bruoh²AWB n. (m.?) a-St., nur in Gl.: ‚Sumpf,
sumpfiger Boden, morastiges Gelände, palus‘
〈Var.: pr-, -ch〉. Mhd. bruoch st. n. m. ‚Moor-
boden, Sumpf‘. Nhd. Brūch m. (selten n.)
‚Sumpfland‘ ist in manchen Gegenden hoch-
sprachlich nicht mehr als Appellativum ge-
braucht, nur noch mdartl. (s. u.) oder aber er-
starrt in Örtlichkeitsbezeichnungen wie Bru-
ch(e), Broich, Brau(c)k, viel häufiger als Be-
stimmungswort von Zss.: Bruchem, Brochem,
Brockum (< *Bruoh-heim), Bruch-, Brockhau-
sen, Bruchsal bei Karlsruhe („locus inter palu-
des Rheni“, nach 1200), Brüssel (Belgien) <
Brucsella a. 1134, s. Bach, Dt. Namenkunde II
§ 309; Förstemann, Adt. Namenbuch 2-3 II, 1,
578 ff.
Ahd. Wb. I, 1452; Splett, Ahd. Wb. I, 112; Starck-
Wells 81. 796; Graff III, 271; Schade 84; Lexer I, 368;
Benecke I, 270; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 408 (pa-
lus); Dt. Wb. II, 410; Kluge²¹ 103; Kluge²² 108; Pfei-
fer, Et. Wb. 219.
Das ahd. Wort hat fast in allen westgerm. Dia-
lekten lautliche, wenn auch z. T. bedeutungsmä-
ßig abweichende Entsprechungen: as. brōk (nur
in Ortsnamen), mndd. brōk, brūk, brōke
‚Bruch, Sumpf-, Moorland; niedriges nasses
Uferland‘; mndl. broec, broic, brouc, bruec,
nndl. broek; nfries. brōk; ae. brōc m. ‚Bach‘, me.
brōk, auch brocke, brouk(e), broyc, bruk(e), ne.
brook ‚dss.‘; im Nordgerm. und Got. nicht zu
belegen.
Fick III (Germ.)⁴ 278; Holthausen, As. Wb. 10;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 351; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 427 f.; Verdam, Mndl.
handwb. 118; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 94; Vries,
Ndls. et. wb. 89; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries.
Spr. I, 233; Holthausen, Ae. et. Wb. 35; Bosworth-
Toller, AS Dict. 126 f.; Suppl. 106; Suppl. II, 12; ME
Dict. A—B, 1193 f.; OED² II, 584.
Germ. *rōka- hat trotz mehrerer Erklärungs-
versuche keine sichere Etymologie.
1) Man hat es mit gr. βράγος ⋅ ἕλος (Hesych I,
343) ‚feuchte Wiese, sumpfige Niederung‘ ver-
knüpft (vgl. Fick, a. a. O.), aber dieses nur ein-
mal belegte Wort ist auch etymologisch dunkel
(vgl. Frisk, Gr. et. Wb. I, 262; Nachtr. 56;
Chantraine, Dict. ét. gr. 192). A. Fick, BB 29
(1905), 199 f. hielt es für eine makedon. Form,
die gr. βράχος, βράχεα ‚feuchte Stellen‘ ent-
spricht, dies schließt jedoch eine Verbindung
mit germ. *rōka- aus. Dagegen stellt E. Çabej,
Pisani-Festschrift I, 176 germ. *rōka- zu alban.
bërrakë ‚sumpfiges Land‘ und gall. *bracum
‚Morast‘ in italien. braco, frz. brai usw., was
sehr fraglich ist, denn das alban. Wort ist wohl
eine serbo-kroat. Entlehnung (< serbo-kroat.
barńak, zu slav. *bara ‚Sumpf‘; vgl. P. Skok,
ZfOrtsnamenf. 4 [1928], 207; Sadnik-Aitzet-
müller, Vgl. Wb. d. slav. Spr. Nr. 142; Meyer,
Et. Wb. d. alb. Spr. 33), während gall. *bracu-
(*bragu-), das auch in roman. Ortsnamen vor-
kommt, meistens auf urkelt. *mraku-, idg.
*mrǝku- zurückgeführt und zur idg. Wz.
*mer(ǝ)k-, *mer(ǝ)g̑- ‚morsch sein, faulen, er-
weichen‘ gestellt wird (vgl. Wartburg, Frz. et.
Wb. I, 489; Pokorny 739). Versuche, auch
germ. *rōka- von *mer(ǝ)g̑- herzuleiten (wie
z. B. Walde-Pokorny II, 234 f. 282; Pokorny
739 f.; Zupitza, Germ. Gutturale 196), beruhen
auf der besonders seit Osthoff, Morph. Unters.
V, 85 ff. immer wieder vorausgesetzten, aber
höchst unsicheren Annahme eines Lautwandels
von idg. *mr- zu germ. *br-.
