fizzaAWB f. jō-St., im Abrogans und weiteren
Gl.: ‚Garnfaden (zum Zusammenbinden),
Webfaden, dichtes Gewebe, licium‘ 〈Var.: -z-,
-tzz-, -tz-; Gl. 3, 337, 50 uicze〉. In Gl. 1, 140, 12
Kb ist vitium ‚Laster‘ mit licium ‚Garn, Ge-
binde‘ verwechselt und mit 〈ficze〉 wiedergege-
ben (vgl. Splett, Abrogans-Studien 211. 49, an-
ders Ahd. Wb. III, 935). — Mhd. viz, vitz
st.m., vitze st.f. ‚beim Haspeln durch einen
quer darum gewundenen Zwischenfaden abge-
teilte und für sich verbundene Anzahl von Fä-
den‘, nhd. Fitze f. ‚Gebinde Garn‘, mdartl.
Fitz m. (z. B. obersächs. ‚abgeteiltes Bund
Garn, bunter Faden, der Garngebinde abteilt,
Gewirr von Garn, Bindfaden, Haaren, Aufre-
gung, nervöse Unruhe, Hektik, Narbe, Geld‘
[Frings-Große, Wb. d. obersächs. Mdaa. I,
628 f.]; thür. ‚Aufregung, Unruhe, verwirrtes
Garn‘ [Spangenberg, Thür. Wb. II, 274]; ber-
lin. ‚Wirrwarr, Durcheinander‘ [Bretschnei-
der, Brandenb.-berlin. Wb. II, 99]), Fitz f.
(mecklenb. ‚Gebinde Garn, das aus 100 Fäden
von der Länge einer Haspelrunde besteht‘
[Wossidlo-Teuchert, Meckl. Wb. II, 937]) und
Fitze f. (z. B. bad. ‚Anzahl von verbundenen
Fäden an einem Strang‘ [Ochs, Bad. Wb. II,
162 f.], schwäb. ‚bestimmte Anzahl von Fäden
beim Abhaspeln des Garns, Geißelschnur‘ [Fi-
scher, Schwäb. Wb. II, 1529]).
Splett, Ahd. Wb. I, 240; Köbler, Wb. d. ahd. Spr. 297;
Starck-Wells 162. 810; Schützeichel, Glossenwort-
schatz III, 190; Graff III, 733; Schade 202; Lexer III,
382 f.; Benecke III, 333; Diefenbach, Gl. lat.-germ.
328 (licium - Fehlglossierung). 370 (multicium); Götz,
Lat.-ahd.-nhd. Wb. 375 (licium - Fehlglossierung).
416 (multicium); Dt. Wb. III, 1695; Kluge²¹ 300; Klu-
ge²⁴ 296.
Ahd. fizza wurde als Terminus des Textilhand-
werks ins Ndd. übernommen: mndd. fitze ‚Ge-
binde, bestimmte Anzahl von Fäden‘. (Bei Wad-
stein, Kl. as. Spr.denkm. 87. 240 verzeichnetes
fizza kann nicht sicher als as. Beleg gebucht
werden, da ein großer Teil des Glossars St. Petri
hochdt. ist.) Das ahd. Wort hat Entsprechungen
in: as. vittea f. ‚(Text-)Abschnitt‘ (Prosapraefa-
tio im Heliand: per vitteas mit latinisiertem
Akk.Pl.); ae. fitt, me., ne. obsolet fit ‚Gedicht,
Lied, Abschnitt‘; in älterer Bedeutung aisl. fit f.
‚Schwimmhaut der Vögel‘, nisl., fär., norw. dial.
fit ‚dss.‘, ndän. fed ‚Fadenbündel‘, nnorw. dial.
fit ‚Garn‘: < urgerm. *fetjō- (so z. B. S. Bugge,
BB 3 [1879], 116 f.; Fick III [Germ.]⁴ 226;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 62; Hell-
quist, Svensk et. ordb.³ 213).
Dem sw. v. II fizzôn ‚umgeben, einfassen‘, das von
ahd. fizza abgeleitet ist, steht ein sw. v. I aisl., norw.
dial. fitja ‚zusammenbinden‘ von der Basis fit gegen-
über.
Holthausen, As. Wb. 20; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 736; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. V,
263; Vries, Ndls. et. wb. 168 f.; Holthausen, Ae. et.
Wb. 106; Bosworth-Toller, AS Dict. Suppl. 222; ME
Dict. E-F, 597; OED² 973; Oxf. Dict. of Engl. Et.
358; Vries, Anord. et. Wb.² 122; Jóhannesson, Isl. et.
Wb. 541 f.; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 209 f.;
Ordb. o. d. danske sprog IV, 840; Torp, Nynorsk et.
ordb. 107; Svenska akad. ordb. F-652 f.; Lehmann,
Gothic Et. Dict. F-43. — Eichhoff, Spr. d. ndd. Reep-
schlägerhandwerks 1966, 81 f.; Raven, Schw. Verben d.
