gâhi¹AWB adj. ja-St., T, O, N und in Gl. seit
dem 8. Jh.: ‚schnell, rasch, übereilig, über-
eilt, ungestüm, jäh, plötzlich, unvermutet,
tatkräftig (?); efficax, festinus, praeceps,
praeproperus, rapidus, repens, subitus, te-
merarius, vehemens, velox‘ 〈Var.: k-, kh-;
ohne -h-: ga-, ka-, cha- (-e, -er, -en, -ero);
zum kurzen a vor h bei N vgl. A. L. Lloyd,
FS Sehrt 1968: 109 ff.〉. — Mhd. gaehe, gâ,
gach (nach dem Adv.; → gâho); nhd. jäh
(mit mdartl. j für g, seit dem 15. Jh. durch
Luther verbreitet; vgl. Paul [1916—1920]
1968: 1, § 192), mdartl. auch gäh(e), gach.
Ahd. Wb. 4, 21 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 279; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 352; Schützeichel⁶ 126; Starck-Wells
188. 813; Graff 4, 129 ff.; Lexer 1, 722. 724 f.; Götz,
Lat.-ahd.-nhd. Wb. 261 (festinus). 506 (praeceps). 512
(praeproperus). 553 (rapidus). 567 (repens). 634 (subi-
tus). 655 (temerarius). 697 (vehemens). 698 (velox); Dt.
Wb. 4, 1144 f.; 10, 2226 f.; Kluge²¹ 263; Kluge²⁴ s. v.;
Pfeifer, Et. Wb.² 594. — Oksaar 1958: 295 ff. 365 ff.
427 ff. — Schweiz. Id. 2, 99 f. (gach, gäch); Ochs, Bad.
Wb. 2, 277 (gäh [gäχ]); Fischer, Schwäb. Wb. 3, 18 ff.
(gäh [gai, gęχ]); Jutz, Vorarlberg. Wb. 1, 1045 f.
(gach); Schmeller, Bayer. Wb.² 1, 887 f. (gaeh, gáhh);
Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa. 199 (gâhe, gâche, gâch);
Müller, Rhein. Wb. 2, 979 (gäh, auch jē); Christmann,
Pfälz. Wb. 3, 9 (gäh); Maurer-Mulch, Südhess. Wb. 2,
1056 (gäh); Mitzka, Schles. Wb. 1, 356 f. 358 (gäh,
gach).
Das Adj. kommt sonst nur im Mndd. und
Mndl. vor: mndd. gā, gē, flekt. gāe, gāie,
gēie, gō(i)e, gōy(g)e, gouwe, gauwe ‚jäh,
plötzlich, schnell‘; mndl. gā, gauw ‚schnell,
hastig, unbedacht, unerwartet‘. Im As. finden
sich nur die Adverbien gāhun und gāhlīko
(→ gâhlîcho), im Andfrk. gālikō, während
im Afries. nur ein Adj. gālīk belegt ist.
Heidermanns, Et. Wb. d. germ. Primäradj. 231 f.;
Holthausen, As. Wb. 24; Berr, Et. Gl. to Hel. 145;
Sehrt, Wb. z. Hel.² 161; Wadstein, Kl. as. Spr.denkm.
181; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 1. 26.
145; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 2, 1 f.; Helten
[1902] 1971: 100. 121 (§ 12). 147 f. (§ 50ß); Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 2, 860 f.; Franck, Et. wb. d. ndl.
taal² 176 f.; Vries, Ndls. et. wb. 185; Holthausen,
Afries. Wb.² 33.
Das Wort hat bisher keine befriedigende
Etymologie, zumal wegen der Unsicherheit,
ob die Wz. urgerm. *æ oder *an enthält.
Nach Noreen 1894: 44, Zupitza 1896: 190
und K. Brugmann, IF 37 (1916/17), 157 aus
germ. *a-āeχ-ja- < idg. *-ēu-, ablautend
zu *ōk̂u(s) ‚schnell‘ (Pokorny 775), was
morphologisch ganz annehmbar wäre (Adj.
der u-Dekl. sind im Westgerm. vorwiegend
in die ja-Dekl. übergegangen; zu ga- + Adj.
vgl. Wilmanns [1906—30] 1967: 2, § 416),
aber die ē-Stufe dieser idg. Wz. ist sonst nir-
gends bezeugt — ja selbst die ō-Stufe kommt
im Germ. nicht vor. Die zwar sehr unsichere
Verknüpfung von *ōk̂u- mit idg. *ak̂- : *ōk̂-
‚scharf‘ (vgl. Pokorny, a. a. O.) würde natür-
lich eine ē-Stufe ausschließen.
Theoretisch möglich wäre auch germ.
*anχi- < idg. *ghonk-i̯o-, wenn man neben
der idg. Wz. *ghengh- ‚schreiten, gehen‘ (→
gangan) eine Variante *ghenk- annimmt
(Walde-Pokorny 1, 172); da aber diese Va-
riante sonst unbekannt ist, bleibt diese Ety-
mologie bloß eine Vermutung.
