blôdiAWB adj. ja-St., nur in Gl.: ‚schwach, läs-
sig, träge, solutus, ignavus (Hs. ignarus); ver-
zagt, furchtsam, formidulosus‘ 〈Var.: plod-,
plaod-〉. — Mhd. blœde ‚zer-, gebrechlich,
schwach, zaghaft‘; nhd. blöde.
Ahd. Wb. I, 1224; Splett, Ahd. Wb. I, 82; Starck-
Wells 67; Graff III, 251; Schade 76; Lexer I, 311; Be-
necke I, 212; Dt. Wb. II, 138 ff.; Kluge²¹ 86; Kluge²²
93; Pfeifer, Et. Wb. 189 f.
Das Wort hat Entsprechungen in fast allen
germ. Sprachen: as. blōđ(i) ‚furchtsam‘ (nur
zweimal im Hel.; zum Schwund des -i s. Holt-
hausen, As. El.buch § 173. 359), mndd. blȫde
‚schwach, furchtsam‘; mndl. blōde, bloot ‚dss.‘,
nndl. blood, bloo, bleu ‚furchtsam‘ (zum
Schwund des -d s. Meer, Hist. Gram. d. ndl.
Spr. § 166, 1; zu bleu mit mdartl. Umlaut ebd.
§ 46 Anm. 3); ae. blēaþ (a-St.) ‚scheu, furcht-
sam; zart; träge, schlaff‘, me. blēth(e); aisl.
blauðr (a-St.) ‚schwach, zaghaft‘, nisl. blauður,
nnorw. blaud, ält. dän. blød, aschwed. blödher,
nschwed. blöd (in den neuskand. Sprachen ist
mit einer gegenseitigen Beeinflussung der Sippen
germ. *lauþ- und *laut- zu rechnen; → blôz);
im Afries. und Got. nicht belegt, aber vgl. nost-
fries. blöje, blö(i) ‚blöde, furchtsam, schüch-
tern‘ und das von einem Adj. *lauþa- oder
*lauþu- abgeleitete got. Verb blauþjan ‚ab-
schaffen, ἀκυροῦν‘ (eigentl. ‚schwach machen‘).
Fick III (Germ.)⁴ 287; Holthausen, As. Wb. 8; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 57; Berr, Et. Gl. to Hel. 57; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 296; Schiller-Lüb-
ben, Mndd. Wb. I, 361; Verdam, Mndl. handwb. 103;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 73 f.; Vries, Ndls. et. wb.
67; Holthausen, Ae. et. Wb. 26; Bosworth-Toller, AS
Dict. 108; Suppl. 96; ME Dict. A—B, 971; OED² II,
283; Vries, Anord. et. Wb.² 43; Jóhannesson, Isl. et.
Wb. 641 f.; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 19;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 88; Torp, Nynorsk et.
ordb. 27; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 51; Doornkaat
Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 189; Feist, Vgl. Wb.
d. got. Spr. 99; Lehmann, Gothic Et. Dict. B-78. —
Lühr, Expressivität 267 f.
Aufgrund dieser Formen läßt sich eine germ. Ba-
sis *lauþ- ansetzen (mit ahd. Monophthongie-
rung zu -ō- vor Dentalen; vgl. Braune, Ahd.
Gr.¹⁴ § 45); daraus auch das afrz. Lehnwort es-
bloer, nfrz. éblouir ‚blenden, überraschen‘ (<
*ex-blaudāre, -īre; Wartburg, Frz. et. Wb. I,
404; XV, 1, 152 f.).
Alles Weitere ist unsicher. Meistens werden gr.
φλαῦρος ‚schlecht, geringfügig, ärmlich usw.‘
und φαῦλος ‚dss.‘ herangezogen und diese bei-
den Wörter als Dissimilation aus *φλαῦ-λος er-
klärt (oder nach Chantraine, Dict. ét. gr. 1182 f.
aus *φλαῦ-λος und *φλαῦ-ρος); nach V. Ma-
chek, Zfslav. Ph. 29 (1961), 351, auch lit. biaũ-
rùs (mit ähnlicher Dissim.) ‚garstig, widerwär-
tig, häßlich‘, lett. baurs ‚sehr böse, grimmig,
schrecklich, schlecht‘ (anders Fraenkel, Lit. et.
Wb. 42 f.). Diese Wörter haben aber auch keine
sichere Etymologie. Die frühere (lautlich un-
haltbare) Anknüpfung der gr. Wörter an die idg.
