flehtan
Band III, Spalte 365
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flehtan st. v. III (1.sg.prät. flaht, 2.sg.konj.
prät. fluchtest, part.prät. giflochtan usw.), seit
dem 9. Jh., im Tatian, bei Notker und in Gl.:
flechten, verflechten, weben, umwinden, beu-
gen, flectere, innectare, inserere, intexere, plec-
tere, stringere, texere
(bei Notker auch gefloh-
tene reda verfängliche Reden) Var.: v-, -ch-,
fleth-; 3.sg.prät. flath; part.prät. kifluhtun.
Mhd. vlehten st. v. IV drehen, flechten, ver-
flechten, verbinden
(im Mhd. finden sich die
alten u-Formen nur mehr selten; s. Braune,
Ahd. Gr.¹⁵ § 338 Anm. 2; Paul, Mhd. Gr.²³
§ 248), nhd. flechten.

Ahd. Wb. III, 950 ff.; Köbler, Wb. d. ahd. Spr. 299;
Splett, Ahd. Wb. I, 242; Schützeichel⁵ 135; Starck-
Wells 163. 810. 845; Schützeichel, Glossenwortschatz
III, 202 f.; Graff III, 770; Schade 204; Lexer III,
393 f.; Benecke III, 341; Diefenbach, Gl. lat.-germ.
441 (plectere); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 268 f. (flec-
tere). 340 (innectare). 342 (inserere). 350 (intexere).
495 (plectere). 630 (stringere). 664 (texere); Dt. Wb.
III, 1738 ff.; Kluge²¹ 203; Kluge²⁴ 299; Pfeifer, Et.
Wb.² 352. B. Schier, Das Flechten im Lichte der histo-
rischen Volkskunde (Frankfurt a. Main, 1951).

Als Vorstadium der Weberei spielte das Flecht-
werk seit ältester Zeit im Haushalt der Men-
schen eine bedeutende Rolle (allerdings stark
übertrieben dazu J. Trier). Das Verb hat so Ent-
sprechungen in weiteren westgerm. Sprachen
und im Nordgerm.: as. flehtan (giflohtan) st. v.
III flechten, mndd. vlechten (ver-)flechten,
(um-)ranken, umfassen
; mndl. vlechten, nndl.
vlechten dss.; aisl. flétta (-ađ-) sw. v. flechten,
nisl. flétta (ndän. flette, nschwed. fläta sw. v.): <
urgerm. *fleχtan- winden. Im Ae. ist eine Parti-
zipialbildung flohten- in flohten-fōte fugelas
Vögel mit Schwimmhäuten an den Zehen zuge-
hörig; und im Got. erscheint ein ablautendes
Subst. flahta st. oder sw. f. Flechte, nur dat.pl.
flahtom (< *flaχtō[n]-), dem aisl. flátta Matte
entspricht (hierher auch westfäl. flahte Seiten-
brett am Wagen
?; s. F. Holthausen, AfdA. 41
[1922], 13; oder eher mit Öffnung von e vor χt
zu a und damit zu flehta?), während ae. fleohta
m. Hürde die Ablautstufe des Präsensstammes
zeigt ( vlehte). In der Verbalbildung begegnet
die Schwundstufe der Wz. in dem wohl denomi-
nalen Verb ae. flustrian flechten; flahs.

Fern bleiben as. gefliit richtet, mndd. vlien auf-
schichten, verstauen
, nndl. vlijen hinlegen, sich an-
schmiegen
(s. Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 749; See-
bold, Germ. st. Verben 199).

Gr. πλεκτή Windung, Strick, πλεκτός Seil, Netz
sind unabhängig von got. flahta usw. gebildete Sub-
stantive; zum t-Suffix s. u.

Zur Verwandtschaft mit dem Wort Flachs s. flahs.

Fick III (Germ.)⁴ 250 f.; Seebold, a. a. O. 198 f.; Holt-
hausen, As. Wb. 20; Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 240;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 740; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. V, 267; Verdam, Mndl. handwb.
718; Franck, a. a. O. 746; Vries, Ndls. et. wb. 789;
Holthausen, Ae. et. Wb. 107; Bosworth-Toller, AS
Dict. Suppl. 224; Vries, Anord. et. Wb.² 131; Jóhan-
nesson, Isl. et. Wb. 580; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske
sprog II, 440; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 66;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 236; Ordb. o. d. danske
sprog IV, 1179 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 119; Hell-
quist, Svensk et. ordb.³ 226; Svenska akad. ordb. F-
987 ff.; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 156; Lehmann, Go-
thic Et. Dict. F-60.

