denkenAWB sw. I: ‚denken, erwägen, aussinnen,
überlegen, cogitare, meditari, deliberare‘ 〈Var.:
thenken, tenken, denchen, denchan〉; prät. dâh-
ta, part.prät. gidenkit, seltener gidâht. — Mhd.
denken, prät. dâhte, part.prät. gedâht, nhd.
denken, prät. dachte, part.prät. gedacht (mit
Kürzung des Stammvokals vor Doppelkons.),
dial. überwiegend (ge)denkt.
Splett, Ahd. Wb. I, 128; Schützeichel⁴ 87 f.; Starck-
Wells 93; Graff V, 150 ff.; Schade 95 f.; Braune, Ahd.
Gr.¹⁴ § 365 Anm. 4; Raven, Schw. Verben d. Ahd. I,
25 f.; Lexer I, 418; Benecke I, 341 ff.; Diefenbach, Gl.
lat.-germ. 130 (cogitare); Dt. Wb. II, 927 ff.; Dt. Wb.²
VI, 649 ff.; Kluge²¹ 127; Kluge²² 134; Pfeifer, Et. Wb.
269 f.
Ahd. denken entsprechen as. thenkian, mndd.
denken; andfrk. thencon (die Flexion nach der
2. sw. Kl. ist sekundär; s. Helten, Aostndfrk.
Psalmenfrg. § 109); mndl. denken, dinken;
afries. thnka, thenza ‚denken‘, nostfries. den-
ken, nwestfries. tinken, tinsen; ae. ðencan, me.
thenk, think ‚denken‘, ne. think (in ne. think
[me thinks ‚mir scheint‘] ist ae. ðyncan ‚dünken,
scheinen‘ mit enthalten; → dunken); mit variie-
render Bedeutung: anord. þekkja ‚wahrnehmen,
erkennen, kennen, wissen‘, nisl. þekja, nnorw.
dial. tekkja, aschwed. þækkia, adän. tække (da
die Assimilation von nk > kk in den Verben
nisl. þenkja, ndän. tænke, nnorw. tenke,
aschwed. þænkia, nschwed. tänka fehlt und de-
ren Bedeutung ‚denken‘ mit der von mndd. den-
ken ‚denken, sich erinnern‘ übereinstimmt, han-
delt es sich wohl um Entlehnungen aus dem
Ndd.); got. þagkjan, þaggkjan ‚denken, sich
besinnen‘ < urgerm. *þank(i)jan-.
Eine bedeutungsverwandte Bildung begegnet in anord.
þekta sw. I ‚wahrnehmen‘ (< *þakitjan-); dagegen
gehört anord. þokka ‚meinen, denken, beurteilen‘
(nisl. þokka, norw. dial. tokka, adän. tokke) als Ablei-
tung von anord. þokki m. ‚Meinung, Urteil, Gefallen,
Verdruß; Aussehen‘ (vgl. ae. æf-ðunca ‚Neid‘) zu der
in dunken (s. d.) vorliegenden Wz.-Form.
Fick III (Germ.)⁴ 179; Holthausen, As. Wb. 77; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 179; Berr, Et. Gl. to Hel. 405; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 414; Schiller-Lüb-
ben, Mndd. Wb. I, 503 f.; Kyes, Dict. of O. Low and
C. Franc. Ps. 102; Verdam, Mndl. handwb. 132;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 111; Holthausen, Afries.
Wb.² 110; Richthofen, Afries. Wb. 1067; Doornkaat
Koolman, Wb. d. ostfries. Spr. I, 291; Dijkstra, Friesch
Wb. I, 287; Holthausen, Ae. et. Wb. 362; Bosworth-
Toller, AS Dict. 1046 f.; Suppl. 728; Suppl. II, 61;
Stratmann-Bradley, ME Dict.³ 631; Oxf. Dict. of Engl.
Et. 573. 917; OED² XVII, 945 ff.; Vries, Anord. et.
Wb.² 607 f.; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 448; Holthau-
sen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 313; Falk-Torp, Norw.-
dän. et. Wb. 1312; Torp, Nynorsk et. ordb. 777. 780;
Hellquist, Svensk et. ordb.³ 1265; Feist, Vgl. Wb. d.
got. Spr. 487; Lehmann, Gothic Et. Dict. þ-2.
Außerhalb des Germ. ist mit dem Verb *þan-
k(i)jan- lat. tongēre (Ennius, Festus-Paulus)
‚wissen‘ unmittelbar identisch. Zugehörige Sub-
stantive sind pränestin. tongitiō ‚nōtiō‘; ablau-
tend osk. akk. tanginom ‚sententiam‘, abl. tangi-
núd ‚sententiā‘ (mit an < * in inlautenden Sil-
ben; s. G. Meiser, Lautgesch. d. umbr. Spr. 69 f.;
anders A. Walde, Streitberg-Festschrift [1924]
194: *tong-; verfehlt: J. Whatmough, Harvard
Stud. in Class. Phil. 42 [1931], 143 f.: Entleh-
nung von messap. *tangere [mit Wandel von ur-
idg. *o > a] ins Osk.); alb. tāngë in i mbeti tān-
gë ‚es tat ihm leid‘; toch. A. tuṅk-, B taṅkw
‚Liebe‘ (mit suffixalem w-Element). Weitere si-
chere Verwandte fehlen. Ist die Vorform uridg.
*tongei̯e- des Verbs ein Intensiv zu einer sonst
nicht bezeugten Wz.-Form *teng-, so hat diese
Wz. etwa ‚denken, meinen‘ bedeutet. Die
Schwundstufe liegt in dunken vor (s. d.).