V. Georgiev, in Mayrhofer 1980: 202, hält ahd. gâhi
für „eine Kontamination aus ahd. gang ... und der
Entsprechung von idg. *ōus ‚schnell‘“; unwahr-
scheinlich.
Es gibt aber eine andere, offenbar bisher
nicht erwogene Erklärung, die wenigstens
den Vorteil hat, daß sie keine sonst nicht be-
zeugten Varianten idg. Wurzeln voraussetzt:
vielleicht ist das -h- nicht organisch, sondern
nur ein hiatusfüllender Übergangslaut zwi-
schen Vokalen (nach einem langen Vokal
oder Diphthong) wie bei blâhen, bluohen,
sâhen für blâen, bluoen, sâen (vgl. Braune-
Reiffenstein 2004: § 152b; Schatz 1927:
§ 244). Ahd. gâhi könnte dann auf urgerm.
*gæ-i (< vorurgerm. *ghē-i̯o-) zurückgehen
und die idg. Wz. *ghē- ‚gehen‘ (→ gân)
enthalten. Zur Bedeutung vgl. lat. velox
‚schnell‘ zur idg. Wz. *u̯eĝh- ‚bewegen, zie-
hen, fahren‘.
Im Präs. der oben erwähnten Verba pura
kommen zwar neben den Formen mit -h- un-
ter dem Einfluß vom Prät. und Part.Prät. oh-
ne Bindevokal auch häufig h-lose Formen
vor (vgl. blâ[h]en : blâta : giblâter). Bei dem
Adj. gâhi (und Adv. gâho; s. d.) dagegen, das
keine konsonantischen Endungen hat, über-
wiegen die Formen mit -h- (wie auch bei den
flekt. Formen des wa-Stamms fô ‚wenig‘;
s. d.). Selbst bei gâhi gibt es aber schon im 8.
und 9. Jh. einige h-lose Belege (Gl. 2,233,28;
4,323,52; auch zu gâhî f. 1,560,17; zu gâhun
1,197,34; Mayer 1994: 65, 254). Spätahd.
(bei N) kann das h wieder ausfallen mit
Kontraktion der beiden Vokale (vgl. A. L.
Lloyd, a. a. O.). Im Mhd. kommen endungs-
lose Formen (bes. präd.; vgl. Paul 2007: § M
26 Anm. 1) sowohl kontrahiert (gâ) als auch
mit erhaltenem -h- vor, wobei das h wie ein
organisches h zum Reibelaut ch wird: gâch
(vgl. das mhd. Subst. blâch ‚das Wehen [des
Windes]‘ zu blaejen).
Neben -h- treten seltener -j- und -w- als
Übergangslaute auf (vgl. Braune-Reiffen-
stein, a. a. O. §§ 152b Anm. 3. 110 Anm. 2.
3. 117 Anm. 1; Holthausen 1921: § 173
Anm. 3; Lasch [1914] 1974: § 304): mndd.
gāie, gēie haben -j-, mndd. gouwe, gauwe,
mndl. gouw haben -w-, auch afries. gālīk <
*gāu- < *āwe- (mit Ausfall des Endsilben-
vokals); mndd. gō(i)e, gōy(g)e sind wohl aus
*gāu- > gō- mit späterem Einschub von -j-
entstanden.
Die mndd. und mndl. Formen mit -w- werden ge-
wöhnlich als Analogiebildungen erklärt: gā : gauwe
nach blā : blauwe, grā : grauwe (vgl. Franck, a. a. O.,
Vries, Ndls. et. wb. a. a. O.). Obgleich die Analogie
wohl bei der Umwandlung von *gawe in gauwe, gou-
we eine Rolle gespielt hat, setzen die Varianten mit ō
ein urspr. w voraus.
Was die Bedeutung betrifft, würde eine Verknüpfung
mit der idg. Wz. *ghēi̯- ‚antreiben, lebhaft bewegen
oder bewegt sein‘ (Pokorny 424 f.) wohl noch besser
passen (Vries, Ndls. et. wb. a. a. O. hat diese Möglich-
keit schon erwogen), aber eine monophthongische
Variante dieser Wz. *ghē- ist nirgends bezeugt und
wegen des Ablauts *ghei̯- : *ghēi̯- nicht zu erwarten.
Aus dem Germ. — wohl aus dem Ahd. — ent-
lehnt ist aprov. gai ‚heiter‘, afrz. gai ‚dss.‘,
auch ‚lebhaft, stürmisch [von Tieren]‘; nicht
aus got. *gāheis, wie Th. Frings bei Wart-
burg, Frz. et. Wb. 16, 8 f. behauptet, denn
das Adj. scheint auf das Westgerm. be-
schränkt zu sein. Ein nicht belegtes got.
Wort, das wahrscheinlich nie existiert hat,
kann man auch nicht als Beweis dafür anfüh-
ren, daß ahd. gâhi auf germ. *anχi- zurück-
geht (s. o.).