felahan, felhan st. v. IV, nur in Gl. seit dem
8./9. Jh.: ‚zusammensetzen, aufschichten,
componere, aufbewahren, condere, kunstvoll
bearbeiten, filigranieren, ziselieren (nur
part.prät.), vermiculatus, caelatus, besäen
(bildl.), bestreuen, conserere (Gl. 1, 553, 31;
viell. vom Glossator mit conserere² ‚zusammen-
reihen, knüpfen‘ verwechselt?), anvertrauen,
credere, deponere‘. Das Simplex kommt nur im
Prät. und Part.Prät. vor, aber bei den Präfix-
verben sind weitere Formen (z. B. Präs.) und
zusätzliche Varianten belegt 〈Var.: u-, v-;
-lach-, -leh-, -lih-, luh-, -lch-, -lh-, -l- (vgl.
Braune, Ahd. Gr.¹⁵ § 154 Anm. 1; Schatz, Ahd.
Gr. § 242)〉. — Mhd., nhd. nur noch in Zss. er-
halten: mhd. bevelhen ‚übergeben, anempfeh-
len, anvertrauen‘, enphelhen ‚übergeben zur
Besorgung, Bewahrung oder Besitz‘ (der erde
enphelhen ‚begraben‘), nhd. befehlen, empfeh-
len.
Ahd. Wb. III, 700 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 220; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 253; Starck-Wells 145. XL. 807. 844;
Schützeichel, Glossenwortschatz III, 93; Graff III,
500 ff.; Schade 176; Lexer I, 248. 563; III, 53; Benecke
III, 315; Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 123 (componere).
128 (condere); 81 (caelare). 138 (conserere). 702 (ver-
miculatus); Dt. Wb. I, 1253 ff. (befehlen); Kluge²¹ 60;
Kluge²⁴ 101; Pfeifer, Et. Wb.² 110 f.
Lautlich entsprechende Verben kommen in fast
allen germ. Sprachen vor, jedoch z. T. mit stark
abweichenden Bed.: as. nur in der Zss. bifelhan
‚empfehlen, übergeben, begraben‘, mndd. vēlen
refl. ‚sich befehlen‘ (ganz vereinzelt), bevēlen
‚befehlen, empfehlen, anvertrauen‘, envēlen
‚anempfehlen‘; mndl. velen ‚ertragen, erdulden‘
(erst seit dem 15. Jh.), part.prät. volen ‚(Gott,
dem Teufel) befohlen!‘, bevelen ‚befehlen, be-
auftragen, anvertrauen‘, nndl. velen, bevelen;
afries. nur in der Zss. bifela ‚befehlen, anbefeh-
len, überlassen, bestatten‘, nostfries. befälen
‚befehlen, hingeben, anvertrauen‘, nwestfries.
fele ‚ertragen, erdulden‘; ae. fēolan ‚sich bege-
ben, gelangen, (ein-)dringen, ertragen, erdul-
den, stecken in, inhaerere (nur einmal; s. u.)‘, be-
fēolan ‚wegtun, begraben, übergeben, anver-
trauen, sich begeben, beharren‘; gefēolan ‚ein-
dringen, beharren, anhängen‘ (zu anderen Zss.
s. unten und vgl. Holthausen, Ae. et. Wb. 101),
me. fēlen ‚gelangen, erreichen, vordringen, ein-
treten (+ in)‘ (me. fēlen, ne. dial. feal ‚verber-
gen‘ wird wegen der Bed. meistens für ein Lehn-
wort aus dem Skand. gehalten; s. Björkman,
Scand. Loanwords 209, aber vgl. ae. bifēolan
‚wegtun, begraben‘), befēlen ‚befehlen, anver-
trauen, begehen, antreiben‘; aisl. fela ‚verber-
gen, begraben, übergeben, anvertrauen‘,
aschwed. fiæla, fjala, nschwed. dial. fjäla ‚ver-
wahren‘, ält. ndän. fiælæ, fialæ ‚verbergen‘; got.
filhan ‚begraben, ϑάψαι, verbergen, κρυβῇναι‘,
anafilhan ‚übergeben, παραδιδόναι‘, usw. (zu
anderen Zss. s. u. und vgl. Feist, Vgl. Wb. d. got.
Spr. 151; Lehmann, Gothic Et. Dict. F-49).
