brodAWB n. a-St., nur in Gl.: ‚Brühe, Suppe,
ius, iutta (d. i. iotta; Thes. ling. lat. VII, 2,
292), puls; Waschlauge, lomentum‘ 〈Var.: p-,
-t, -th, -ht u. a.〉. — Mhd. brod st. n. ‚Brühe‘;
dazu brodelen sw. v. ‚aufwallen, sprudeln‘. — In
der Hochsprache der Gegenwart ist das Wort
nicht mehr lebendig, wohl weil es lautlich
[bro:t] mit nhd. Brot (→ brôt) zusammenfiel;
bewahrt ist es in den meisten Mdaa., die altes
kurzes und altes langes o weiterhin auseinan-
derhielten (s. auch u.).
Ahd. Wb. I, 1413; Splett, Ahd. Wb. I, 108; Starck-
Wells 79. 796; Graff III, 291; Schade 85; Lexer I, 358;
Diefenbach, Gl. lat.-germ. 82 (brodium). 84 (bulla);
Dt. Wb. II, 395; Kluge²¹ 102 (brodeln); Kluge²² 106;
Pfeifer, Et. Wb. 218 f.
Entsprechungen des ahd. Wortes waren im
Germ. ziemlich allgemein verbreitet, sind aber
im Lauf der Zeit weitgehend dem Gleichklang
mit dem Worte für Brot (→ brôt) zum Opfer ge-
fallen, mit Ausnahme von ne. broth ‚(Fleisch-)
Brühe, Suppe‘, das sich in der Lautung von ne.
bread ‚Brot‘ unterscheidet: as. broth (s. Stein-
meyer-Sievers, Ahd. Gl. 4, 203, 29; Katara, Gl.
d. Cod. Sem. Trev. 60; VIII, 110), mndd. brot-
(-d); mndl. bro(e)de; afries. vgl. brout(e) ‚Brau,
Gebräu‘; ae. broð, me. broth, auch broththe,
broþt, brougt, brodie, ne. broth; anord. broð- in
der Zss. broðgýgr Schimpfname einer Riesin,
meist fälschlich zu *brauðgýgr ‚Brothexe‘ ver-
schlimmbessert (s. Egilsson-Jónsson, Lexicon
poeticum² 60), heute nur noch regional im östl.
Island für ‚Fischsuppe‘ oder ‚darauf schwim-
mendes Fett‘ (s. Blöndal, Isl.-dansk ordb. 111).
Fick III (Germ.)⁴ 281; Seebold, Germ. st. Verben
143 f.; Holthausen, As. Wb. 10; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. I, 1, 354; Verdam, Mndl. handwb.
117; Holthausen, Afries. Wb.² 12; Richthofen, Afries.
Wb. 672; Holthausen, Ae. et. Wb. 36; Bosworth-Tol-
ler, AS Dict. 128; Suppl. 107; Suppl. II, 12 (broþ-
hund?); ME Dict. A—B, 1198; OED² II, 586; Oxf.
Dict. of Engl. Et. 121; Vries, Anord. et. Wb.² 58; Jó-
hannesson, Isl. et. Wb. 620 f.
Die Übersicht über die germ. Belege führt auf
eine urg. Grundform *ruþ-am zurück, eine
Ableitung von der idg. Basis *bhreu̯(ǝ)- :
*bhrou̯(ǝ)-: *bhr- ([**bhreu̯H₁-] ‚wallen, auf-
brausen, sieden, kochen‘ (daraus mit „Verschär-
fung“ *bhreu̯-u̯-on- > germ. *rew-w-an- >
mhd. briuwen ‚brauen‘, → briuhûs), erweitert
durch das idg. Suffix *-to-, das meist zur Bil-
dung von Part. Prät. Pass. dient, also ‚Gekoch-
tes, Gesottenes‘. Wie oft, kann die Rekonstruk-
tion *ruþ-am einen durch analogischen Aus-
gleich verursachten Widerspruch enthalten, in-
sofern als der Schwundstufenvokal -u- Suffix-
betonung voraussetzt, während der stimmlose
Reibelaut -þ- gemäß Verners Gesetz nur unmit-
telbar nach betonter Stammsilbe zu rechtferti-
gen ist (vgl. die ganz ähnliche Inkonsequenz et-
wa bei urg. *hluþa- : *hlūđa-, Kluge, Nom.
Stammbildung³ § 224). Im Falle von germ.
*ruþ-am liegt jedoch die Annahme näher, daß
die vorgerm. Akzentrückung zur Substantivie-
rung eingesetzt ist; also *bhru-tó- ‚gekocht, ge-
sotten‘: *bhrú-to- ‚Gekochtes, Gesottenes‘; vgl.
außerhalb des Germ. gr. λεύκη ‚weißer Aus-
schlag‘ gegenüber gr. λευκός ‚hell, klar, weiß‘,
aind. kṣṇā ‚die Schwarze‘ gegenüber kṣṇá-
‚schwarz‘ (Lühr, Expressivität 319). Nur durch
die Ablautstufe und Betonung verschieden von
*ruþ-am- ist ahd. brôt (s. d.), aus urg. *rauđ-
am (< idg. *bhrou̯t-óm) eigtl. ‚zum Gären Ge-
brachtes, Gesäuertes‘.
Im weiteren idg. Bereich steht der germ. Form
*ruþ-am wohl am nächsten lat. dēfrtum ‚ein-
gekochter Most‘, mit schwankender Quantität
des stammhaften -- (Plautus -ū-, Vergil -u-, s.
