liska f. ō(n)-St., vielleicht auch n. a-
St., Gl. 2,378,38 (in 2 Hss., 10. Jh., bei 1 Hs.
des 10./11. Jh.s Zeit des Gl.eintrags un-
bekannt), Gl. in Leipzig, Rep. I 36b (Ende
des 9./Anfang des 10. Jh.s, mfrk. oder ndd.)
und weitere Gl., auch im SH: ‚Liesch, Segge,
Schilf; carex, filix, papirus [= papyrus],
scirpus, spartus [= spartum]‘ 〈Var.: -e-; -sc-,
-hsch-〉. Das Wort dient zur Bez. von Carex
L. und im SH einmal für den ‚Wurmfarn‘
(Aspidium Filix-mas Sw.). lehscha in Gl.
4,330,2 (1. Drittel des 11. Jh.s, mfrk.) und
lesc in Gl. 3,338,9 (12./13. Jh., mfrk.) zeigen
den im Frk. oft zu beobachtenden Wechsel
zwischen -i- und -e- in der Wz.silbe. Das
Appellativum begegnet auch in ON und
FlurN (z.B. Lesc-ah [11. Jh.], iuxta Liskas [a.
1132]). — Mhd. liesche f.? zur Bez. einer
Grasart (mit Dehnung von -i- in offener Ton-
silbe), frühnhd. liesch n. ‚Riedgras, Sumpf-
gras‘, nhd. Liesch n. ‚Riedgras‘.
Ahd. Wb. 5, 1170; Splett, Ahd. Wb. 1, 556; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 730; Schützeichel⁷ 204; Starck-Wells
379; Schützeichel, Glossenwortschatz 6, 60 (Ansätze
lesc, lesca). 117 (Ansätze lisc, lisca); Bergmann-Stri-
cker, Katalog Nr. 112. 381. 538. 726. 877; Seebold,
ChWdW9 531; Graff 2, 281; Lexer 1, 1913; Frühnhd.
Wb. 9, 1232; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 101 (carex);
Dt. Wb. 12, 1019; Kluge²¹ 441; Kluge²⁵ s. v. Liesch. —
Marzell [1943—58] 2000: 1, 478. 825. 827 f. — Franck
[1909] 1971: § 19, 3. — Bach 1952 ff.: 2, 1, §§ 194, 1.
323.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
as. liska f. ō(n)-St. ‚Schilf; carex‘ in Gl.
4,342,19 (Ende des 9. Jh.s), mndd. lēsch,
lēsk, liesk, lēsek, lēsik ‚Liesch‘, lūs, lūsch,
lǖsch n. ‚Schilf, Binse, Liesch‘, häufig in ON
und FlurN (z.B. Leesken, Lieskenkamp);
andfrk. lissi- ‚Liesch, Riedgras‘ (a. 1060/70)
als VG in Toponymen (z.B. Lissewege),
frühmndl. lissche ‚(Wasser-)Schwertlilie‘,
mndl. lissche, le(s)sche, lisch, lesch n./f.
‚Riedgras, Liesch‘, nndl. lis ‚Iris‘ (Pflanzen-
bez.): < urgerm. *liskō-.
Tiefenbach, As. Handwb. 237 (Ansatz leska); Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. 2, 1, 792. 873 f.; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 2, 670. 750; ONW s. v. lissi;
VMNW s. v. lissche; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 4,
667; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 392 (lisch); Suppl.
102; Vries, Ndls. et. wb. 405 (lis²); Et. wb. Ndl. Ke-R
241 (lis¹). — Bergmann-Stricker, Katalog Nr. 374.
Aus dem Germ. wurde das Wort in die rom.
Sprachen entlehnt. Es ist bereits als mlat.
lisca ‚Segge‘ bezeugt und im Gallorom. weit
verbreitet: afrz., mfrz. lesche, nfrz. laîche
‚Riedgras‘, italien., lomb., ligur. lisca.
Als Entlehnungsgrund wird die technische Verwen-
dung des Lieschs im mittelalterlichen Haus zur Be-
streuung des Fußbodens angenommen (vgl. Grimm
[1899] 1992: 1, 500).
Für das nur im Germ. belegte Verb bieten
sich folgende Anschlussmöglichkeiten an:
Urgerm. *liskō- < *lik-skō- könnte ein
schwundstufiges, wohl kollektives Verbal-
nomen vorurgerm. *h₁liĝ-sk̂-eh₂- ‚das Zit-
ternde‘ zur Wz. *h₁lei̯ĝ- ‚zittern‘ fortsetzen.
Dieser von der Bed. her ansprechende An-
satz (Riedgras bewegt sich leicht im Wind)
ist aber problematisch, da das Verb nur im
Ai. und Gr. Kontinuanten hat: ai. réjate ‚zit-
tert, bebt‘ < *h₁lei̯ĝe/o- und gr. *ἐλέλικτο
‚war in Erschütterung‘ < *h₁eh₁liĝto- (LIV²
246). Als weitere Möglichkeit für *liskō- <
*liχ-skō- ist eine Vorform *(h₁)lik-sk̂-eh₂- zu
erwägen, die zu uridg. *(h₁)lei̯k- ‚biegen‘
(Pokorny 669) zu stellen wäre. Doch ist dies
semantisch weniger plausibel, *liskō- müsste
urspr. ‚der Bieger‘ bedeutet haben (vgl. frosc
eigtl. ‚Hüpfer‘ [s. d.]).
Pokorny 682. — Grzega 2001: 199.