dôsôn sw. v. II, Notker und zweimal(?) in
Gl. (Vat. lat. 3860 dosontiu ‚fragosa‘, s.
H. Thoma, PBB 85 [Halle, 1963], 231; Gl.
4, 338, 24, London, BMMss. Add. 19723,
10. Jh., alem. desenta ‚fragosam‘ [mit -e- für
-ô-? s. Steinmeyer-Sievers, Anm. z. Stelle und
→ *dôsunga]): ‚tosen, brausen, intonare‘. —
Mhd. dôsen ‚tosen‘, vereinzelt spätmhd. tausen
(Wittenwilers Ring ez taust: faust), nhd. tosen.
Das vom Ahd. bis gegen Ende des 16. Jh.s sel-
tene Verb ist im 17. und zu Beginn des 18. Jh.s
auf die Wörterbücher beschränkt, es bleibt
aber in den obd. Mundarten erhalten und wird
von da durch Dichter wie Rückert neu belebt.
Im Nhd. ist für ahd., mhd. anlautendes d wohl
wegen des lautmalenden Charakters t einge-
treten. Umlaut des ō, der durch Anlehnung an
Getöse entstanden oder vom jan-Verb (s. u.; →
dôsen) ausgegangen sein kann, bezeugen die
meisten Wörterbücher des 16., 17. und begin-
nenden 18. Jh.s.
Schweiz., elsäss. tōsen, schwäb. tosen, daosǝ, vorarl-
berg. tosen, tirol. dôsen, dôasen ‚tosen, rauschen‘; mit
ß/ ss von der Fortsetzung von ahd., mhd. dôz:
schweiz. doossen, bair. dôßen ‚ertönen, rauschen wie
dichter Hagel, dichter Regen, wie stürzende Wasser-
bäche, toben‘, kärnt. tôss⋅n, toass⋅n ‚lärmen, toben, tö-
nen, rauschen‘, steir. tossen ‚lärmen, toben, schreien,
rauschen‘.
Splett, Ahd. Wb. I, 142; Schützeichel⁴ 92; Starck-
Wells 106. 800. 841; Schade 108; Lexer I, 454; Benek-
ke I, 386; Raven, Schw. Verben d. Ahd. II, 28; Dt.
Wb. XI, 1, 1, 901 ff.; Kluge²¹ 784; Kluge²² 733 f.;
Pfeifer, Et. Wb. 1818; Weigand, Dt. Wb.⁵ II, 1055;
Trübners Dt. Wb. VII, 73; Wißmann, Nomina Post-
verb. 43, 131 f.; Paul, Mhd. Gr.²³ § 148; Paul, Dt. Gr.
I, 322; Wilmanns, Dt. Gr. II § 62. — Stalder, Versuch
eines Schweiz. Id. I, 292; Martin-Lienhart, Wb. d. els.
Mdaa. II, 720; Fischer, Schwäb. Wb. II, 287; Jutz,
Vorarlberg. Wb. I, 587; Schmeller, Bayer. Wb.² I, 547;
Lexer, Kärnt. Wb. 65; Schöpf, Tirol. Id. 87; Unger-
Khull, Steir. Wortschatz 163.
Ahd. dôsôn, spätmhd. alem. tausen (< *dūsōn)
stellen sich zu ae. ðyssa m. ‚Toser‘ (in brim-, me-
re-, wæterðyssa als Kenning für ‚Schiff‘), ðysse
f. in mægenðysse ‚Gewalt‘, ðys, -es m. ‚Sturm‘;
anord. þausk, þausn f. ‚Lärm, Unruhe‘, þeysa
‚vorwärtstreiben‘ (< *þausijan-), þyss m.
‚Lärm, Aufruhr‘ (< *þusiR), þysja ‚stürzen,
stürmen, treiben‘, þjóstr m. ‚Zorn, Heftigkeit,
Gewalt‘ (< *þeusti-). — Vgl. mit abweichendem
Anlaut mhd. tûsen ‚schallen, sausen‘; mndd. dū-
sen ‚schallen, sausen‘ (woraus wohl retrograd
gebildetes aschwed. dus m., nschwed. dial. dus
n. ‚Getöse, Krachen‘), nndd. dūsen ‚tosen‘,
köln. duusche, düüsche ‚brummen, rauschen‘;
anord. dúsa sw. v. ‚erdröhnen‘, nnorw. dūsa
‚heftig schlagen‘, nnorw. dial. dūsa, -ar in drik-
ka og dusa ‚in Saus und Braus leben‘, ält. ndän.
duse ‚zechen‘ (nisl. drekka dus, nschwed. i sus
och dus, ndän. i Sus og Dus als Übersetzung von
nhd. in Saus und Braus), anord. dusill m. ‚Feu-
er‘, eigtl. ‚der Tosende‘.