Schmidt, Idg. Vokalismus II, 269 ff.; Hirt, Idg.
Gr. II, 186); das Wort ist eine Ableitung von lat.
dēfruō (neben intr. dēferv[e]ō) ‚koche ein, lasse
gären‘. Hierher gehört auch das schon von den
Alten als thrakisch oder phrygisch bezeichnete
βρῦτος, βρῦτον, auch βροῦτος und βρύττιον ‚ein
Gerstengetränk‘, vgl. Hesych I, 350: βροῦτος ⋅
ἐκ κριθῶν πόμα (s. auch I, 352) sowie Detschew,
Thrak. Sprachreste 93; aus thrak. *brūt-i̯a
stammt wohl illyr.(?) brīsa f. ‚Weintrester‘, Wal-
de-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 116; J. Brüch, IF
40 (1922), 241 ff. — Noch immer umstritten ist
die Frage, ob die reichentwickelte Sippe von gr.
φύρω ‚verwirre, wühle durcheinander‘ und gr.
φρυάσσομαι ‚wiehere übermütig, schnaube, ge-
bärde mich ungeduldig‘ hierher zu stellen ist —
gr. φρυάσσομαι neben ἀνεβρύαξαν ‚sie wieherten
laut auf‘ erklärt sich jedenfalls viel eher als Au-
genblicksbildung auf der Basis von βρῑμάομαι
‚schnaube wild‘ (E. Tichy, Onomatopoetische
Verbalbildungen des Gr., Sitz.ber. d. österr.
Akad. d. Wiss. 409, 14 [1983], 163). — Dagegen
melden sich aus dem Kelt. allerlei formal und
begrifflich unzweifelhafte Verwandte wie mir.
berb(a)im ‚koche, siede‘, kymr. (inf.) berwi,
bret. (inf.) birvi ‚dss.‘; dazu mit -t-Suffix (und
der Fortsetzung von sekundärem kurzem *ŭ)
mir. bruith ‚Kochen‘, ir. bruth ‚Glut, Wut‘, en-
bruthe (< *brut-i̯o-) ‚Fleischbrühe‘, brothchán
‚broth, pottage, soup‘; akymr. brut ‚animus‘,
nkymr. brwd adj. ‚heiß‘; abret. brot ‚chaleur,
zèle‘, nbret. broud ‚ardent, en fermentation‘. —
Auch gehören hierher Formen wie alb. (m)brum
m., brumë f. ‚Sauerteig‘ (s. Jokl, Ling.-kulturhist.
Unters. d. Alban. 263) und letzten Endes doch
wohl aind. bhurváṇi- ‚unruhig, wild‘.
Walde-Pokorny II, 167 f.; Pokorny 143 f.; Brugmann,
Grdr.² II, 3, 270; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I,
333 f.; Frisk, Gr. et. Wb. II, 1054; Chantraine, Dict.
ét. gr. 1229. 1235 f.; Fick II (Kelt.)⁴ 172; Vendryes,
Lex. ét. de l’irl. anc. B-40. B-105. B-106; Dict. of Irish
B-215 f.; Dict. of Welsh 333; Henry, Lex. ét. du breton
mod. 46; Pedersen, Vgl. Gr. d. kelt. Spr. I, 115; Mey-
er, Et. Wb. d. alb. Spr. 49; Mayrhofer, K. et. Wb. d.
Aind. II, 509 f.; ders., Et. Wb. d. Altindoar. II, 250 f.
Da sich das ahd. Wort auf ein den Römern unbekann-
tes Eßgericht bezog — Suppe gab es bei ihnen nicht —,
überrascht es nicht, daß ahd. *brod- in der latinisier-
ten Form brodium sich auch über den größeren Teil
der Romania verbreitete, daher italien. brodo ‚Fleisch-
brühe‘ (broda ‚fade Fleischbrühe‘) und davon sekun-
däres span. port. brodio sowie bo(r)drio ‚Armensuppe
im Kloster‘, weiterhin aprov. brǫ(u), afrz. breu ‚Brühe‘
und nfrz. (mit Ableit.) brouet ‚Kraftbrühe‘ (vgl. Tap-
polet, Alem. Lehnwörter 21).
Mittellat. Wb. I, 1584; Du Cange I, 782 (brod[i]um);
Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 1589; Meyer-Lübke,
Rom. et. Wb.³ Nr. 1321; Wartburg, Frz. et. Wb. I,
550 ff.; XV, 1, 291 ff.
In den dt. Mdaa. von heute hat sich wohl am zähesten
eine schon mhd. bezeugte Zss. brod-îs st. n. ‚Eisschol-
len‘ bewahrt (Lexer I, 358; Schmeller, Bayer. Wb.² I,
348 f.; Maurer-Mulch, Südhess. Wb. I, 1131 [„De
Arsch iß em med Br. gang“ ‚er hatte Angst‘]). Außer-
dem s. Kranzmayer, Wb. d. bair. Mdaa. in Österr. III,
1024 ff. ([broudǝ] ‚Absud, Jauche, Brühe, Fleischbrü-
he, Obstsaft‘); Müller, Rhein. Wb. VI, 1122. 1138;
Woeste, Wb. d. westf. Mda. 40 u. a. mit vielen Zss. wie
Fisch-, Kalk-, Kirschen-, Mist-, Schneebrod.