blûgo
Band II, Spalte 201
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blûgo adv., nur Otfrid 2, 4, 38: zaghaft,
schüchtern, furchtsam
Ms. P: bluogo.
Mhd. blûge adv.; blûc, bliuc adj. Nhd. nur
noch mdartl. blaug(e), blūg (s. u.).

Ahd. Wb. I, 1226; Splett, Ahd. Wb. I, 82; Schützei-
chel⁴ 78; Graff III, 247; Schade 77; Lexer I, 313 f.;
Benecke I, 214; Dt. Wb. I, 113 (bleug). S. auch Ru-
precht, Tristitia 67 ff.

Genaue Entsprechungen fehlen in den anderen
germ. Sprachen; verwandt sind (mit anderen
Vokalstufen) ae. ā-blycgan to get affected by
fear, get dismayed, amazed
, un-geblyged un-
dismayed
; aisl. Bljúgr PN, nisl. bljúgr (17. Jh.),
bljúgur, nnorw. bljug, aschwed. bliūgher, bl-
gher, nschwed. blyg, ndän. bly schüchtern,
schamhaft
; aisl. blygð f. Scham (wohl aus
*liugiþō; vgl. Noreen, Aisl. Gr.⁴ § 63, 13. 127).

Fick III (Germ.)⁴ 287 f.; Bosworth-Toller, AS Dict. 3.
1106 (unzureichend); Suppl. 3. 734; Vries, Anord. et.
Wb.² 44. 46; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 642; Cleasby-
Vigfusson, Icel.-Engl. Dict. 69; Falk-Torp, Norw.-
dän. et. Wb. 86 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 30; Hell-
quist, Svensk et. ordb.³ 49.

Das lange ū in blûgo (ziemlich gut gesichert
durch mhd. blûc, bliuc) ist problematisch, denn
ae. āblycgan (< *-luggjan < *-lugjan) setzt
ein kurzes u voraus, isl. bljúgr einen Diphth.
*iu (< *e), was eine Ablautreihe *e (: *o) :
*u fordert.

Aufgrund von mhd. Formen wie blûwec, blûweclîche
(Benecke, Lexer, a. a. O.) haben Lexer u. a. mhd. blûc
als eine Kontraktion aus blûwec erklärt, was fraglich
ist, aber viell. doch als Ausgangspunkt für einen Er-
klärungsversuch dienen kann. Wenn man von einer
idg. Bildung mit labiovelarer Erweiterung und Endbe-
tonung: *bhle-k : *bhlu-k ausgeht, dann kann
man ae. āblycgan regelrecht aus *-bhlu-k-ón- >
*-luggjan- herleiten. Für das (im Ahd. nicht belegte)
Adj. müßte man *bhlu-k-ós ansetzen, das über *lu-
waz zu ahd. *bluo oder *blū (unflekt. nom. sg.), flekt.
*bluw-, dann mit dem geläufigen Adj.suffix -ag/-îg
( -îg) weitergebildet, zu *bl(o)ag > *blūg (mhd.
blûc) bzw. *bluwag (mhd. bluwec) geworden wäre
(vgl. ahd. frôlîh / frawalîh fröhlich und s. Braune,
Ahd. Gr.¹⁴ § 114a. 254 Anm. 2; wenn das u in bluwec,
das von Benecke, Lexer u. a. immer mit dem Zirkum-
flex versehen wird, wirklich lang war was keineswegs
sicher ist , ließe sich dieses ū einer Kontamination
mit blûc zuschreiben. Mhd. bliuc führt viell. auf
*bl[o]-g zurück). Dabei ist die Form bluogo in Ot-
frid (Hs. P) von Interesse, denn uo für û ist im Ahd.
höchst selten (s. Braune, a. a. O. § 41 Anm. 2); hier
steht es viell. für *blǝgo. Das ist aber alles sehr unsi-
cher.

Mögliche außergerm. Verknüpfungen bieten nur
die balt. Sprachen: lett. bugu, bugt weich wer-
den, schleimig werden und sich lösen
(von Pil-
zen und Kartoffeln), bugains schmutzig, ko-
tig, naß
, buga weiche Masse(?); lit. bliùkti
weich werden (vgl. V. Machek, Zfslav. Phil. 29
[1961], 353; Fraenkel, Lit. et. Wb. 50).

Zugrunde liegt viell. die idg. Wz. *bhle- :
*bhlo- fließen usw., zu der mit verschiedenen
Erweiterungen auch ahd. blôdi schwach, mhd.
blôz bloß (s. d.) gehören können ( blôdi, wo
auch Herleitung von einer Wz. *bhlē- : *bh-
schwach, elend erwogen wird).

Mdartl. lebt das Adj. *blûg, mhd. blûc nur im Obd.
fort: Schweiz. Id. V, 39 ff. (blūg schwach, empfind-
lich, blöde, furchtsam
); Ochs, Bad. Wb. I, 256 f.
(bl[a]ug verschämt, schüchtern); Fischer, Schwäb.
Wb. I, 1183 f. (blaug zart, empfindlich, schüchtern,
verschämt
); Jutz, Vorarlberg. Wb. I, 392 (blūg dünn,
zart, schüchtern, empfindsam
); Schmeller, Bayer.
Wb.² I, 325 (blaug schüchtern, scheu); Kranzmayer,
Wb. d. bair. Mdaa. in Österr. II, 326 f. (plaug[e]
schwach, schüchtern); Schöpf, Tirol. Id. 45 (blauge
schüchtern, furchtsam); Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa.
87 (plauch schüchtern essend, scheu, ängstlich).

S. auch blûgheit, blûgisôn, blûgnissa.

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