Wz. *bhleu̯- ‚aufblasen, schwellen, strotzen,
überwallen, fließen‘ in gr. φλέ(ϝ)ω ‚überfließen,
strotzen‘, φλύω ‚sprudeln, überwallen‘, mit g-
Erweiterung lat. fluō (flūxī, flūctum) ‚fließen,
strömen‘ (so z. B. Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 1028,
Feist, a. a. O.), wurde schon von Walde-Po-
korny II, 209 in Frage gestellt und von Pokorny
aufgegeben (bei Frisk, Gr. et. Wb. 998. 1021 f.
und Chantraine, a. a. O. nicht einmal erwähnt; s.
aber unten).
Pokorny 159 reiht die gr. und germ. Wörter un-
ter eine Wz. *bhlēu̯- : *bhlǝu̯- : *bhlū- ‚schwach,
elend‘ ein, die er weiter mit einer Basis *bheleu̯-
‚schlagen, durch Schlagen hilflos machen‘
verbindet (→ bliuwan). Handelt es sich tat-
sächlich um eine laryngalhaltige Wurzel
[**bhleH-u̯- : **bhH-u̯- : (mit Laryngalmeta-
these) **bhleu̯H- : **bhluH-], worauf ablauten-
des ahd. blûgo adv. ‚schüchtern‘, wenn zugehö-
rig, weist (s. d.), ist germ. *lauþ- am ehesten
von einem o-stufigen Verbaladjektiv auf *-to-,
*bhlóu̯ǝ-to- [**bhlóu̯H-to-], zurückzuführen;
dagegen könnte eine d-Erweiterung fortgesetzt
sein in mhd. blôz ‚bloß‘, ae. blēat ‚arm, elend‘,
aisl. blautr ‚weich, schwach, furchtsam‘ usw.
oder ein ursprl. n-stämmiges Paradigma *lau-
þa-n-, *laut(t)- ‚der Schwache‘ (?) (s. Lühr,
Expressivität 267 f.) zugrundeliegen (→ blôz,
das aber superbus glossiert); und ein ko-Suffix
der Wurzelform *bhleu̯ǝ- [**bhleu̯H-] in: aisl.
Blúgr PN, nisl. bljúgr (17. Jh.), bljúgur ‚schüch-
tern, schamhaft‘. Das kurze u in ae. ā-blycgan
‚erschrecken, erstaunen‘ (< *bluggjan < germ.
*lugjan) wäre dann wie in anderen Fällen eine
sekundäre, erst im Germ. eingetretene Kürzung.
Andererseits spricht auch vieles für die Herlei-
tung der ganzen germ. Sippe von der idg. Wz.
*bhleu̯- (s. o.): aisl. blautr (→ blôz) bedeutet
nicht nur ‚weich, schwach, furchtsam‘, sondern
auch ‚durchnäßt‘ (Egilssaga), ebenso nisl. blau-
tur; vgl. auch das aus dem Skand. entlehnte
lapp. (schwed.) Wort lāuhtas, lāktas ‚feucht,
weich‘, lapp. (norw.) lāvtas ‚naß‘. Damit lassen
sich lautlich und bed.mäßig vergleichen gr. φλυ-
δάω ‚fließe über, zerfließe, werde weich‘, φλυ-
δαρός ‚matschig‘. Weiter können mit ahd. blûgo
usw. verwandt sein lett. bļugu, bļugt ‚weich,
schleimig werden und sich lösen‘ (von Pilzen
und Kartoffeln), bļugains ‚schmutzig, kotig,
naß‘; lit. bliùkšti ‚weich werden‘ (→ blûgo).
Diese an sich sehr ansprechende etymologische
Verknüpfung hat nur den Nachteil, daß gr.
φλαῦρος, φαῦλος wegen ihres au-Diphthongs
fern bleiben müssen (germ. *lauþ-, *laut-
können auf *ou̯- zurückgehen) — es sei denn,
es handelt sich um eine Mischung zweier
Basen: *bhleu̯- : *bhlou̯- : *bhlu- und *bhlau̯- :
*bhlou̯- : *bhlu-, was sich aber nicht beweisen
läßt.
Abzulehnen F. A. Wood, MLN 15 (1900), 326: zu
aind. mlyati ‚welkt, erschlafft, wird schwach‘, gr.
βλξ ‚slack, inactive, stupid, effeminate‘ (idg. Wz.
*mel- ‚crush, rub, grind‘); ähnlich Bartholomae, Ai-
ran. Wb. 1196 f.: zu av. mrutá- ‚aufgerieben,
schwach‘.