Fick III (Germ.)⁴ 237; Seebold, Germ. st. Verben
191 ff.; Holthausen, As. Wb. 19; Sehrt, Wb. z. Hel.²
125 f.; Berr, Et. Gl. to Hel. 114; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. I, 1, 170. 542. 683; Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. I, 307. 699; Verdam, Mndl. handwb. 92.
646. 728; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 58 f. 728; Vries,
Ndls. et. wb. 52. 769; Holthausen, Afries. Wb.² 25;
Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 414;
Dijkstra, Friesch Wb. I, 343; Holthausen, Ae. et. Wb.
101; Bosworth-Toller, AS Dict. 275 (felgan). 277.
390 f.; Suppl. 70. 211. 324 f.; Suppl. II, 24; Grein,
Spr.schatz d. ags. Dichter² 186 f.; ME Dict. E-F, 471 f.;
A-B, 689; OED² V, 779 (feal); Vries, Anord. et. Wb.²
116; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 557 f.; Holthausen, Vgl.
Wb. d. Awestnord. 58; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb.
227; Torp, Nynorsk et. ordb. 99; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 215 (s. v. fjälster); Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr.
151 f.; Lehmann, Gothic Et. Dict. F-49.
Dieses schwierige Wort hat keine sichere Ety-
mologie. Sogar die Bestimmung einer germ.
„Urbedeutung“, die den mannigfachen, so weit
divergierenden Bedeutungen der Verben in den
verschiedenen germ. Sprachen zugrundeliegen
könnte, war bisher unmöglich. Die früheren
etym. Versuche haben meistens, von got. filhan
ausgehend, die germ. Verben auf die idg. Wz.
*pel- ‚verdecken, verhüllen‘ zurückgeführt (→
fel), ohne aber die abweichenden Bed. des ae.
Verbs erklären zu können. O. Wiedemann, BB
28 (1904), 24 (ihm folgend auch J. Hoops, PBB
37 [1911—12], 313 ff.) hat deshalb behauptet,
daß in ae. fēolan zwei verschiedene, etym. nicht
zusammenhängende Verben stecken: das eine
mit der Bed. von got. filhan, das andere mit der
Grundbed. ‚wenden‘. Obgleich diese Ansicht
scharf angegriffen wurde (vgl. C. C. Uhlenbeck,
PBB 30 [1905], 275 und bes. H. Sperber, WuS
6 [1914—15], 25 ff.), ist es niemandem gelungen,
eine überzeugende Erklärung der weitreichen-
den Bed.entwicklungen zu geben (trotz der
geistreichen Argumente, die Heinertz, Et. Stud.
z. Ahd. 29 ff. auf Grund altgerm. Bräuche an-
führt, die aber die schwierigsten ae. Belege au-
ßer Acht lassen). Dazu kommt die gleichfalls
umstrittene Frage, ob dieses Verb zu einer grö-
ßeren germ. Sippe gehört, die auch ahd. felga¹
‚Radfelge‘, felga² ‚umgepflügtes Feld‘, felgen
‚beanspruchen, aneignen‘, falga ‚Gelegenheit‘,
bifalgri ‚Befreier‘, ungifalgan ‚ungebeugt, un-
gekrümmt(?)‘ und folgên ‚folgen‘ umfaßt (vgl.
Hoops, a. a. O.; Sperber, a. a. O.; Heinertz,
a. a. O.; F. de Tollenaere, PBB 80 [Halle, 1958],
168 ff.; Lauffer, Lehnwortschatz d. ahd. u. as.
Prud.gl. 279 ff.).
Nur soviel steht ziemlich fest: wenn alle lautlich
vergleichbaren Verben in den verschiedenen
germ. Sprachen tatsächlich verwandt sind und
auf dasselbe urgerm. Verb *felχan- zurückgehen
— was mangels überzeugender Gegenbeweise
wohl anzunehmen ist —, dann kann man mit der
Bed. des got. Wortes nicht anfangen. Weder ‚be-
graben‘ noch ‚verbergen‘ (noch die rekonstruier-
ten „Urbedeutungen“ ‚verdecken, verhüllen‘, die
Pokorny 803 ansetzt) könnten z. B. der ae. Bed.
‚sich begeben, gelangen‘ zugrundeliegen.
Bei der Suche nach der Grundbed. der germ.