Ahd. II, 44.
In lautlicher Hinsicht bietet urgerm. *fetjō-
keine Schwierigkeiten. Es bildet eine Gleichung
mit gr. πέζα f. (< vorurgr. [**ped-i̯ǝ₂]) ‚Spann
am Fuß‘, übertr. ‚Fußende, Saum eines Kleides,
Rand eines Netzes‘, wobei in urgerm. *fetjō- <
uridg. [**ped-i̯áH₂-] die Vollstufe [**-i̯áH₂-]
des für die Devī-Klasse charakteristischen ab-
lautenden Suffixes [**-iH₂/i̯áH₂-] verallge-
meinert ist (vgl. ahd. ekka ‚Ecke, Schneide‘ <
urgerm. *ajō- < uridg. *a-i̯- [**H₂a-i̯áH₂-]
mit Vollstufe bei kurzvok. Wz. u. einf. Konso-
nanz gegenüber dem ablautenden Typ got. ban-
di < *bhóndh-ī- [**bhóndh-iH₂-] : gen.sg.
bandjos < *bhondh-ii̯s [**bhondh-ii̯áH₂s];
zum Flexionstyp u. dessen Vertretung im Germ.
vgl. G. Klingenschmitt, in Lat. u. Idg. 127 f. u.
Anm. 65; s. auch Beekes, in Laryngales 49 ff.).
Probleme bieten aber die unterschiedlichen Be-
deutungen der germ. Wörter. So lassen sich die
teils fachsprachl. Termini nur unter einer
Grundbedeutung *‚Verbundenes, Verbindendes‘
vereinen. Dabei steht aisl. fit ‚Schwimmhaut‘ als
‚die Zehen Verbindendes‘ der Grundbedeutung
am nächsten. Ahd. fizza ‚Garnsträhne‘ bezeich-
net dagegen das Mittel des Verbindens und
fachsprachl. as. vittea ‚Abschnitt‘, ae. fitt ‚Ge-
dicht, Abschnitt‘ weisen auf ‚„gebundene“ Ein-
heiten‘.
Anders W. Foerste, Ndd. Wort 5 (1965), 110 f., der
aisl. fit ‚Schwimmhaut‘ und fit ‚nasses Land an einem
Wasserlauf, Strandstreifen‘ für etymologisch identisch
hält und auf eine Grundbedeutung ‚Streifen‘ zurück-
führt. Gegen diese Annahme spricht jedoch dazugehö-
riges ostfries. fit ‚Pfuhl, Wasserpfütze‘, das sich nicht
mit der von Foerste angenommenen Ausgangsbedeu-
tung vereinbaren läßt. Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb.
210 stellen daher aisl., nnorw. fit zu Recht zu gr. πῖδαξ
m. ‚Quelle‘, πῖσος n. (< *πῑδ-σ-ος) ‚feuchte Stelle,
niedrige nasse Wiese‘.
Wieder anders Griepentrog, Wurzelnomina d.
Germ. 169 ff., der lediglich aisl. fit auf urgerm.
*fetjō- zurückführt. Dagegen sei as. vittea, ae.
fitt < urgerm. *fatjō- Verbalabstraktum (mit ei-
ner Bed.-Entw. ‚Abschreiten‘ > ‚Abgeschritte-
nes‘ > ‚Abschnitt‘) zum Verb urgerm. *fetan-
‚schreiten, gehen‘. Ahd. fizza sei dabei über ur-
germ. *fetō- auf eine Kollektivbildung vorur-
germ. *pedā- [**pedaH₂-] zurückzuführen. Die
für das Westgerm. angenommenen Rekon-
strukte sind aber nicht haltbar, da ae., as. i
nicht auf urgerm. *a zurückgehen und bei einer
Vorform *fetō- die Konsonantengemination in
ahd. fizza ungeklärt bleibt. Lautlich ebenfalls
möglich, aber ohne Anschlüsse und daher abzu-
lehnen ist ein Ansatz urgerm. *fitjō-.
Walde-Pokorny II, 23; Pokorny 791; Mann, IE
Comp. Dict. 911; Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. II,
207 f.; Bartholomae, Airan. Wb.² 843 f.; Boisacq, Dict.
ét. gr.⁴ 754 (nur zu aisl. fit); Frisk, Gr. et. Wb. II, 486.
533. 543 f.; Chantraine, Dict. ét. gr. 867 f. (nur zu aisl.
fit); Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 3799. 10261; Mey-
er-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 9661 (nur zu ndd. fitze
‚Rute‘); Wartburg, Frz. et. Wb. XV, 2, 132 (nur zu fit-
ze in der Bed. ‚Rute‘).