der Gegenwart kennt nur beben, aber in den
obd. Mdaa. herrschen neben vereinzelten Bele-
gen von biben (vgl. z. B. Schmeller, Bayer.
Wb.² I, 190) Entsprechungen von ahd. bibi-
nôn: bib(e)nen, bidmen usw. Weiteres bibi-
nôn
.

Ahd. Wb. I, 996 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 59; Schütz-
eichel⁴ 75; Starck-Wells 51. 792; Graff III, 21; Schade
59; Lexer I, 263; Benecke I, 114 f.; Diefenbach, Gl.
lat.-germ. I, 594; Dt. Wb. I, 1050 f. 1209 f. 1806 (bi-
ben); Kluge²¹ 58; Kluge²² 66 f.; Pfeifer, Et. Wb. 136.

Ahd. bibên hat mit Ausnahme des Got. sprach-
liche Verwandte in sämtlichen germ. Dialekten:
as. bion, bivon (s. Wadstein, Kl. as. Spr.
denkm. 104, 82; 173), mndd. bēven; (vgl.
andfrk. bivunga, bivonga f. tremor; Helten,
Aostndfrk. Ps.frg. 97), mndl. nndl. bēven; afries.
bevia (älter bivia), beva; ae. bifian, biofian,
beofian, me. bivien (beovien, buvien), daneben-
biveren, beveren; anord. bifa (gewöhnlich refl.),
nnorw. biva, ndän. bæve, nschwed. bäf(v)a.

Fick III (Germ.)⁴ 271; Holthausen, As. Wb. 8; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 48; Berr, Et. Gl. to Hel. 50; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 261; Schiller-Lüb-
ben, Mndd. Wb. I, 308; Verdam, Mndl. handwb. 93;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 59; Vries, Ndls. et. wb.
52; Holthausen, Afries. Wb.² 8; Richthofen, Afries.
Wb. 630; Holthausen, Ae. et. Wb. 23; Bosworth-Tol-
ler, AS Dict. 99; Suppl. 90; ME Dict. AB, 935; Vries,
Anord. et. Wb.² 35; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 595 f.;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 15; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 125; Torp, Nynorsk et. ordb. 23.
48; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 78.

Die germ. Formen legen nahe, daß es sich um
eine reduplizierende Bildung handelt, wie sie
ganz ähnlich in bedeutungsverwandten Wör-
tern, etwa ahd. zittarôn (< *ti-trōn-) zittern
(s. d.) oder got. *reiran = τρέμειν, aind. lelāyá-
ti, lelīyáti schwankt, schaukelt, zittert es
wird eine rasch wiederholte Handlung schall-
nachahmend bezeichnet begegnet. Ja, der for-
male Anklang einer aind. Form wie bi-bhémi
ich fürchte mich an ahd. bibêm verführte
F. Kluge, Zfvgl. Spr. 26 (1883), 85 und andere
wie Benfey, Griech. Wurzellexikon II, 104 f. da-
zu, über einem urgerm. Ansatz *bibaimi eine
gemeinsame idg. Grundform *bhi-bhaimi zu re-
konstruieren (s. Brugmann, Grdr.² II, 930), bis
J. Wackernagel darauf hinwies, daß in den er-
sten neun Büchern des Rigveda (desgl. im Avest.
oder Balt.-Slav.) kein redupliziertes Präsens von
der Wz. *bhō-: *bhǝ-: *bhī- [**bheH-] sich
fürchten
zu belegen sei (mit Ausnahme eines
einmaligen redupl. ábibhyat sich nicht fürch-
tend
, vgl. Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. II,
431) und daß es bei aind. bibhémi um die relativ
späte Umbiegung eines präsentisch gebrauchten
Perfekts in präsentische Flexion gehe: als idg.
ist bloß *bhéyetai zu erweisen
, dem aind.
bháyate er fürchtet sich und Nahverwandtes
im Balt.-Slav. (s. u.) entspricht (Zfvgl. Spr. 41
[1907], 305 ff.; vgl. auch P. Thieme, Das Plus-
quamperfekt im Veda [Göttingen, 1930] 35 f.;
Thumb, Handb. d. Skt.2-3 I, 493 u. Fn. 324). Al-
so erst einzelsprachlich ist die redupl. Neubil-
dung fest geworden und durchflektiert; unab-
hängig davon muß sich ahd. bibên aus der Per-
fektform entwickelt haben (vgl. auch E. Fraen-
kel, Zfslav. Ph. 22 [1954], 218).