Fick III (Germ.)⁴ 186 f.; Mensing, Schleswig-holst.
Wb. I, 920; Holthausen, Ae. et. Wb. 375; Bosworth-
Toller, AS Dict. 1086; Suppl. 732; Vries, Anord. et.
Wb.² 88. 606. 610. 614. 630; Falk-Torp, Norw.-dän.
et. Wb. 167 f.; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 427; Fritzner,
Ordb. o. d. g. norske sprog I, 273; III, 1011. 1017.
1028. 1065 f.; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord.
315 f. 322. 324; Torp, Nynorsk et. ordb. 831; F. Holt-
hausen, PBB 41 (1920), 476; ders., GRM 8 (1920),
368.
Eine genaue Entsprechung zu der zugrunde lie-
genden Wz. urgerm. *þeus-/ *þūs- (vorurgerm.
*teu̯s-/ *tūs-) existiert außerhalb des Germ.
nicht. In Anbetracht der Bedeutungen ‚zugrun-
de richten, vernichten‘ des verwandten jan-
Verbs ahd. dôsen (s. d.) ist vielleicht von der Wz.
uridg. *dheu̯s- ‚stieben‘ auszugehen; vgl. unter
den Ableitungen von dieser Wz. aind. dhváṁsa-
ti, -te ‚verfällt, geht zugrunde, zerfällt zu
Staub‘; gr. θω, θυίω ‚stürme einher, brause,
stürme, tobe‘ (wenn < *θύσ-i̯ω); lat. furō
‚stürme einher, bin in wilder Bewegung‘ (wenn
< *dhusō). Man müßte bei diesem Anschluß al-
lerdings annehmen, daß die germ. Fortsetzung
der Wz. *dheu̯s- auch zur Bezeichnung von
Lautwahrnehmungen wie Tosen verwendet wur-
de und in dieser Bedeutung nach der gleichbe-
deutenden Schallwurzel urgerm. *þeut- ‚tosen‘
(→ dôz) dann zu urgerm. *þeus- umgebildet
wurde.
Walde-Pokorny I, 843 f.; Pokorny 261 f.; Mayrhofer,
K. et. Wb. d. Aind. II, 117 f.; ders., Et. Wb. d. Altin-
doar. I, 799 f.; Frisk, Gr. et. Wb. I, 697 f.; Walde-Hof-
mann, Lat. et. Wb. I, 570 ff.
Daneben besteht die Möglichkeit, daß die Wur-
zelform urgerm. *þeus- eine Variante zu ur-
germ. *þeut- ‚tosen‘ darstellt. In diesem Fall
wären die Bedeutungen ‚zugrunde richten, ver-
nichten‘ aus ‚lärmen‘ → ‚gewalttätig sein‘ ent-
standen.
Walde-Pokorny I, 745; Pokorny 1097 (zu tu, tutu
‚Vogelruf‘). Mit der entgegengesetzten Bedeutungs-
entwicklung rechnet Vries, Anord. et. Wb.² 614, der
die Sippe an uridg. *teu̯ǝ- [**teu̯H-] ‚schwellen‘ usw.
(→ dûsunt) anschließt und von einer Grundbedeutung
‚Kraftentfaltung, Erregung als Äußerung des Mann-
rings‘ ausgeht (ähnlich Pfeifer, a. a. O.; Walde-Po-
korny I, 706 f.; Pokorny 1083 f.; F. Holthausen, IF 20
(1906—07), 326; Weigand, a. a. O.). Aus lautlichen und
semantischen Gründen wenig überzeugend ist J. Schef-
telowitz’ (Zfvgl.Spr. 56 [1928—29], 182 f.) Verbindung
mit lit. tvaskti (-skù, -skjau) ‚glänzen, leuchten,
flimmern‘ (Fraenkel, Lit. et. Wb. 1151) oder der An-
schluß an lit. taũzyti (-ziju) ‚plappern, schwatzen, fa-
seln‘ (Fraenkel, a. a. O. 1070).