firniAWB adj. ja-St., seit dem 8. Jh., in Gl.,
Mons. Frg. und bei Notker: ‚(sehr) alt, veraltet,
(vor Alter) schwach, hinfällig, vergehend, an-
tiquatus, vetus, vetustus‘. — Mhd. virne ‚alt‘,
nhd. (obd.) firn ‚vorjährig‘. Zum obd. Adj. ge-
hört als Substantivierung Firn m., Firne f.
‚vorjähriger Schnee im Hochgebirge‘, ein zu-
erst im 16. Jh. bezeugtes schweiz. Wort (vgl.
als Substantivierung des Adj. österr. Ferner),
das durch Schiller (im Wilhelm Tell) allge-
meine Verbreitung fand. Das Wort Firnewein
‚alter Wein‘ (vgl. mndd. vernewīn) ist eine Zu-
sammenrückung aus mhd. der virne wîn, eine
Fügung, die noch im 20. Jh. als firner Wein
fortbestand.
Ahd. Wb. III, 912; Splett, Ahd. Wb. I, 238.; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 282; Schützeichel⁵ 135; Starck-Wells
158; Seebold, ChWdW8 128; Graff III, 662; Schade
199; Lexer III, 366; Benecke III, 302; Götz, Lat.-
ahd.-nhd. Wb. 44 (antiquatus). 706 (vetus, vetustus);
Dt. Wb. III, 1675 f.; Kluge²¹ 199; Kluge²⁴ 295; Pfei-
fer, Et. Wb.² 346 f.
Das ahd. Wort hat Entsprechungen in: mndd.
verne ‚vorjährig, alt‘; mndl. verne ‚alt‘; got.
fairneis ‚alt‘ (n. fairni, also ebenfalls ein ja-St.):
< urgerm. *fernija- ‚alt‘. Daneben findet sich
ablautend ae. fyrn ‚ehemalig, alt‘ und aisl. Fyr-
nir ‚ein Riese‘ (< urgerm. *furni/ja-). Weil es
im Germ. kein Suffix *-n(i)ja- gibt, dürfte ur-
germ. *fernja- mit dem Suffix *-ja- vom a-st.
Adj. *ferna- in as. fern ‚vorig‘ (in fernun gēre ‚im
vorigen Jahr‘) und got. fairns* ‚vorjährig‘ (nur in
af fairnin jera) abgeleitet sein. Der Auslöser die-
ser Neubildung war das oppositionelle Verhält-
nis zu urgerm. *newja- ‚neu‘ (→ niuwi), wie
wahrscheinlich auch für die Bildung got. alþeis
‚alt‘ (< *alþija-) neben urgerm. *alđa- (→ alt;
vgl. Lühr, Egill 323). Wie neben *fernija- ablau-
tendes *furni/ja- steht, findet sich auch *ferna-
zu ablautendem *furna-, das in aisl., nisl., norw.,
schwed., dän. forn ‚alt, heidnisch‘ (→ forn) be-
legt ist. Von beiden Ablautstufen sind Abstrakta
auf urgerm. *-iþō- abgeleitet: got. fairniþa ‚Al-
ter‘ (< *ferniþō-) neben aisl., nisl., fär. fyrnd
‚Alter, Vorzeit‘ (< *furniþō-).
In den westfrk. Personennamen mit Erstglied Farn-
(wie Farnobius, Farnoin und Farnulf) ist das Erstglied
zu *farma- ‚Sturm‘ zu stellen (vgl. as. farm ‚Ansturm‘;
N. Wagner, BN N.F. 31 [1996], 162 f.).
Fick III (Germ.)⁴ 231; Heidermanns, Et. Wb. d. germ.
Primäradj. 196. 225; Holthausen, As. Wb. 19; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 128; Berr, Et. Gl. to Hel. 117; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 705; Schiller-Lüb-
ben, Mndd. Wb. V, 242; Verdam, Mndl. handwb.
678; Holthausen, Ae. et. Wb. 120; Bosworth-Toller,
AS Dict. 354; Suppl. 277; Vries, Anord. et. Wb.² 138;
Jóhannesson, Isl. et. Wb. 545 f.; Holthausen, Vgl. Wb.
d. Awestnord. 70; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 269;
Torp, Nynorsk et. ordb. 133; Feist, Vgl. Wb. d. got.
Spr. 140 f.; Lehmann, Gothic Et. Dict. F-14. F-15. —
Streitberg, Got. El.buch⁶ 129; Schulze, Kl. Schriften
536 ff.
Die Basis für die Ableitung urgerm. *fernija-,
vorurgerm. *perno-, welchem lett. prns ‚vorjäh-
rig‘ entspricht, ist eine Ableitung mit dem adjek-
tivbildenden Suffix *-no- von dem uridg. Ad-
verb *perǝ/*pr̥̄- [**perH₂-/**pH₂-] (→ furi,
fora). Daneben findet sich ein Adverb *perǝnē
[**perH₂nē] (also mit dem Adverbialsuffix
*-nē), das in mhd. verne ‚im vorigen Jahr‘,
umbr. perne ‚vorher‘ (anders Untermann, Wb.
d. Osk.-Umbr. 538: dat. sg.n. ‚dem, was vorn ist‘
von einem Adj. *perno-), lit. pérnai(s), pérniai
‚vorjährig‘ (im Suffix nach naujaî ‚neuerdings‘)
und lett. prn ‚im vorigen Jahre‘ vorliegt. Die
unterschiedlichen Bedeutungen im Umbr. und in
den anderen Sprachen legen die Annahme nahe,
daß die Bedeutung ‚vorjährig‘ aus einer ellipti-
schen Wendung ‚im vorigen Jahre‘ entstanden
ist.
Walde-Pokorny II, 31; Pokorny 810 f.; Mann, IE
Comp. Dict. 925; Muller, Aital. Wb. 334; Walde-Hof-
mann, Lat. et. Wb. II, 283 ff.; Trautmann, Balt.-Slav.
Wb. 215; Fraenkel, Lit. et. Wb. 576; Mühlenbach-
Endzelin, Lett.-dt. Wb. III, 209 f. — K. Johansson, BB
16 (1890), 151 f.; E. Fraenkel, Zfvgl. Spr. 57 (1930),
175; G. Schmidt, Germ. Adv. 335 ff.; I. Hajnal, in
Früh-, Mittel-, Spätidg. 102; R. Lühr, Mü. Stud. z.
Spr.wiss. 35 (1976), 75.