2) Auf demselben fraglichen Lautwandel beruht
auch die etym. Anknüpfung an kelt. *brog- (<
idg. *mrog-), das mit dem Diminutivsuffix -lo-
(*brogilo-) in dem mhd. Lehnwort brüel ‚um-
zäuntes, meist feuchtes, zum Besitz des Dorf-
oberhauptes gehöriges Wald- oder Wiesenge-
lände‘ vorkommt und als Simplex in gall. brogae
‚ager‘, air. mruig, mir. bruig, kymr. korn. bret.
bro ‚Bezirk, Gegend, (Grenz-)Land‘ belegt ist
(→ brüel). Da idg. *mrog̑-, *morg̑- (zur Wz.
*mereg̑- Pokorny 738) ursprl. wohl ‚Rand,
Grenze‘ bedeutete — vgl. lat. margō ‚Rand,
Grenze‘, nhd. Mark —, müßte man bei ahd.
bruoh mit einer Bed.entwicklung ‚Grenzsumpf‘
> ‚Sumpf‘ und bei ae. brōc mit einer Bed.ent-
wicklung ‚Grenzfluß, -bach‘ > ‚Bach‘ rechnen
(vgl. H. Dittmaier, ZfdA. 84 [1952], 176 ff.;
Kluge²¹ 103).
3) Obgleich die Verwandtschaft mit kelt. *brog-
aus lautlichen Gründen zweifelhaft ist, wäre
eine Entlehnung aus dem Kelt. nicht ausge-
schlossen, denn schon gall. brogae bezeichnete
irgend eine Art Feld (s. o.), während das ver-
wandte mhd. Lehnwort brüel den Begriff der
Feuchtigkeit enthält; aber die weitere Entwick-
lung zu ae. brōc ‚Bach‘ ist weniger einleuchtend.
4) Früher hat man germ. *rōka- auch vom Verb
*rekan- ‚brechen‘ abgeleitet (so Noreen, Urg.
Lautlehre 43: „wo das Wasser hervorbricht“,
ähnlich Trübners Dt. Wb. I, 440 u. a.) und die
Motivation der Benennung in den strömenden,
die Erdoberfläche durchbrechenden Gewässern
gesehen. Zur Form vgl. ae. aisl. sōt ‚Ruß‘ (‚was
sich ansetzt‘) zur idg. Wz. *sed- (vgl. Kluge, Ur-
germ.³ § 107; Vries, Anord. et. Wb.² 531 und →
sizzen) wie auch ahd. bruoh¹ (s. d.). Was einen
möglichen Bed.wandel von brechen zu bruoh²
anbelangt, so sei an aind. giri-bhráj- erinnert,
mit einer möglichen Bed. ‚aus den Bergen her-
vorbrechend‘(?) in Bezug auf Gewässer (→ bre-
chan und vgl. Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. II,
527; ders., Et. Wb. d. Altindoar. II, 277: ‚Steif-
heit wie Berge habend‘; s. auch Darms, Schwä-
her und Schwager 298); vgl. auch bah ‚Bach,
Wasserlauf‘, wohl zur idg. Wz. *bheg- : *bhog-
‚brechen, schlagen‘ (s. d.). Obgleich diese Lö-
sung auch als unsicher gelten muß, ist sie doch
wohl den anderen etym. Versuchen vorzuziehen
— wenn es sich hier um ein germ. Wort und nicht
um eine kelt. Entlehnung handelt (s. o.).
Während die Nachkömmlinge des altdt. Wortes
nicht nur in der Hochsprache der Gegenwart,
sondern auch in den obd. Mdaa. des Südens
meist nicht mehr appellativisch gebraucht wer-
den, sind sie auf md. Boden noch weit mehr und
im Niederdt. mdartl. fast noch überall geläufig,
wie sich aus den Einzeleinträgen der dt.
Mda.wbb. ergibt:
im Schweiz. Id. nicht verzeichnet(!); Fischer, Schwäb.
Wb. I, 1456 („Bei uns stets f.; anderswo m. n. Nur
noch als Flurname“); Schmeller, Bayer. Wb.² I, 342 f.;
Kranzmayer, Wb. d. bair. Mdaa. in Österr. III, 1133
(veraltet); Crecelius, Oberhess. Wb. 211 („meist nur
als Eigenname“); Vilmar, Id. von Kurhessen 56 (Brōk
m.n.; „Appellativ nur im westfäl. oder sächs. Hessen“);
Christmann, Pfälz. Wb. I, 1265 f.; Müller, Rhein. Wb.
I, 1025 ff.; Mitzka, Schles. Wb. I, 163; Dähnert, Platt-
Dt. Wb. 57; Kück, Lüneb. Wb. I, 238; Richey, Id.
Hamburgense 24 f.; Bretschneider, Brandenb.-berlin.
Wb. I, 759; Ziesemer, Preuß. Wb. I, 808: Brok n. s.
Bruch 826 f.