Wenngleich mit dieser Richtigstellung von aind.
Seite einverstanden (trotz A. Meillet, MSLP 14
[190608], 346), hielt F. Kluge (PBB 34 [1909],
558 f.) an der Verbindung von ahd. bibêt bebt
und sanskrit. bibheti fürchtet sich fest, und mit
Recht: Handelt es sich doch nur um den Unter-
schied zwischen emotionalem Zustand und des-
sen physischer Evidenz, gar nicht zu reden von
den formalen Übereinstimmungen in mehreren
idg. Einzelsprachen. J. Narten, Sprache 27
(1981), 10 hat so wohl recht, wenn sie ahd. bi-
bên als Umbildung eines präsentischen perf.
*bhe-bhóǝ̯-e ist in Furcht (aind. bibhya) be-
trachtet: Da im Ved., veranlaßt durch die Prä-
sensfunktion von bibhya, sekundär ein regulä-
res Paradigma des reduplizierten präs. bibhéti
ausgebildet worden sei (Wackernagel, a. a. O.
305 ff.), könne im Vorurgerm. in ähnlicher Wei-
se der vollstufige Perfektstamm *bhibho- (mit
analogischem i in der Reduplikationssilbe wie
in ved. bibhya) aufgrund seines o-Vokalismus
im Urgerm. der Anlaß für die Überführung des
Verbs in die III. sw. Kl. gewesen sein (vgl. Wal-
de-Pokorny II, 124; Pokorny 162), d. h. vorur-
germ. *bhibhó-ti > urgerm. *ia-þ (bzw. -đ)
> ahd. bibêt wie *kapēié-ti > urgerm. *χaa-
þ (bzw. -đ) > ahd. habêt (dagegen sei Wag-
ners, Zur Herkunft der ē-Verba 29 Auffassung,
daß ahd. bibên, aksl. bojati s sich fürchten
direkt das Perf. fortsetzen würden, ungenau).
Vgl. auch J. Jasanoff, Stative and Middle in IE
(Innsbruck, 1978), 72; G. Cardona, in Language
and Text: Studies in Honor of Ashok R. Kelkar
(Delhi, 1992), 1 ff.

Weiterhin gehören hierher die nichtredupl. Ver-
ben av. baiiete, biietē sie setzen in Furcht
(nach H. Lommel, Zfvgl. Spr. 67 [1942], 11 f.
sie schlagen, bekämpfen), sowie npers. bāk
Furcht (< *bháyaka-). Und weiter aus dem
Balt.-Slav.: lit. (refl.) bijóti (sich) fürchten, lett.
bītiês dss., apreuß. biātwei fürchten, Kausa-
tiv pobaiint sie strafen; aksl. boj, bojati s
sich fürchten, bojaznь f. Furcht, russ. boját’-
sja sich fürchten, tschech. báti se dss., báze
Furcht usw.; aus dem Kelt. werden manchmal
dazu gestellt air. báegul, nir. baoghal (baegal)
Gefahr; die Möglichkeit sprachlicher Ver-
wandten im Alban. erörtert S. Mann, Lang. 28
(1952), 32. Für das Griechische und Lateini-
sche, wo diese Sippe überhaupt nicht vertreten
zu sein scheint, kann nur auf die vielfach um-
strittenen Wörter πίθηκος Affe (eigtl. der
Häßliche
) bzw. lat. foedus adj. häßlich,
scheußlich
(eigtl. fürchterlich?) verwiesen wer-
den, vgl. Solmsen, Rhein. Museum 53 (1893),
141 ff.; E. P. Hamp, IF 90 (1985), 66 ff.

Walde-Pokorny II, 124 f. 186; Pokorny 161 f.; Mayr-
hofer, K. et. Wb. d. Aind. II, 471 f.; ders., Et. Wb. d.
Altindoar. II, 245 f.; Bartholomae, Airan. Wb. 927.
971. 1084; Horn, Grdr. d. npers. Et. 39; Frisk, Gr. et.
Wb. II, 534 (πίθηκος); Walde-Hofmann, Lat. et. Wb.
I, 522 f. (foedus); Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 243 f.;
Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 24; Miklosich, Et. Wb. d.
slav. Spr. 16; Berneker, Slav. et. Wb. I, 68; Sadnik-
Aitzetmüller, Vgl. Wb. d. slav. Spr. Nr. 247; Vasmer,
Russ. et. Wb. I, 115; Fraenkel, Lit. et. Wb. 43; Müh-
lenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. I, 250 ff. 305; Traut-
mann, Apreuß. Spr.denkm. 311. 402; Vendryes, Lex.
ét. de l’irl. anc. B-4; Pedersen, Vgl. Wb. d. kelt. Spr. I,
56; Thurneysen, Gr. of OIr. 573; Dict. of Irish B7.

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