*bluozan, pluozan
Band II, Spalte 214
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*bluozan, pluozan red. v., nur in alten obd.
Gl.: opfern, als Opfer darbringen, sacrificare,
immolare, libare, adolere
Var.: plo(o)z(z)-,
pluazz-, ploaz(z)-; prät. pleruzzun, sw.prät.
plozta (vgl. Braune, Ahd. Gr.¹⁴ 353 Anm. 4.
354 Anm. 3); part. prät. kaplozan. Das Verb,
wie auch die damit verbundenen Substantive
*bluoz ( *bluozhûs) und bluostar (s. d.), sind
schon in ahd. Zeit (wohl wegen ihrer heidni-
schen Beiklänge) ausgestorben und durch die
Lehnwörter opfar, opfarôn (s. d. d.) ersetzt
worden.

Ahd. Wb. I, 1242 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 85; Starck-
Wells 68; Graff III, 259 f.; Schade 78; Raven, Schw.
Verben d. Ahd. I, 11; H. Wesche, PBB 61 (1937),
39 ff.

Entsprechende Wörter kommen in den meisten
altgerm. Dialekten vor, aber nur im Skand. sind
sie als hist. Bezeichnung für den heidnischen
Brauch bis auf den heutigen Tag lebendig ge-
blieben: as. nur in der Zss. blōtmānōth Novem-
ber
(Holthausen, As. Wb. 8; Gallée, Vorstud. z.
e. andd. Wb. 32; vgl. K. Weinhold, Dt. Monats-
namen [Halle, 1869], 33 und schwed. blotmå-
nad Oktober, Svenska akad. ordb. B-3469; für
ein einfaches *blōt [Holthausen, a. a. O. 8] gibt
es keine Belege); ae. blōtan (prät. blēot) red. v.,
auch sw. v. opfern, blōt n. Opfer; aisl. blóta
(blét, blótinn) red. v., auch sw. v. opfern,
(durch Opfer) verehren; fluchen
, blót n. Got-
tesverehrung mit Opfer, Opferfest; Abgott
, nisl.
blóta, nschwed. blota, ndän. nnorw. blote op-
fern
(aus dem Urnord. entlehnt finn. luote, gen.
luotteen Zaubergesang, luottehikas magisch,
luotattaa brummen, murren; lapp. [norw.]
luotte magischer Gesang; vgl. E. N. Setälä,
Finn.-Ugr. Forsch. 13 [1913], 406; Karsten,
Germ.-finn. Lehnw. 56. 102; ders., GRM 16
[1928], 369; Collinder, Urg. Lehnw. im Finn.
218 ff.); got. blōtan verehren, σέβεσθαι, λα-
τρεύειν
(rein christl.), blōtinassus m. Vereh-
rung, σέβασμα, λατρεία
, us-blōteins f. Flehen,
παράκλησις
, guþ-blōstreis m. Gottesverehrer,
θεοσεβής
.

Nach Karsten, Germ.-finn. Lehnw. 102; ders., GRM
16 (1928), 369 Anm. 1; H. M. Flasdieck, Krahe-Fest-
schrift 27 ff., gehört auch hierher ae. blētsian, ne. bless
segnen (< *lōtisōn). Diese Et. ist wohl der allg. an-
genommenen Herleitung des Wortes aus *lōđisōn
mit Blut besprengen vorzuziehen (vgl. Skeat, Et. Dict.
of Engl. 63; Oxf. Dict. of Engl. Et. 100; Holthausen,
Ae. et. Wb. 27 und s. u.).

Fick III (Germ.)⁴ 287; Seebold, Germ. st. Verben
122 f.; Holthausen, Ae. et. Wb. 28; Bosworth-Toller,
AS Dict. 112 f.; Suppl. 99; Suppl. II, 11; Vries, Anord.
et. Wb.² 45; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 643; Holthau-
sen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 20; Falk-Torp, Norw.-
dän. et. Wb. 86; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 49; Feist,
Vgl. Wb. d. got. Spr. 100 f. 580; Lehmann, Gothic Et.
Dict. B-83.