Außerhalb des Germ. entsprechen: lat. plectō
flechte, füge ineinander; aksl. plet (< *plektō
mit *k anstelle von *?; dazu s. u.; vgl. Brug-
mann, Grdr.² I, 585; Vondrak, Vgl. slav. Gr.² I,
311; C. C. Uhlenbeck, PBB 19 [1894], 519), ples-
ti, aruss. plesti, pletu flechten, russ. plestí, pletú
dss., auch lügen, aufschneiden < *plekt-
flechten. Ohne t-Erweiterung erscheint die
Wz. in gr. πλέκω flechte, stricke, drehe, schlin-
ge
; lat. plicō, -āre (deverbatives Intensiv) falte
zusammen
(anstelle von *plecō nach den weit
gewöhnlicheren Komposita explicō usw.; s. Ost-
hoff-Brugmann, Morph. Unters. IV, 2 f.
Anm. 3); des weiteren in zahlreichen Nominal-
bildungen im Gr.: z. B. gr. (selten) πλέκος n. (s-
Stamm) Flechtwerk, Korbarbeit, mit o-Stufe:
πλοκή Geflecht, Gewebe, Verflechtung, Ver-
wicklung
, πλόκος Geflecht, Locke, Kranz,
Halsband
, πλοχμός, meist pl. -οί m. Haarlok-
ken
mit der Fortsetzung des Suffixes -σμο-, das
kaum in Beziehung zu dem wohl neu gebildeten
s-Stamm πλέκος steht ( flahs und vgl. Schwy-
zer, Gr. Gram.² I, 493). Sind aind. prana-
Turban, Kopfbinde, das als isoliertes Verbal-
nomen
von der Wz. uridg. *ple- flechten, zu-
sammenwickeln
(Frisk, Gr. et. Wb. II, 558) be-
trachtet wird, und jav. ǝrǝzatō.frana- (Epithe-
ton des Mitra) dessen frana aus Silber ist mit
-frana- in der Bedeutung entweder von Helm
oder von Panzerhemd (< indoiran. *prana-
Geflecht) zugehörig, ist der Tektal der Wz. als
palatales * anzusetzen (zur Kentum-Behand-
lung von * im Baltoslaw. s. Stang, Vgl. Gr. d.
balt. Spr. 91 ff.).

Dagegen beruht aksl. plet nach Meillet (tudes sur
l’étym. 180 ff.) auf einer Wurzelvariante *plet-.

Der älteren Deutung von aind. plāí- m. ein bestimm-
tes Eingeweide
als Geflecht zieht Mayrhofer (Et.
Wb. d. Altindoar. II, 196) den Anschluß an gr.
πρωκτός After, Steiß vor (vgl. J. Jasanoff-J. Schindler,
bei St. W. Jamison, Cowgill-Gedenkschrift 79 Anm. 12).
Zum Anschluß von lit. plakinis Art Fischernetz s.
flahs.

Wie lat. plectō und weiterhin pec-tō kämme
und nec-tō knüpfe neben den t-losen Perfekta
plexī, pexī und nexī zeigen, hat das Suffix -te/
to- präsensstammbildende Funktion (zuletzt
H. C. Melchert, Zfvgl. Spr. 91 [1977], 116); vgl.
aber gr. πέκ-τω kämme neben πέκ-ω (dazu
s. u.). Doch ist im Germ. im Falle der Wz.
*plet- das -t- Bestandteil der Wz. geworden.
Andererseits konnten die verbalen te/to-Bildun-
gen in einem Zusammenhang mit dem Verbal-
adj. gesehen werden, da von πλέκω ein Verbal-
adj. auf -to-, πλεκ-τός geflochten, existiert
(Krahe-Meid, Germ. Sprachwiss. III § 189). Der
verbalen te/to-Bildung *plek-tō konnte so eine
faktitive Bedeutung geflochten machen, d. h.
flechten beigelegt werden.

Dagegen stammt nach H. Lommel (Zfvgl. Spr. 53
[1925], 309 f.) das -t- im Präsensstamm von *plete/
o- aus dem Verb *pektō kämme und da wiederum
aus dem Subst. des Wortes Kamm, wie es in lat. pec-
ten, -inis m. vorliegt. Bei den Indogermanen sei auf
das Kämmen unmittelbar das Aufbinden oder Flechten
der Haare gefolgt.

Die Wz. uridg. *ple- stellt möglicherweise eine
Wurzelerweiterung zu der Wz. uridg. *pel- fal-
ten
dar; faldan.

Walde-Pokorny II, 97; Pokorny 834 f.; LIV² 486;
Mann, IE Comp. Dict. 952; Fick I (Idg.)¹ 486; Mayr-
hofer, K. et. Wb. d. Aind. II, 370; ders., Et. Wb. d.
Altindoar. II, 185; Bartholomae, Airan. Wb.² 352;
Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 793; Frisk, Gr. et. Wb. II, 557 f.;
Chantraine, Dict. ét. gr. 914 f.; Walde-Hofmann, Lat.
et. Wb. II, 321; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 514 f.;
Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 224; Miklosich, Et. Wb.
d. slav. Spr. 250; Sadnik-Aitzetmüller, Handwb. zu
den aksl. Texten 87. 284 f. (Nr. 667); Vasmer, Russ. et.
Wb. II, 371.

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