Sippe gibt uns das Ahd. einen Anhaltspunkt, ob-
gleich das Simplex fel(a)han nicht sehr häufig
belegt ist. Die ältesten Belege glossieren lat. con-
dere (hier im Sinne von ‚aufbewahren‘: 8./
9. Jh.), componere ‚zusammensetzen, -legen‘
(10. Jh.; vgl. auch witufelah ‚Holzhaufen,
strues‘: 8./ 9. Jh.; gifol[a]han ‚aufgeschichteter
Holzstoß, Scheiterhaufen‘: 11. Jh.); dazu kom-
men in den Murb. H. (Anfang des 9. Jh.s) so-
wohl felahanto als auch felaho ‚Schöpfer‘ als
Glossen zu conditor vor. Der felahanto, felaho
wie der conditor ist also ‚der Zusammensetzer,
-füger‘, und die Grundbed. des Verbs scheint al-
so ‚zusammensetzen, -legen, -fügen‘ zu sein.
Daraus hätte sich die Bed. ‚aufbewahren‘ leicht
entwickeln können (< ‚anhäufen, ansammeln,
einbringen, einlagern‘), wie auch die (meist in
Zss. vorkommende) Bed. ‚übergeben, anvertrau-
en‘ (< ‚jmdm. etw. zur Aufbewahrung geben‘).
Wenn etwas in Sicherheit aufbewahrt wird, so
ist es den öffentlichen Blicken entzogen, d. h.
‚verborgen‘. Die Bed. ‚begraben‘ beinhaltet ent-
weder ‚dem Grabe anvertrauen‘ oder ‚in einem
Grab verwahren‘.
Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Bed.ent-
wicklung wird durch einen Vergleich mit dem
lat. Wort condere erhöht, das eine fast identi-
sche Entwicklung zeigt; aus einer Grundbed.
‚zusammentun‘ sind u. a. folgende Bed. entstan-
den: ‚erbauen, erschaffen; einbringen, aufbe-
wahren; bestatten, begraben; verbergen‘; nur
die Bed. ‚anempfehlen‘ scheint nicht belegt zu
sein (vgl. Georges, Ausführl. lat.-dt. Handwb. I,
1425 ff.).
Auf diese Weise ließen sich also die meisten
Hauptbedeutungen des germ. Verbs erklären —
aber nicht die abweichenden Bed. im Ae. Auch
hat sich noch keine Etymologie daraus ergeben,
denn unseres Wissens gibt es keine idg. Wz.
*pelk- mit der Bed. ‚zusammensetzen, -legen,
-fügen‘.
Wenn man die Belege des ae. Verbs fēolan (samt
Zss.) betrachtet, sieht es auf den ersten Blick so
aus, als ob Wiedemann, a. a. O. und Hoops,
a. a. O. recht hätten; es handelt sich nämlich um
ein Gemisch von Bed., die z. T. mit denjenigen
der anderen Sprachen im Einklang stehen (u.
zwar bes. bei den Zss.) und z. T. eine Grundbed.
‚(sich) wenden, drehen, beugen‘ vorauszusetzen
scheinen:
1) ‚sich begeben, gelangen, (ein-)dringen‘ <
*‚sich wenden (nach, von)‘; vgl. ne. went ‚gin-
g(en)‘, nhd. wandeln, wandern (mit nhd. wen-
den verwandt), got. ƕairban ‚wandeln‘, mhd.
werben ‚sich bemühen, streben‘, refl. ‚seinen
Weg nehmen‘ (> nhd. werben; zu ahd.
[h]werban ‚sich drehen‘).
2) ‚erdulden, ertragen‘ < *‚sich beugen (unter)‘.
Schwieriger zu deuten ist die 3. Bed., die in den
Wörterbüchern mit ‚anhaften, anhängen, sich
anklammern‘ angegeben wird. Das Simplex
scheint nur einmal in einer ähnlichen Bed. belegt
zu sein, und zwar in einer Übersetzung von Ps.
68, 15: ðaet ic in ne fele : (Eripe me de luto,) ut
non inhaeream (Vulgata: non infigar), wo es
wohl am besten durch ‚(fest) stecken in‘ zu über-
setzen ist. Nur die Zss. ætfēolan und gefēolan
bedeuten ‚adhaerere, anhaften, sich anklam-
mern, festhalten usw.‘. Obgleich eine Bed.ent-
wicklung von ‚sich (um etwas) winden‘ theore-
tisch möglich wäre, scheint es besser, diesen Ge-
brauch des Verbs fēolan mit dem anderen Be-
deutungszweig zu verbinden: die Entwicklung,
die von ‚anhäufen, ansammeln, einbringen‘ zu
‚aufbewahren‘ führte (s. o.), könnte weiter zu
‚hineintun, einlegen, einstecken‘ führen — genau
wie bei lat. condere (vgl. Georges, a. a. O. I,
1427) — aber im Ae. passivisch (intrans.) ge-
braucht: ‚eingesteckt werden, stecken in‘. Auch
‚beharren (in)‘ läßt sich leicht aus ‚sich anklam-
mern an‘ herleiten.