Die Etymologie ist umstritten. Verglichen wird
meistens lat. flāmen Opferpriester, Eigenprie-
ster einer bestimmten Gottheit
(< *bhlād-
[s]men?), so z. B. Walde-Pokorny II, 209 (Wz.
*bhlād- opfern); Walde-Hofmann, Lat. et.
Wb. I, 512 f. (unsicher Ernout-Meillet, Dict. ét.
lat.⁴ 239); Seebold, Feist, Falk-Torp, Jóhan-
nesson, a. a. O. Diese wohl zuerst von S. Bugge,
BB 3 (1879), 98 vorgeschlagene Verbindung
wird aber von denjenigen abgewiesen, die lat.
flāmen nicht von aind. bráhman- n. Formung,
Gestaltung, Formulierung
, brahmán- m. Dich-
ter, Sänger, Former
; (jünger) Opferpriester
trennen wollen und trotz der lautlichen Schwie-
rigkeiten (s. bes. Walde-Hofmann, a. a. O.;
Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. II, 452 ff.; ders.,
Et. Wb. d. Altindoar. II, 236 ff.) das lat. Wort
aus *bhlagh-(s)men herleiten. Dabei werden die
angeblichen sachlichen Übereinstimmungen der
beiden Wörter hervorgehoben (vor allem von
G. Dumézil in mehreren Schriften; s. bes. Fla-
men-Brahman [Paris, 1935], Rez. von A. Meil-
let, BSLP 37 [1936], 37), die wie andere Wörter
sakralen Inhalts zu einem gemeinsamen itali-
schen und indoiranischen religiösen Wortschatz
gehören sollen (vgl. auch Pokorny 154, Ansatz
*bhlagh-men-). Nachdem P. Thieme, Zddt. Mor-
genl. Ges. 102 (1952), 91 ff. durch eine einge-
hende Analyse des Gebrauchs von ved. bráh-
man-, brahmán- diese Übereinstimmungen als
höchst bedenklich hat erscheinen lassen, verliert
die Zusammenstellung an Wahrscheinlichkeit
und tritt die Gleichung lat. flā(men) = germ.
*lō-(tan)- wieder in den Vordergrund (nach
E. P. Hamp, IF 79 [1974], 157 ist auch kymr.
blawdd boast, brag; commotion, terror ver-
wandt). Alle Versuche, idg. *bhlād- mit anderen
idg. Wurzeln zu verbinden, wie z. B. *bhel(ǝ)-
aufschwellen (J. Loewenthal, Ark. f. nord. fil.
35 [191819], 231 f.: < *bhelā- + *dau- geben
= stark machen; Prellwitz, Et. Wb. d. gr. Spr.²
345 schlachten, zu gr. φλαδεῖν zerreißen)
sind aber völlig mißlungen.

Auch Etymologien, die lat. flāmen aus dem Spiel las-
sen und Anknüpfungen an germ. Wörter oder Basen
versuchen, sind ohne Ausnahme aus semantischen
oder lautlichen Gründen unbefriedigend. Ohne weite-
res abzulehnen sind Th. v. Grienberger, Unters. z. got.
Wortkunde 51 (zu ahd. plooz superbus, *blôz);
J. Loewenthal, PBB 45 (1921), 258 f., der germ. *lō-
tan- später zu germ. *lōđa- Blut stellt ( bluot²)
und als Parallele ne. bless, ae. blœdsian, blētsian seg-
nen
anführt (urspr. mit Blut besprengen; s. aber
oben).

Noch erwägenswert ist viell. der wenig beachtete Er-
klärungsversuch E. Rooths (Altgerm. Wortstud. 98
Anm. 3), der germ. *lōtan- als das Gedeihenmachen,
Sättigung, Speisung
der Götter deutet und zu ahd.
bluoen blühen, wachsen, bluot das Blühen (s. d. d.)
stellt. Sachlich wird solch eine Deutung des idg. und
frühgerm. Opfers u. a. von Schrader, Reallex. d. idg.
Alt.² II, 135 bestätigt. Lautlich ist die Etym. etwas
schwächer, denn man müßte von einem idg. Verbalab-
straktum *bhlō-d- mit einem im Idg. und bes. im
Germ. seltenen d-Formans ausgehen (s. Brugmann, K.
vgl. Gr. § 430; Wilmanns, Dt. Gr. II § 273 f.).

Verfehlt R. Meringer, Zfösterr. Gymn. 54 (1903),
398 f.: zu aind. mlā- schwach werden, kroat. mlaviti
schlagen; Berneker, Slav. et. Wb. II, 65 f.: viell. zu
abulg. molj bitte.

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