backoAWB m. n-St., nur in Gl. und im Nom. Sg.
belegt: ‚Kinnbacken, -lade, mandibula, mala‘;
nur Gl. 2, 337, 66 steht paccho als Gl. zu lat.
pernae ‚Speckseite‘, „wohl späte Vermischung
mit bacho (s. d.), veranlaßt durch die (etymol.
begründete) Doppelheit von kinnibacho und
-backo“ (Ahd. Wb. I, 784), s. u. 〈Var.: bac(c)h-,
bacc-, bakk-〉. — Im Mhd. ist das Wort nicht nur
als sw. m. backe, sondern auch als st. m. der bac
bezeugt. In der Hochsprache der Gegenwart ist
es, wie viele vorzugsweise im Plural gebrauchte
Maskulina mit der Pl.endung -en zum Fem.
übergetreten nach dem Muster von die Zungen:
die Zunge. Allerdings hielt sich in obd. Mundart
und Umgangssprache meist das Mask. bis heute
und die Endung -en wurde aus dem Akk. Sg.
und den Pl.kasus auch in den Nom. Sg. über-
tragen: der Backen (s. Wilmanns, Dt. Gr. III, 2
§ 184. 185, 2).
Ahd. Wb. I, 784; Starck-Wells 40; Graff III, 29;
Schade 36; Lexer I, 110; Benecke I, 76; Dt. Wb. I,
1063 ff.; Kluge²¹ 43.
Die etym. Analyse des Wortes hat sich in zwei
diametral entgegengesetzten Richtungen be-
wegt, je nachdem man die Form oder die Funk-
tion der Sache als Grundlage der Bezeichnung
erwählte. Einerseits setzten sich viele, wie wohl
zuerst R. Much in seinem Aufsatz, Zfdt. Wortf.
2 (1902), 283, aber auch die neueren Auflagen
von Kluges Etym. Wb. für die Deutung von
backo ‚Kinnlade‘ als ‚Fresser‘ ein, sicher nicht
ohne Rücksicht auf die außergerm. Parallele in
Hesychs Glossierung φαγόνες ⋅ σιαγόνες
‚Kinnbacken‘ — was einem Ansatz von germ.
*bak-n-, gleichkommen dürfte, der obendrein
durch die Etymologie von ahd. zand ‚Zahn‘ (s.
d.) als ‚Kauer‘ seine semantische Bestätigung zu
finden schien (vgl. R. Lühr, Mü. Stud. z.
Spr.wiss. 38 [1979], 124 ff.). Andererseits aber
war man wenig geneigt, ahd. backo im Sinne
von ‚Kinnbacke, -lade, Wange‘ (d. i. fleischiger
Körperteil) zu trennen von dem auch formal so
nahestehenden ahd. bacho ‚Schinken, Speck-
seite‘: indem man eine ursprl. Bedeutung ‚ge-
wölbter Teil‘ (der menschlichen oder tierischen
Anatomie) zugrundelegte, glaubte man dem
Sachgehalt von ahd. bacho sowohl wie backo
gerecht zu werden, ohne die Notwendigkeit,
die — gewiß in gr. φαγεῖν aber keineswegs im
Germanischen sonst vertretene — ursprl. nur die
Zuteilung der Speise betreffende Basis *bhag-
(vgl. aind. bhajati ‚teilt zu‘) zur sprachlichen
Erklärung von ahd. backo heranzuziehen.
Walde-Pokorny II, 148 (bheg-). 128 (bhag-: Zs.hang
mit as. [kinni]bako abgelehnt); Pokorny 107;
Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. II, 462 f. (s. v. bhajati:
ahd. backo, bacho nicht erwähnt, ebensowenig in den
Wbb. von Uhlenbeck, Bartholomae, Frisk, Boisacq,
Vasmer an einschlägiger Stelle).
Bei der letztgenannten Etymologie stammen
ahd. bacho (s. d.) und backo, wie schon J. Grimm
vermutete (Dt. Wb. I, 1061. 1063), aus einer ge-
meinsamen Wz. ab, und die lautliche Diskre-
panz von -ch- und -ck-, germ. *-k- und *-kk-,
geht darauf zurück, daß nur wenn n unmittel-
bar auf den Guttural folgte, wie in den Kasus
obliqui, die westgerm. Gemination des -k- ein-
trat und nachträglich per analogiam durch das
ganze Paradigma verallgemeinert wurde — oder
auch ganz unterblieb. (Vgl. Braune, Ahd. Gr.¹³
§ 96 Anm. 4 c; F. Kauffmann, PBB 12 [1887],
bes. 523.) Wie oft, ging auch hier eine gewisse
semantische Differenzierung damit Hand in
Hand: ‚Rücken, Speckseite‘ für bacho mit -ch-;
‚Kinnbacken, Wange‘ für backo mit -ck-, wobei
es nicht an Ausnahmen fehlt. Wenn wie im
Falle von ahd. kinnibacko neben kinnibacho die
Bedeutung durch ein zusätzliches Komp.glied
festgelegt wird, verliert der Gegensatz von
-backo und -bacho seine distinktive Funktion.
So erklärt sich wohl das willkürliche Nebenein-
ander von ahd. kinnibacho (9 mal) und kinni-
backo (8 mal) sowie die Vorliebe für die Zss. im
germ. Sprachbereich überhaupt: as. kinnibako
m.; andfrk. kinnebaco(n) akk. sg. (oder pl.?) m.
‚molas‘, mndl. kinne-, kennebacke, -bac, -backen,
nndl. kinnebak; afries. kin-, (s)zinbak(k)a, ken-,
kunbac(ke) m. Vielleicht sind es die Zss., welche
auch sonst zum Überschneiden der zwei Va-
rianten führten, vgl. das oben zitierte paccho im
Sinne von pernae ‚Speckseite‘; dann mndd. und
mndl. backe als Simplex nicht nur in der Bed.
von ‚Kinnbacke, Wange‘, sondern auch von
‚Hinterbacke‘ (auch spätmhd. nhd. arsbacke ge-
hört wahrscheinlich in diesen Zs.hang). Für
Aengl. und Anord. ist weder das Simplex noch
die Zss. zu belegen (dafür ae. cinbān, aisl. kinn-
[ar]bein).
Schiller-Lübben, Mndd. Wb. III, 135; Helten, Aostnd-
frk. Psalmenfragmente 20 (Psalm 57, 7); Verdam,
Mndl. handwb. 51. 290 f.; Vries, Ndls. et. wb. 32;
Holthausen, Afries. Wb. 134; Richthofen, Afries. Wb.
869.