Zum Bedeutungszweig ‚(sich) wenden usw.‘
könnten auch Wörter wie ae. felg, ahd. felga¹
‚Felge‘ (s. d.) = ‚Krummholz des Rades‘ < ‚Ge-
bogenes‘; ae. fealg, ahd. felga² ‚umgepflügtes
Feld‘, ahd. felgen ‚Land umpflügen‘ (s. d. d.) <
‚stürzen, umwenden‘ (s. Hoops, a. a. O. 321 f.
und vgl. ne. ‚to turn the soil‘; gr. πόλος ‚umge-
pflügtes Land‘ zur idg. Wz. *ku̯el[ǝ]-
[**ku̯elH₁-] ‚drehen‘ [Pokorny 639; LIV²
386]); ahd. falga ‚Gelegenheit, occasio‘ (s. d.) <
‚Wendung‘ usw. gehören. Ae. folgian, fylgean,
ahd. folgên ‚folgen‘ (s. d.) läßt sich entweder aus
‚sich (jmdm. oder etwas) zuwenden‘ oder aus
‚anhängen‘ herleiten.
Um die beiden germ. Begriffe ‚wenden‘ und ‚zu-
sammensetzen, -legen, -fügen‘ zu verbinden, lie-
ße sich eine idg. Wz. *pel- mit der Grundbed.
‚biegen, beugen, falten, drehen, winden, flech-
ten‘ ansetzen (= Pokorny 3a pel- ‚falten‘ [→ fal-
dan], 3b pel- ‚verdecken, verhüllen‘ [→ fel],
pel- ‚wenden, drehen‘ [→ felga1,2] und die Va-
riante ple- ‚flechten, zusammenwickeln‘ [→
flehtan]).
Die erweiterte Wz. *pel-, die der Sippe von
ahd. fel(a)han zugrundeliegt, ist außerhalb des
Germ. selten belegt; hierher gehören nur
apreuß. pelkis ‚Mantel‘ (vgl. Trautmann,
Apreuß. Spr.denkm. 393; Wiedemann, a. a. O.
25; zur Bed. vgl. aisl. feldr ‚Mantel‘ zu falda ‚fal-
ten‘), wohl auch russ. póloz ‚Schlittenkufe‘, auch
‚Boa constrictor‘ (‚etwas Gebogenes, Gekrümm-
tes‘), polosá ‚Streifen, Landstrich, Ackerfurche‘,
poln. płosa ‚Landstrich, Flur‘; gall.-lat. olca
‚zum Pflügen taugliches Land‘ (< *polkā; zur
Bed. vgl. ahd. felga² oben). Eine -Erweiterung
kommt auch in der Variante *ple- vor (s. o.);
vgl. gr. πλέκω ‚flechte‘, lat. plicō ‚falte, wickle
zusammen‘, plectō ‚flechte‘ usw. (Weiteres bei
Pokorny 834 f.).
Die Wz. *pel- hat sich im Germ. verzweigt:
1) Aus der Bed. ‚flechten‘ entstand ‚zusammen-
fügen, -setzen, -legen, aufschichten usw.‘. (Hier
hat Trier, Lehm 24 ff. z. T. recht, wenn er eine
idg. Wz. *pel- ‚flechten‘ ansetzt, obgleich er zu
weit geht, wenn er von einer noch älteren Ur-
bed. ‚Lehm‘ ausgeht.) Zur weiteren Entwicklung
im Ahd. und anderswo im Germ. s. oben.
2) Aus der Grundbed. ‚(sich) wenden, beugen,
biegen‘ entstanden die Bed. ‚sich begeben, ge-
langen; erdulden, ertragen‘ wie auch die damit
verbundenen Begriffe, die durch ahd. felga1,2
usw. belegt sind (s. o.).
Walde-Pokorny I, 516; II, 55 ff. 58 f.; Pokorny 802 ff.
807. 834 f. 850; Vasmer, Russ. et. Wb. II, 396. 397;
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II, 205 (olca). 321 f.
(plectō, plicō); Frisk, Gr. et. Wb. II, 557 f. (πλέκω).