Seebold (Kluge²² 134) verbindet das Verb denken mit
aruss. tjagnuti ‚schwer sein auf der Waagschale, wie-
gen‘, russ. tjanút’ ‚wiegen‘ und nimmt wegen der Be-
deutungen der slav. Verben für denken eine Grundbe-
deutung ‚wägen‘ an. Die slav. Verben gehören jedoch
zu der Wz. *teng(h)- ‚ziehen, dehnen, spannen‘ (→ dîh-
sala) und haben wohl eine sekundäre Bedeutungsent-
wicklung erfahren (‚nach unten ziehen‘ > ‚wiegen‘).
Umstritten ist die Erklärung der in neuerer Zeit wieder
von H. Wagner (Zfcelt. Ph. 31 [1970], 24 f.) mit ahd.
denken verbundenen Verben air. tongu ‚schwöre‘,
nkymr. tynghaf (d’Arbois de Jubainville, MSLP 11
[1900], 330; J. Vendryes, Ernout-Festschrift 371: air.
tongu, nkymr. tynghaf eigentlich ‚ich rufe einen Gott
an, ich spreche ein Gebet‘ [dazu C. Watkins, in
Hamp-Festschrift 47 ff.] und mit ē-Suffix lat. tongeō
wie lat. voveō ‚gelobe‘), da das Perf. air. do-ru-the-
thaig auf eine nasallose Wz. *te-tog-e weist (Pokorny
1054 f.: zu gr. τεταγών ‚fassend‘ usw.; Fick II [Kelt.]²
121: zu lat. tangō ‚berühre‘; Vendryes, Lex. ét. de l’irl.
anc. T-106 ff.: zwei Stämme *tong- aus einem Kausa-
tiv(?) und *teg-; anders Pedersen, Vgl. Gr. d. kelt. Spr.
I § 61, 4: zu anord. þing ‚gerichtliche Zusammen-
kunft‘; → ding). Sicher bleibt gr. τάσσω, att. τάττω
‚stelle fest, ordne, regele‘ (Fick I [Idg.]⁴ 442) fern,
denn gr. τᾱγός ‚Anführer, Gebieter‘ (zu -ᾱ- s. Chan-
traine, Dict. ét. gr. 1087 und s. dîhsala) deutet auf ana-
logisches σσ bzw. ττ und damit auf eine Vorform
*τάζω für das Verb. Die Sippe von av. θang- (θaṇjaiie-
ni ‚ich lenke [den Wagen]‘, part. θaχta-) ‚ziehen, Bo-
gen spannen‘ und aruss. tęgo ‚ἱμάς, lorum‘ und damit
eine Grundbedeutung ‚seine Gedanken anspannen‘
von uridg. *tongei̯e- (J. Scheftelowitz, Wiener ZfKde d.
Morgenl. 34 [1927], 228 bzw. O. Wiedemann, BB 21
[1902], 242) liegt semantisch zu weit ab, zumal sich
die Vorform von av. θang- nicht mit der von ahd. den-
ken vereinbaren läßt (→ dîhsala). Semantisch möglich
wäre eine Grundbedeutung ‚nehmen, fassen‘ für uridg.
*tongei̯e- (vgl. die Bedeutung von lat. comprehendere
‚anfassen, begreifen‘), doch scheitert die Verbindung
mit lat. tangō ‚berühren‘ (F. A. Wood, Class. Phil. 3
[1908], 85 f.) wie im Falle von air. tongid daran, daß
die zugrundeliegende Wz. von Haus aus nasallos ist
(Pokorny 1054).
Auf eine Wz.-Variante *tenk- deuten nkymr. tank f.
‚Friede‘ (< *tkā) (vgl. brit.-lat. PN Tancorix, Tanco-
nus, Tancinus), tangnef ‚Friede, Ruhe‘ (J. Loth, Rev.
celt. 41 [1924], 225) und lett. teñcinât ‚loben, danken,
ausforschen‘, tiñcinât ‚viel Worte machen mit Reden,
Fragen, Danken‘; zum Nebeneinander der Wz. *teng-
und *tenk- vgl. lit. téigti (-giu, -giau) und téikti ‚er-
zählen, sagen‘.
Walde-Pokorny I, 744; Pokorny 1088; Frisk, Gr. et.
Wb. I, 845 f. 859 f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II,
690; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 695; Vaniček, Et.
Wb. d. lat. Spr. 99; Leumann, Lat. Laut- u. Formenleh-
re § 45d. 410, 2b; Meyer, Et. Wb. d. alb. Spr. 424;
Fraenkel, Lit. et. Wb. 1072; Mühlenbach-Endzelin,
Lett.-dt. Wb. IV, 163. 192; A. J. v. Windekens, Gött.
Gel. Anz. 205 (1943), 29; ders., Lex. ét. tokh. 135 (je-
doch toch. A tuṅk-, B taṅkw ‚Liebe‘ < uridg. *dhen-
ghu-, *dhanghu- zu gr. ταχύς ‚schnell, geschwind‘; da-
zu s. Frisk, a. a. O. II, 862); ders., Le tokharien 518
(zu anord. þekkja ‚angenehm machen‘, das zu Un-
recht mit anord. þekkja ‚wahrnehmen, erkennen, ken-
nen, wissen‘ gleichgesetzt wird; → *decki); Verfehltes
zum Toch. auch bei P. Poucha, Zddt. Morgenl. Ges. 93
(1939), 211 ff.